Debatte über Verteidigungsfähigkeit Österreichs und Beschaffungen des Bundesheeres | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Debatte über Verteidigungsfähigkeit Österreichs und Beschaffungen des Bundesheeres

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Anfang 2023 ist das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG) in Kraft getreten. Es soll die militärischen Fähigkeiten des Bundesheers vor dem Hintergrund einer sich verschärfenden sicherheitspolitischen Lage in Europa schrittweise und nachhaltig durch eine Anhebung des Verteidigungsbudgets verbessern. Auf Basis dieses Gesetzes legte das Verteidigungsressort zwei Berichte vor, mit denen sich die Abgeordneten heute im Landesverteidigungsausschuss befassten. So stellt der Landesverteidigungsbericht 2023 der Verteidigungsfähigkeit Österreichs weiterhin ein eher ernüchterndes Zeugnis aus und zeigt bereits erfolgte sowie geplante Maßnahmen zu deren Verbesserung auf. Oberste Priorität sei der Personalgewinnung einzuräumen. Diese war auch das zentrale Thema der Ausschussdebatte mit Verteidigungsministerin Klaudia Tanner. Der Bericht wurde mit den Stimmen von ÖVP, FPÖ, Grünen und NEOS zur Kenntnis genommen.

Der Jahresbericht 2023 der ebenfalls auf Basis des LV-FinG eingerichteten Beschaffungs-Prüfkommission (BPK) hält insbesondere fest, dass im Verteidigungsressort die Grundlagen für die notwendige Transparenz bei Beschaffungsvorgängen gegeben sind. Es komme seiner Verantwortung durch ein umfangreiches Regelwerk an Verfahrensvorschriften und Richtlinien nach. Die Abgeordneten nahmen den Bericht einstimmig zur Kenntnis.

Weiters standen mehrere Oppositionsanträge auf der Tagesordnung, die sämtlich vertagt wurden. Während die SPÖ 500 Mio. € fordert, um notwendige Strukturen für die Friedensarbeit aufzubauen und zivilgesellschaftliche Friedensinitiativen zu fördern, spricht sich die FPÖ erneut für die Wiedereinführung des achtmonatigen Grundwehrdienstes aus. Die NEOS halten eine Neudefinition von sogenannten Dual-Use-Technologien für notwendig, die zwar für die zivile Nutzung entwickelt wurden, jedoch auch militärische Verwendung finden können.  

Landesverteidigungsbericht 2023

Vor dem Hintergrund eines sich weiter verschlechternden Bedrohungsbildes und noch nicht ausreichend wiederhergestellten Fähigkeiten des Bundesheeres, fällt auch der diesjährige Befund des Verteidigungsressorts (BMLV) eher kritisch aus, wie aus seinem Landesverteidigungsbericht 2023 hervorgeht (III-1043 d.B.). Trotz Budgeterhöhung sei das Heer durch die Dauer der Beschaffungsvorgänge und der Implementierung erforderlicher Fähigkeiten weiterhin „nur bedingt“ zur Abwehr von sowohl konventionell als auch subkonventionell agierenden Gegnern in der Lage. Um diesen Zustand zu verbessern sei neben einer weiteren stabilen Budgetsteigerung für die Landesverteidigung, dem Aufbau von rasch einsetzbaren Reaktionskräften und der Sicherstellung eines ausreichenden Schutzes des Luftraums insbesondere der Gewinnung und Ausbildung des Personals höchste Priorität einzuräumen, wie im Bericht ausgeführt wird.

Für die Personalgewinnung interessierten sich auch Romana Deckenbacher, Andreas Minnich (beide ÖVP), Volker Reifenberger, Gerhard Kaniak (beide FPÖ), Eva Blimlinger (Grüne) und Stephanie Krisper (NEOS). Die Personalfrage werde das Bundesheer noch länger begleiten, erklärte Verteidigungsministerin Tanner gegenüber den Abgeordneten. Zahlreiche Maßnahmen und Investitionen seien in diesem Bereich schon gesetzt worden, und weitere seien „unabdingbar“, da das Personal den zentralen Faktor für das Gelingen des Wiederaufbaus des Bundesheers darstelle. Dank der Wehrpflicht habe man jährlich die Gelegenheit, das Bundesheer circa 40.000 jungen Menschen als attraktiven Dienstgeber zu präsentieren, was auch genutzt werde, so Tanner. Es gehe darum, auch gegenüber der Privatwirtschaft konkurrenzfähig zu sein. Dafür habe Tanner schon jene Maßnahmen umgesetzt, die im eigenen Ressort zu bestimmen sein. Notwendige Verbesserungen bei der Besoldung lägen nicht allein im Bereich des BMLV.

Auch hinsichtlich der von Volker Reifenberger angesprochenen Miliz stand die Personalkomponente im Mittelpunkt. Jahrelang sei die Miliz seitens der Politik vernachlässigt worden und Milizübungen ausgefallen, führte Tanner aus. Die Versäumnisse von Jahrzehnten könnten nicht „von einem Tag auf den anderen“ nachgeholt werden, doch werde bei allen Maßnahmen für den Wiederaufbau des Bundesheeres die Miliz „mitgedacht“. Zudem seien allein in diesem Jahr an die 200 Milizübungen geplant oder bereits durchgeführt worden. Auch der Grundwehrdienst müsse laut Tanner zur Ausbildung und nicht für Assistenzeinsätze in nichtmilitärischen Bereichen genutzt werden. Nur so könnten auch genügend junge Menschen für das Bundesheer und für die Miliz „begeistert“ werden. Mittlerweile gebe es etwa an der Grenze kaum noch Grundwehrdiener im Assistenzdienst, zeigte sich Tanner erfreut. 

Was die Auslandseinsätze des Bundesheeres angehe, müsse das Bundesheer seine Leistungen im internationalen Vergleich „nicht unter den Scheffel stellen“, antwortete Tanner Eva Blimlinger und Ewa Ernst-Dziedzic (beide Grüne). Doch sei auch in diesem Bereich das Personal ein knappe Ressource. Es müssten „dringlich“ besoldungsrechtliche Verbesserungen erfolgen, da die Begeisterung für die freiwilligen Auslandseinsätze „enden wollend“ sei, wenn der Verdienst dafür gleich wie bei Assistenzeinsätzen im Inland ausfalle.

Der auch für die Personalgewinnung entscheidende Wehrwille der Bevölkerung, den Stephanie Krisper ansprach, sei „gleichbleibend niedrig“, verwies Tanner bedauernd auf entsprechende Umfragen. Lediglich um die 20 % wären demnach bereit, ihr Land mit der Waffe zu verteidigen. Dies sei das Resultat der bisherigen Vernachlässigung der geistigen Landesverteidigung, so Tanner. Deren Bewusstmachung sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und müsse etwa auch über die Lehrpläne „in die Köpfe gebracht“ werden.

Fehlende Transparenz und Einbindung des Parlaments bezüglich Sky Shield kritisierte Reinhold Einwallner (SPÖ). Tanner entgegnete, dass ihr Transparenz ein wesentliches Anliegen sei, und das Parlament „natürlich“ eingebunden werde, sobald ein rechtverbindlicher Akt gesetzt wird. Einwallners Fraktionskollege Robert Laimer (SPÖ) bemängelte die weiterhin ausständige Sicherheitsstrategie der Bundesregierung. Der Teil ihres Ressorts sei bereits seit geraumer Zeit erledigt, antwortete Tanner. Weiters interessierten sich Hubert Fuchs (FPÖ) für die Bemessung des Verteidigungsbudgets am BIP, Gerhard Kaniak (FPÖ) für die Entwicklung des Sanitätsdienstes und David Stögmüller (Grüne) für die europäische Beistandspflicht.

Jahresbericht 2023 der Beschaffungs-Prüfkommission

Zur Sicherstellung einer gesetzmäßigen Vollziehung sowie einer sparsamen Gebarung bei Beschaffungsvorhaben wurde auf Basis des LV-FinG die Einrichtung der Beschaffungs-Prüfkommission (BPK) angeordnet. Die sechsköpfige Kommission stellt ein beratendes Gremium für die Verteidigungsministerin dar, agiert jedoch selbstständig und unabhängig, wie aus ihrem nun erstmalig vorliegenden Jahresbericht für 2023 hervorgeht (III-1128 d.B.). Demnach wurden in diesem Jahr zur vorbereitenden Grundlagenarbeit die zentralen Prozesse der Planung von Vorhaben und der Umsetzung von Beschaffungsvorgängen des Verteidigungsministeriums (BMLV) erfasst. Zentral für die Auswahl der Prüfvorhaben ist laut BPK auch der Landesverteidigungsbericht.

Die BPK hält fest, dass die Grundlagen für Transparenz und Dokumentation im Verteidigungsressort gegeben sind und der Verantwortung in der Beschaffung durch ein umfangreiches Regelwerk an Verfahrensvorschriften und Richtlinien entsprochen wird. Es werde daher für die BPK darauf ankommen, bei der Prüftätigkeit die Einhaltung der Regelwerke an Hand ausgewählter Vorhaben zu überprüfen und daraus Empfehlungen zu entwickeln. Die bisherigen Mechanismen sollen ergänzt und nicht dupliziert werden, wozu Anregungen und Fragenkataloge erarbeitet wurden. Der Jahresbericht 2023 enthält den Kriterienkatalog für Prüfvorhaben, Empfehlungen der Kommission zum Thema Compliance sowie das Arbeitsprogramm für 2024.

Neben der wertvollen Unterstützung der BPK beim gesetzesmäßigen Vollzug von Beschaffungen sei ihr Mehrwert vor allem auch in der „unmittelbaren Wirkung auf die Kultur“ der Organisationen zu sehen, antwortete Tanner Irene Neumann-Hartberger, Maria Neumann (beide ÖVP) und Rudolf Silvan (SPÖ). Das Hauptaugenmerk der Kommission soll im Jahr 2024 auf das Thema „kooperative Beschaffungen“ gelegt werden. Dabei stünden Beschaffung von Fliegerabwehrsystemen mittlerer Reichweite sowie von rund 36.000 Kampfstiefeln, der Ersatz des Transportflugzeugs C-130 „Hercules“ und ein Bauvorhaben am Fliegerhorst Brumowski in Langenlebarn (Niederösterreich) im Zentrum, wie Tanner ausführte.

Von Hubert Fuchs (FPÖ) auf eine Veranstaltung im Fliegerhorst Brumowski mit dem italienischen Rüstungskonzern Leonardo angesprochen, verwies Tanner auf den großen Anteil an österreichischen Firmen, die vom Wiederaufbau des Bundesheeres profitieren würden. Außerdem sprach Volker Reifenberger (FPÖ) Beschaffungen im Rahmen von Sky Shield an und David Stögmüller (Grüne) plädierte ebenso wie Stephanie Krisper (NEOS) für eine Forcierung gemeinsamer europäischer Beschaffungen.

SPÖ fordert 500 Mio. € für Friedensarbeit

SPÖ-Abgeordnete Katharina Kucharowits geht in einem Entschließungsantrag auf die besonders verheerenden Auswirkungen von bewaffneten Konflikten auf Frauen und Mädchen ein und plädiert für eine Stärkung von Friedenseinrichtungen (3757/A(E)). Davon seien mehrere in Österreich ansässig, erhielten jedoch kaum öffentliche Förderungen. Kucharowits fordert daher die Bundesregierung auf, 500 Mio. € für Friedensarbeit zur Verfügung zu stellen, um notwendige Strukturen aufzubauen und zivilgesellschaftliche Friedensinitiativen zu fördern.

SPÖ-Mandatar Robert Laimer betonte im Ausschuss, dass ein neutrales Land wie Österreich die Friedensarbeit „in seiner DNA“ trage. Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) verwies auf eine Reihe bereits gesetzter Initiativen Österreichs zur Friedenssicherung und Friedrich Ofenauer (ÖVP) sah für den Antrag der SPÖ eher den Außenminister zuständig. Volker Reifenberger (FPÖ) pflichtete Ofenauer bei und erklärte, das er lieber 500 Mio. € mehr in das Bundesheer investieren würde, da dies die „beste Friedensarbeit“ darstellen würde.

FPÖ für Wiedereinführung von acht Monaten Grundwehrdienst im Modell 6 + 2

Die Verkürzung des Grundwehrdienstes auf sechs Monate habe dem Bundesheer und insbesondere der Einsatzbereitschaft der Miliz nachhaltig geschadet, zeigen FPÖ-Wehrsprecher Volker Reifenberger und sein Fraktionskollege Axel Kassegger in einem Entschließungsantrag auf (4061/A(E)). Die Milizverbände wiesen einen „dramatischen Fehlbestand“ an Personal auf, der umgehend beseitigt werden müsse. Die Freiheitlichen fordern daher die Bundesregierung auf, dem Nationalrat eine Änderung des Wehrgesetzes vorzulegen, die die Wiedereinführung von acht Monaten Grundwehrdienst im „bewährten Modell 6 + 2 Monate“ beinhaltet, um verpflichtende Milizübungen wieder im vollen Umfang zu ermöglichen. Dies sei besonders in Hinblick auf neue Bedrohungsbilder und moderne komplexe Waffensysteme von Relevanz.

Voker Reifenberger (FPÖ) erinnerte daran, dass seine Fraktion diesen Antrag nicht zum ersten Mal stelle. In Hinblick auf den Landesverteidigungsbericht sei er aktueller denn je. „Das Milizsystem ist am Sterben“, so Reifenberger. Sowohl Stephanie Krisper (NEOS), David Stögmüller (Grüne) als auch Verteidigungsministerin Tanner sprachen sich dafür aus, dass eine Entscheidung für das Bundesheer bzw. die Miliz freiwillig gefällt werden müsse. Es müsse darauf hingearbeitet werden, dass die Tätigkeit als „sinnstiftend“ empfunden werden, wie es Tanner und Krisper formulierten. 

NEOS: Neue Definition für Dual-Use-Technologien

Im Ukraine-Krieg aber auch in anderen bewaffneten Konflikten, wie jenem zwischen Aserbaidschan und Armenien, seien österreichische Technologien in Waffensystemen aufgetaucht, wie Douglas Hoyos-Trauttmansdorff in einem Entschließungsantrag aufzeigt (3324/A(E)). Dabei handle es sich etwa um Drohnen oder Drohnen-Motoren, die für die zivile Nutzung entwickelt worden seien, jedoch auch militärisch verwendet werden könnten – sogenannte Dual-Use-Technologien. Für die österreichischen Behörden liege die Schwierigkeit laut Hoyos-Trauttmansdorff vor allem in deren Identifizierung, um sie von sanktionierten Staaten und Unternehmen fernzuhalten. Die Einstufung nach den einschlägigen EU-Verordnungen seien weder einfach noch zielführend. Deshalb beantragte er, dass das Verteidigungsministerium seine Expertise nutzt, um die Definition von Dual-Use-Technologien zu überarbeiten und sich auf europäischer Ebene für eine Novellierung der Regeln zur Bestimmung von Dual-Use-Gütern einzusetzen. 

Im Ausschuss unterstrich Stephanie Krisper (NEOS) den „Reputationsschaden“, den Österreich jedes Mal erleide, wenn heimische Technologien in Kriegsgebieten auftauchten. David Stögmüller (Grüne) bestätigte dies, stellte aber ebenso wie Friedrich Ofenauer (ÖVP) in Frage, ob das Verteidigungsministerium hier allein zuständig sein könne. Ofenauer begründete den Vertagungsantrag mit der Komplexität der Thematik. (Schluss Landesverteidigungsausschuss) wit


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