Justizausschuss einstimmig für Ausweitung des Verteidigungskostenbeitrags in Strafverfahren
Für eine deutliche Ausweitung des Verteidigungskostenbeitrags in Strafverfahren hat sich der Justizausschuss heute einstimmig ausgesprochen. Insbesondere soll an Freigesprochene bei längeren und umfangreichen Verfahren ein adäquaterer Verteidigungskostenbeitrag zugewiesen werden können, so die Erläuterungen zur Änderung der Strafprozeßordnung (StPO). ÖVP und Grüne brachten dazu einen Abänderungsantrag ein, womit der Zeitpunkt des Inkrafttretens um ein Monat auf 1. August 2024 verschoben wird, um dem voraussichtlichen Ablauf der parlamentarischen Beschlussfassung Rechnung zu tragen.
Für eine Novelle, die neue Beschränkungen bei Einsicht und Aufnahme von Urkunden in das Grundbuch vorsieht, sprachen sich ÖVP, Grüne, SPÖ und FPÖ aus.
Verteidigungskostenbeitrag bei Freispruch und Einstellung des Verfahrens
Mit der Regierungsvorlage aus dem Justizministerium soll zum einen der Verteidigungskostenbeitrag bei Freispruch deutlich aufgestockt und mit der Möglichkeit einer Überschreitung versehen werden (2557 d.B.). Darüber hinaus soll ein Ersatzanspruch bei Einstellung eines Ermittlungsverfahrens eingeführt werden, den es nach geltender Rechtslage bisher nicht gebe. Auch hier soll die Möglichkeit bestehen, bei längerer Dauer oder extremem Umfang des Verfahrens die eingeführten Höchstsätze zu überschreiten. Insgesamt soll eine deutlich einzelfallgerechtere Bemessung des Verteidigungskostenbeitrags erfolgen. Die Bemessung des Beitrags stehe aber auch weiterhin unter dem Blickwinkel der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der Verteidigung bzw. der einzelnen Verteidigungshandlungen, so die Erläuterungen.
Konkret soll bei Einstellung des Verfahrens der Verteidigungskostenbeitrag mit maximal 6.000 € festgesetzt werden. Etwa bei längeren bzw. komplexeren Verfahren soll aber der Betrag um die Hälfte, bei „extremem Umfang“ des Verfahrens auf das Doppelte erhöht werden können. Bei Freispruch sollen die Pauschalhöchstsätze für die Bemessung des Verteidigungskostenbeitrags für Schöffen- und Geschworenenverfahren im Vergleich zu den bisherigen auf künftig 30.000 € versechs- bzw. verdreifacht werden. Beim Höchstsatz für Einzelrichterverfahren am Landesgericht ist eine Vervierfachung auf 13.000 €, für Verfahren vor den Bezirksgerichten eine Verfünffachung auf 5.000 € vorgesehen. Auch hier ist eine Möglichkeit der Erhöhung etwa bei längerer Dauer um die Hälfte, bei extremem Umfang auf das Doppelte des Höchstbeitrags vorgesehen.
Justizministerin Alma Zadić zeigte sich erfreut, dass nunmehr gelungen sei, eine lang geforderte Erhöhung des Verteidigungskostenbeitrags umzusetzen. Beim Finanzminister sei eine Aufstockung der Mittel auf 70 Mio. € erreicht worden, was eine Verdreißigfachung der bisherigen Mittel darstelle. Trotz Freispruchs habe es teils erhebliche finanzielle Belastungen für die Betroffenen gegeben, so die Ministerin. Sie bezeichnete die nunmehrige Neuregelung als Erfolg für den Rechtsstaat.
Der symbolische Kostenersatz sei zurecht lange kritisiert worden, meinte Klaus Fürlinger (ÖVP). Nun werde zumindest ein Grundstein gelegt für eine „erkleckliche“ Hilfe. Ein Anspruch auf Kostenersatz gehöre bei Verfahren mit Freispruch oder Einstellung zu den Menschenrechten. Georg Bürstmayr (Grüne) schloss sich dem an. Auch Johannes Margreiter signalisierte seitens der NEOS Zustimmung, schlug aber darüber hinaus vor, einen dem Zivilprozess angepassten Kostenersatz einzuführen. Demgegenüber meinte Muna Duzdar (SPÖ), dass es sehr wohl eine Obergrenze brauche und Strafverfahren nicht mit Zivilverfahren zu vergleichen seien. Positiv strich sie das mehrstufige Modell bis hin zu „sehr komplexen“ Verfahren hervor, wo entsprechend höhere Beträge ersetzt würden. Harald Stefan (FPÖ) begrüßte, dass eine ihm zufolge langjährige Forderung der FPÖ umgesetzt werde. Es sei gut, wenn ein Staat ein Verfahren ohne finanzielles Risiko einleiten könne.
Novelle zu Urkunden im Grundbuch
Betreffend das Grundbuch sollen mit einer Novelle aus dem Justizministerium (2606 d.B.) Beschränkungen der Einsicht in und Aufnahme von Urkunden in der Urkundensammlung vorgesehen werden. Um einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Rechnung zu tragen, soll zum Schutz des Privat- und Familienlebens künftig ein gebührenfreier Antrag gestellt werden können, um die Einsicht in eine bestimmte Urkunde zu beschränken, wie Justizministerin Zadić erörterte. Das soll auch für Urkunden gelten, die vor dem Inkrafttreten der Bestimmung in die Urkundensammlung aufgenommen wurden.
Mit dem Antrag ist etwa ein berechtigtes Interesse darzulegen, warum bestimmte Daten des Privat- oder Familienlebens nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Wenn das Geheimhaltungsinteresse der Antragstellerin oder des Antragstellers das Interesse an der Richtigkeit, Genauigkeit und Überprüfbarkeit von Grundbuchseintragungen überwiegt, soll das Gericht dem Antrag stattgeben und eine dementsprechend bereinigte Fassung der Urkunde vorlegen müssen. Die nicht bereinigte Urkunde sei in diesem Fall dauerhaft für die öffentliche Einsicht zu sperren. Umgekehrt sollen aber Personen, die Einsicht in die ursprüngliche Urkunde nehmen wollen, ihrerseits wiederum einen Antrag auf Einsichtnahme stellen können.
Was die Beschränkungen für die Aufnahme von bestimmten Urkunden betrifft, soll die geltende Rechtslage präzisiert werden. So sollen bloße Bewilligungsurkunden, wie etwa Pass- oder Personalausweisdaten, Personenstandsurkunden oder Staatsbürgerschaftsnachweise, keinen Eingang in die Urkundensammlung finden. In bestimmten ehe-, familien- und erbrechtlichen Fällen sollen die Gerichte zukünftig eine gesonderte Ausfertigung für die Aufnahme in die öffentlich zugängliche Urkundensammlung erstellen. Für den Fall der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung wird außerdem geregelt, dass nur die Exekutionsbewilligung, nicht aber der zugrundeliegende Titel in die Urkundensammlung aufgenommen werden soll.
Johannes Margreiter (NEOS) hält den Regelungsvorschlag für deutlich überschießend, was zu einer erheblichen Belastung der Gerichte führen werde. Aus seiner Sicht könne man auch mit bestehenden Möglichkeiten vorbauen, dass Dinge, die das Privatleben betreffen, nicht im Grundbuch aufscheinen. Klaus Fürlinger (ÖVP) entgegnete, dass es nunmehr einen Anspruch auf eine gekürzte Fassung geben soll und nicht nur einen Weg der Praxis. Georg Bürstmayr (Grüne) pflichtete Fürlinger bei, dass ein „Usus“ hier nicht reiche, sondern ein Rechtsanspruch geschaffen werde. Auch Harald Stefan (FPÖ) erachtet es für wichtig, dass gesetzliche Voraussetzungen für eine reduzierte Urkundesammlung geschaffen werden. (Schluss Justizausschuss) mbu
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