Keine klare Sache: Wie sich in Österreich der Weg in die EU ebnete | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Keine klare Sache: Wie sich in Österreich der Weg in die EU ebnete

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Seit 1. Jänner 1995 ist Österreich Mitglied der Europäischen Union. Erstmals wählen für das Europaparlament durften die Österreicher:innen am 13. Oktober 1996. Es handelte sich um Nachwahlen – sie mussten innerhalb von zwei Jahren nach dem Beitritt stattfinden. Danach wurden die zunächst provisorisch vom Nationalrat entsendeten Abgeordneten durch gewählte Abgeordnete abgelöst.

Doch bereits zuvor waren Österreichs Bürger:innen aufgerufen, ihre Wahl im Bezug auf die EU abzugeben: Am 12. Juni 1994 wurden sie gefragt, ob sie für oder gegen einen EU-Beitritt sind. Bei einer Volksabstimmung sprachen sich 66,6 % der Wähler:innen dafür aus. Notwendig war sie, weil der EU-Beitritt zu einer Gesamtänderung der Verfassung führte.

Wie bei jeder Wahl ging auch der Volksabstimmung ein intensiver Wahlkampf voraus. Eine Werbekampagne für den EU-Beitritt führte die SPÖ-ÖVP-Bundesregierung. Sie stellte auch 1989 den Mitgliedsantrag bei der Europäischen Gemeinschaft. Die FPÖ befürwortete zunächst das Beitrittsgesuch, dann allerdings wurde der Beitritt abgelehnt – und auch in diese Richtung Wahlwerbung gemacht. Die Grünen setzten sich ebenfalls für ein „Nein“ zum EU-Beitritt ein. Auch die KPÖ mobilisierte gegen eine Mitgliedschaft. Das Liberale Forum, zu der Zeit im Nationalrat vertreten, fuhr seit der Parteigründung einen pro-europäischen Kurs.

Abstimmungsdebatte im Nationalrat: Wer von „klaren Vorteilen“ und wer von „Verlusten“ sprach

Am 11. November 1994 schließlich befassten sich die Abgeordneten im Nationalrat mit der Frage, ob man dem EU-Beitrittsvertrag zustimme. 78 % der anwesenden Mandatar:innen stimmten in einer namentlichen Abstimmung zu. Die Nationalratssitzung an diesem Tag war festlich gestaltet – Bundespräsident Thomas Klestil, EU-Kommissionspräsident Jacques Delors und der Präsident des Europäischen Parlaments Klaus Hänsch waren gekommen. Um 11.00 Uhr wurde die Debatte eröffnet. Wenige Minuten vor 22.00 Uhr war sie zu Ende.

Der erste Debattenredner war SPÖ-Mandatar Peter Kostelka, er sprach vom „Beginn einer neuen Epoche“, die EU werde für „österreichische Arbeitnehmer klare Vorteile“ bringen. Kostelka zeigte sich überzeugt, dass Österreich in der Union eine Vorbildwirkung haben werde, es bestehe die Chance „die Vision von Frieden, sozialer Gerechtigkeit und Versöhnung des Menschen mit der Natur zu verwirklichen“, so Kostelka. ÖVP-Klubobmann Andreas Khol betonte unter anderem, dass Österreich nun im „großen Europa“ eine gleichberechtigte Rolle spiele und man sich für die „neuen Demokratien Ost- und Mitteleuropas mit aller Kraft engagieren“ könnte. Kohl schloss mit den Worten: „Der europäische Geist ist die Zukunft“. Jörg Haider (FPÖ) sah das anders, der einst beschworene Geist von Brüssel sei Machtinteressen gewichen. Der Beitritt würde für die Österreicher:innen vielmehr einen Verlust von Demokratie und Bürgerrechten bedeuten. Johannes Voggenhuber von den Grünen kündigte an, aus Respekt vor dem Willen des Volkes bei der Abstimmung im Nationalrat zuzustimmen – entgegen seiner politischen Überzeugung. Zudem meinte er, dass EU-Gegner:innen mit einem kritischen Reformkurs innerhalb der Union mehr gedient sei, als mit einem Beharren auf einer Option, die es nicht gebe. Die Klubobfrau des Liberalen Forums (LIF), Heide Schmidt, äußerte sich ausschließlich positiv und verwies darauf, seit jeher für den Beitritt Österreichs eingetreten zu sein. Sie brachte zudem ins Treffen, dass es ein europäisches Instrumentarium zur Wanderungspolitik mit einem liberalen Asylrecht im Rahmen einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik brauche. Es entwickelte sich eine Debatte, die zeigte, dass auch innerhalb der FPÖ Uneinigkeit herrschte. Holger Bauer (FPÖ) führte an, dass mit Beitrittskosten von 35 bis 36 Mrd. Schilling gerechnet werden müsste und sich das erhoffte Wirtschaftswachstum von 3,6 % schwerlich erfüllen werde. Fraktionskollege Helmut Haigermoser meinte zwar, dass es dringend notwendig sei, die Maastricht-EU zu reformiere, dennoch werde er für den Beitritt stimmen, weil er überzeugt sei, dass die Idee eines „Europa der Vaterländer“ Zustimmung verdiente.

In der namentlichen Abstimmung im Anschluss an die Nationalratsdebatte sprachen sich 141 Abgeordnete für den EU-Beitrittsvertrag aus und 40 dagegen. Gegen die Vorlage hatten primär Mandatar:innen der Freiheitlichen gestimmt, aber auch die beiden Abgeordneten der Grünen Gabriele Moser und Andreas Wabl. Grün-Mandatar Rudolf Anschober und Fraktionskollegin Madeleine Petrovic beteiligten sich nicht am Abstimmungsvorgang.

Sechs Tage später, am 17. November 1994, folgte die Zustimmung im Bundesrat, womit beide Kammern im Hohen Haus dem Willen der Bevölkerung – 82,5 % der wahlberechtigten Österreicher:innen stimmten ab – folge leisteten. Wenige Tage nach der Abstimmung im österreichischen Parlament wurde der EU-Beitrittsvertrag unterzeichnet. Bundespräsident Thomas Klestil und Bundeskanzler Franz Vranitzky unterschrieben die Ratifikationsurkunde des Vertrags am 22. November 1994.

Bei der EU-Wahl 2024 können die Österreicher:innen nun bereits zum 7. Mal an der Direktwahl zum Europäischen Parlament teilnehmen. Nach der Wahl am 9. Juni stellt Österreich 20 statt bisher 19 Abgeordnete. (Schluss) map


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