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Tourismus: Zurückhaltung bei Ausgaben trübt positive Bilanz

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Die österreichische Tourismusbranche hat 2023 nach Aufhebung aller Corona-Restriktionen einen deutlichen Wiederaufschwung erlebt. Mit einer Rekordzahl von insgesamt 80,9 Millionen Nächtigungen in der Sommersaison 2023 und 151,2 Millionen Nächtigungen im Gesamtjahr befindet man sich beinahe wieder auf dem Niveau von 2019, also vor der COVID-19-Pandemie. Das geht aus dem aktuellen Tourismusbericht hervor, der heute im Tourismusausschuss des Nationalrats zur Diskussion stand. Im Winterhalbjahr führte demnach eine überdurchschnittliche Dynamik zu 69,3 Millionen Übernachtungen bzw. zur bislang drittbesten Saison.

Laut WIFO-Experte Oliver Fritz ist die Bilanz aber nicht ungetrübt, wie er bei den heutigen Ausschussberatungen betonte. Demnach halten die Ausgaben der Gäste mit der positiven Entwicklung bei Ankünften und Nächtigungen nicht mit. Vielmehr habe die zu beobachtende Sparneigung in Kombination mit hohen Preissteigerungen dazu geführt, dass die realen Umsätze zuletzt hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind. Zwar sind die Einnahmen zwischen November 2023 und März 2024 laut Fritz – bereinigt um Kalendereffekte – nominell um 4,8 % gewachsen, die realen Einnahmen gingen aber um 2,5 % zurück. Auch ist ihm zufolge durch die Teuerung die preisliche Wettbewerbsfähigkeit Österreichs im internationalen Vergleich gesunken. Ebenso habe sich die wirtschaftliche Lage der Tourismusunternehmen verschlechtert. Als weitere Herausforderungen nannte der Experte u.a. den Personalmangel, Übertourismus, den Klimawandel und die Digitalisierung.

Sichtbar wird die Zurückhaltung der Gäste bei den Ausgaben auch beim Beitrag des Tourismus zur Gesamtwertschöpfung in Österreich. Zwar trug die Tourismuswirtschaft im vergangenen Jahr laut Tourismusbericht 2023 (III-1176 d.B.) mit 29,46 Mrd. € an direkten und indirekten Wertschöpfungseffekten 6,2 % zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei und unterstrich damit ihre große volkswirtschaftliche Bedeutung für Österreich. An die entsprechenden Werte des Jahres 2019 reichen die Zahlen aber noch nicht heran. So wurden im letzten Jahr vor der Corona-Pandemie mit einer Wertschöpfung von 30,28 Mrd. € 7,6 % des BIP generiert. Ähnliches gilt für den touristischen Konsum gemäß Tourismussatellitenkonto, den WIFO und Statistik Austria für 2023 mit 35,94 Mrd. € – nach 30,82 Mrd. € im Jahr 2022 und 37,89 Mrd. € im Jahr 2019 – berechnet haben.

Laut Fritz könnte der Anteil des Tourismus an der Gesamtwertschöpfung statistisch gesehen sogar noch einmal deutlich sinken, da die auf Schätzung beruhenden Daten von der Statistik Austria regelmäßig evaluiert würden und eine generelle Revision bevorstehe. Das werde den Bereich Beherbergungswesen und Gastronomie vermutlich stärker treffen als andere Bereiche, glaubt er.

Großes Plus beim Wintertourismus in Wien

Tourismus-Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler konzediert dem heimischen Fremdenverkehr dennoch eine erstaunliche Resilienz. Dieser sei auch in schwierigen Zeiten immer ein Zugpferd gewesen, betonte sie. Bei manchen Fernmärkten, vor allem im asiatischen Raum, liegt man ihr zufolge zwar noch weit hinter der Vor-Corona-Zeit zurück und manche Märkte seien auch durch die geopolitische Situation – Stichwort Nahost-Konflikt und Ukraine-Krieg – weggefallen. In den Kernmärkten gehöre Österreich aber weiterhin zu den TOP-Destinationen. Auch die Prognose für die bevorstehende Sommersaison ist laut Kraus-Winkler positiv.

Zuletzt besonderes gewachsen ist der Tourismusstaatssekretärin zufolge der Städtetourismus. So könnte Wien 2024 – nach einer sehr starken Wintersaison – sein bisher bestes Ergebnis von 2019 übertreffen. Auch die Tourismusakzeptanz in Österreich sei weiterhin hoch, wenn auch mit leichtem Abwärtstrend.

Anwerbung von Arbeitskräften in Indonesien, Brasilien und auf den Philippinen

Was den Arbeitsmarkt betrifft, wies Kraus-Winkler darauf hin, dass im vergangenen Jahr 7,6 % der Erwerbstätigen im Tourismus beschäftigt waren. Auch in der Nebensaison falle die Zahl der Beschäftigten nicht mehr unter die 200.000er-Marke, in der Hochsaison arbeiten 250.000 Personen im Tourismus.

Als Maßnahmen gegen den Personalmangel verwies Kraus-Winkler unter anderem auf die schrittweise Erhöhung der Kontingente für Saisonarbeitskräfte und die Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, wobei Österreich ihr zufolge neben dem Kosovo und Albanien besonders auch Indonesien, die Philippinen und Brasilien im Fokus hat. Alle diese Länder hätten Fachkräfteausbildungen und würden sich aktiv um die um Vermittlung von Arbeitskräften ins Ausland bemühen, skizzierte sie. Laut Tourismusbericht hat das Arbeitsmarktservice 2023 1.064 positive Gutachten zur Ausstellung von Rot-Weiß-Rot-Karten für Fach- und Schlüsselkräfte in Beherbergung und Gastronomie ausgestellt, 2022 waren es erst 348 gewesen.

Wegen des hohen Zinsniveaus und der inflationsbedingten Kostensteigerung zurückgegangen ist laut Kraus-Winkler die Investitionstätigkeit: Viele Betriebe würden derzeit vorsichtig agieren.

Krauss-Winkler will nachhaltigen Tourismus fördern

Da es voraussichtlich der letzte Tourismusausschuss in dieser Legislaturperiode war, nutzte Kraus-Winkler die Sitzung auch dazu, um eine Bilanz über die Arbeit des erst im Jahr 2022 eingerichteten Tourismusstaatssekretariats zu ziehen. Man habe etwa die Tourismusförderung neu aufgesetzt und den Nachhaltigkeitsbonus weiterentwickelt, unterstrich sie. Auch sonst sei in Sachen Nachhaltigkeit viel gemacht worden. Das österreichische Umweltzeichen werde von den Regionen sehr gut angenommen. Neu sei auch, dass die Tourismusakzeptanz nun regelmäßig von der Statistik Austria gemessen werde.

Was aktuelle Projekte betrifft, verwies Kraus-Winkler unter anderem auf das Vorhaben, Österreich verstärkt als Kulinarik-Destination zu etablieren, sowie die neue Dachkampagne der Österreich Werbung unter dem Titel „Lebensgefühl“. Zudem hält sie die Einrichtung eines Kompetenzzentrums für Tourismusforschung für wünschenswert. Es brauche mehr Daten und Fakten für Entscheidungen, hielt sie gegenüber der Tourismussprecherin der Grünen Barbara Neßler fest. Auch müsse man, was das Thema Tourismusakzeptanz betrifft, Bürgermeister:innen und die Gemeindeebene stärker einbinden.

Verzögerungen beim „Digitalen Gästeblatt“

Verzögerungen gibt es beim „Digitalen Gästeblatt“, wie Kraus-Winkler gegenüber NEOS-Abgeordnetem Josef Schellhorn einräumte. Sie habe sich die Umsetzung einfacher vorgestellt, sagte sie. Neues Zieldatum ist nun Ende 2026, Anfang 2027, wobei sich das Vorhaben ihr zufolge mit der bis Mai 2026 notwendigen Umsetzung einer neuen EU-Richtlinie zur Kurzzeitvermietung „verschneidet“. Dabei geht es um die Einrichtung eines umfassenden Beherbergungsregisters und der damit verbundenen Registrierungspflicht für alle Privatvermieter. Laut Kraus-Winkler werden derzeit verschiedenste Lösungsansätze evaluiert – über ein Verfassungsgesetz bis hin zu neun Landesgesetzen samt Bund-Länder-Vereinbarung.

NEOS fordern steuerliche Erleichterungen für Betriebsaufgaben

Schellhorn hatte zuvor festgehalten, dass ein digitales Gästeblatt auch der Forschung sehr helfen würde. Zudem forderte er einmal mehr eine Senkung der Lohnnebenkosten zur Entlastung des Faktors Arbeit und steuerliche Maßnahmen, um das Schließen von Betrieben zu erleichtern. „Wir haben 40.000 Gästebetten zu viel in diesem Land“, machte der Tourismussprecher der NEOS geltend. Zudem braucht es seiner Meinung nach dringend Konzepte für eine bessere öffentliche Erreichbarkeit von touristischen Orten und für eine Entzerrung von touristischen Strömen. In Bezug auf den Fachkräftemangel drängte er darauf, einen größeren Fokus auf die polytechnischen Schulen zu richten und dort „kräftig zu investieren“.

Steuerliche Erleichterungen bei Betriebsaufgaben hält auch Staatssekretärin Kraus-Winkler für geboten. Es brauche eine Marktbereinigung, stimmte sie Schellhorn zu. Es gebe Betriebe, die das Geschäft mangels Nachfrage nicht mehr weiterführen könnten und andere, die keine Nachfolger hätten. Hier werde man in der nächsten Legislaturperiode etwas machen müssen, sagte sie. Als bisher Erreichtes hob sie das neue „Grace-Period-Gesetz“ für einfachere Betriebsübergaben und  Erleichterungen bei der Herausnahme von Betriebsgebäuden hervor. Auch die Stärkung der Nebensaison hält Kraus-Winkler für ein wichtiges Thema, wobei sie sich durch den Pensionsübertritt der Babyboomer-Generation hier eine Belebung erwartet.

SPÖ drängt auf Maßnahmen gegen die Teuerung

Von SPÖ-Tourismussprecherin Melanie Erasim auf die aus ihrer Sicht wichtigsten „To-dos“ im Tourismusbereich angesprochen, nannte Kraus-Winkler neben dem digitalen Gästeblatt die Verbesserung der Beherbergungsqualität, die Modernisierung der Lehrlingsausbildung, die steuerliche Entlastung von Überstunden und die Entwicklung von Systemen für einen ausbalancierten Tourismus unter breiter Einbindung.

Generell warf Erasim der Regierung vor, zu wenig gegen die Teuerung in Österreich unternommen zu haben. Das spiegle sich nun auch in der fehlenden Kaufkraft inländischer Gäste wider, meinte sie. Auch sonst sind der Regierung ihrer Meinung nach im Tourismusbereich – etwa bei der Bekämpfung des Arbeitskräftemangels oder der Bereitstellung von Kinderbetreuungsplätzen für Mitarbeiter:innen – „wenig Hardfacts“ gelungen, wobei sie Staatssekretärin Kraus-Winkler ausdrücklich aus ihrer Kritik ausnahm. Barbara Neßler (Grüne) hielt Erasim entgegen, dass in puncto Nachhaltigkeit im Tourismus viel weitergegangen sei.

Verwundert zeigte sich SPÖ-Energiesprecher Alois Schroll darüber, dass der Anteil der erneuerbaren Energieträger im Tourismusbereich laut Tourismusbericht eine rückläufige Tendenz aufweist und bis zum Jahr 2030 auf 53 % zurückgehen soll, nachdem schon einmal 59 % erreicht worden waren. Laut Auskunft von Kraus-Winkler hat das vor allem mit einer Veränderung bei den methodischen Berechnungen zu tun, sie will sich das aber noch genauer anschauen. Positiv sieht sie, dass der Tourismus bereits über den Werten des Klimaplans 2030 liege und auch nicht darunter rutschen werde.

FPÖ vermisst aktuelle Daten zur Eigenkapitalquote

Dass der Tourismusbericht keine Daten zur Eigenkapitalquote von Tourismusbetrieben enthält, wie Ausschussvorsitzender Gerald Hauser (FPÖ) kritisierte, begründete Kraus-Winkler damit, dass der „Fitnesscheck“ der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank (ÖHT) erst morgen veröffentlicht wird und damit bei der Erstellung des Berichts noch keine aktuellen Zahlen vorgelegen seien.

Hauser hatte zuvor auf die Notwendigkeit verwiesen, die Eigenkapitalquote im Tourismusbereich zu stärken. Die niedrige Eigenkapitalquote sei immer schon ein großes Problem gewesen, sagte er. Zudem drängte er auf bessere Rahmenbedingungen für Privatzimmervermieter.

Sommertourismus hat sich schneller erholt als Wintertourismus

WIFO-Experte Oliver Fritz wies im Zuge der Präsentation ausgewählter Daten darauf hin, dass der Tourismus seit Jahrzehnten ein Wachstumsmotor der Weltwirtschaft sei. Mit Ausnahme der Corona-Pandemie hätten Krisen dem Tourismus nichts anhaben können, hob er die globale Resilienz der Tourismuswirtschaft hervor. Auch Corona sei nur ein V-förmiger Einschnitt gewesen, schon 2024 sollen laut aktuellen Prognosen die internationalen Gästeankünfte den Wert von 2019 wieder erreichen bzw. sogar knapp überschreiten. Auch Österreich sei bei den Nächtigungen schon wieder fast dort, wo es vor Corona gewesen sei, wobei sich Fritz zufolge der Sommertourismus schneller als der Wintertourismus erholt hat. Der hohe Marktanteil Österreichs am globalen Tourismus hängt ihm zufolge aber nicht zuletzt damit zusammen, dass es hierzulande zwei starke Saisonen gibt.

Als eines der „Top-Themen“ der nächsten Jahre für den Tourismus nannte Fritz die Klimakrise, wobei er neben „dem risikobehafteten Wintertourismus“ auch Chancen sieht. Angesichts zunehmender Hitzewellen könnten Urlauber:innen im Juli und August aus südlichen Ländern verstärkt in Richtung Alpen abwandern. Das könnte allerdings auch Probleme durch Übertourismus verursachen, warnte er. Zum Thema Teuerung merkte Fritz an, nicht nur inländische, sondern auch ausländische Gäste würden sparen, obwohl Reisen grundsätzlich an Priorität gewonnen habe. (Fortsetzung Tourismusausschuss) gs


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