Menschenrechtsausschuss: Einhellige Zustimmung zu Einsatz für Rückkehr entführter ukrainischer Kinder
Tausende ukrainische Kinder sind aus russisch-besetzten Gebieten der Ukraine von ihren Eltern getrennt, verschleppt und zur Adoption und Umerziehung nach Russland verbracht worden, zeigen ÖVP, Grüne und NEOS in einem gemeinsamen Entschließungsantrag auf. In der im heutigen Menschenrechtsausschuss einstimmig befürworteten Initiative fordern sie weitere Bemühungen Österreichs für deren Rückkehr.
Zudem standen mehrere Anträge der Opposition auf der Tagesordnung, die allesamt vertagt wurden. So setzt sich die SPÖ für ein Gesetzespaket zur Sicherung der Pressefreiheit, ein verbessertes Angebot an Vorsorgeuntersuchungen sowie für einen kostenfreien Zugang zu allen empfohlenen Impfungen ein. Zudem fordert sie von der Bundesregierung, sich für die Erweiterung des Römischen Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs einzusetzen, damit geschlechtsbasierte Apartheid als eigenständiger Straftatbestand im Rahmen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit verfolgt werden kann.
Die Verteidigung der Pressefreiheit, insbesondere im Fall Julian Assange, ist auch der FPÖ ein Anliegen. Sie pocht konkret auf den Einsatz der Bundesregierung für die Einhaltung menschenrechtlicher Vorgaben im Fall des australischen Journalisten und WikiLeaks-Gründers.
Die NEOS orten Handlungsbedarf im heimischen Asyl- und Integrationssystem. Sie schlagen ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Integration sowie ein verpflichtendes Integrationsjahr für Asywerber:innen ab dem ersten Tag vor. Ihr Forderungskatalog enthält zudem eine Wohnsitzauflage für nicht berufstätige Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte.
ÖVP, Grüne und NEOS: Rückkehr entführter ukrainischer Kinder
Die Verschleppung ukrainischer Kinder sei eines der russischen Kriegsverbrechen im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine, betonen ÖVP-Abgeordnete Gudrun Kugler, Grün-Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic und NEOS-Abgeordneter Nikolaus Scherak in einem gemeinsamen Entschließungsantrag (3974/A(E)). Bislang hätten nur 400 Kinder zu ihren Familien in der Ukraine zurückgebracht werden können, etwa durch Organisationen wie „Save the Children“ mit Sitz in Kiew oder die „Internationale Koalition zur Rückkehr ukrainischer Kinder“ unter dem Vorsitz der Ukraine und Kanadas. Konkret wird Außenminister Alexander Schallenberg ersucht, sich weiterhin international und europaweit für die Rückführung der entführten Kinder einzusetzen.
Im Ausschuss führte Kugler aus, dass es eine namentliche Liste von derzeit etwa 20.000 verschleppten Kindern gebe, wobei von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen werden müsse. Der ukrainische Botschafter vermute, dass Russland diese Kinder zum Zweck der „Russifizierung“ entführe, aber auch um „Menschenmaterial“ für die Produktion und den Krieg zu erhalten. Für Ewa Ernst-Dziedzic handelt es sich bei dem Anliegen um keine parteipolitische Materie. Gerade in Österreich, dass sich besonders für seine humanitäre Hilfe in dem Konflikt auszeichne, müsse es eine Selbstverständlichkeit sein, sich für die Rückkehr der Kinder einzusetzen. Yannick Shetty (NEOS) berichtete, dass vor Ort agierende NGOs um Unterstützung gebeten hätten. Sein Fraktionskollege Nikolaus Scherak sah die Initiative in erster Linie als „symbolischen Antrag“. Nichtsdestotrotz sei sie ein wichtiges Signal gegen dieses „widerwärtige Kriegsverbrechen“.
SPÖ: Umfassendes Paket zur Sicherung der Pressefreiheit in Österreich
Österreich hat im Pressefreiheits-Index von „Reporter ohne Grenzen“ im Jahr 2023 nur Platz 29 erreicht, zeigt Abgeordneter Harald Troch (SPÖ) in einem Entschließungsantrag auf (4002/A(E)). Das Problem der Gefährdung der Pressefreiheit sei auch bereits im Europäischen Parlament erkannt worden, das erst kürzlich das EU-Medienfreiheitsgesetz verabschiedete. Dieses soll unter anderem mehr Transparenz bei der Zuweisung öffentlicher Inserate und besseren Schutz für Medienmitarbeiter:innen bringen. Zudem wurde es durch eine Anti-SLAPP-Richtlinie ergänzt, um Journalist:innen, Aktivist:innen und Wissenschaftler:innen besser vor unbegründeten grenzüberschreitenden Einschüchterungsklagen zu schützen. Die SPÖ fordert nun die zuständige Medienministerin auf, ein umfassendes Paket zur Sicherung der Pressefreiheit in Österreich vorzulegen und die Inhalte des EU-Medienfreiheitsgesetzes und der EU-Anti-SLAPP-Richtlinie in der österreichischen Rechtsordnung zu verankern.
Hans Stefan Hintner (ÖVP) begründete den Vertagungsantrag insbesondere mit Zweifeln an der Glaubwürdigkeit des Pressfreiheits-Index und verwies auf Länder wie Trinidad und Tobago oder Suriname, die im Ranking besser als Österreich platziert seien. Susanne Fürst (FPÖ) erklärte die Ablehnung ihrer Fraktion für den Antrag mit dem „FPÖ-Bashing“ in der Begründung.
SPÖ: Systematische Unterdrückung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts soll Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen
Mit besonderem Blick auf die aktuelle Situation der Frauen in Afghanistan, setzt sich SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr dafür ein, das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs um einen eigenständigen Straftatbestand für geschlechterbasierte Apartheid zu erweitern (4034/A(E)). Dass die systematische Unterdrückung und Diskriminierung von Frauen aufgrund ihres Geschlechts derzeit kein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt, sei scharf zu kritisieren und müsse zeitnah geändert werden, so Bayr mit Verweis auf UN-Berichte, wonach die systematische Unterdrückung von Frauenrechten durch die Taliban offiziell als „Gender-Apartheid“, demnach genderbasierte Verfolgung, charakterisiert werden könne. Im Römer Statut sei Apartheid definiert und es gehe klar hervor, dass sich diese Definition von ausgedehnten und systematischen Angriffen gegen die Zivilbevölkerung nur auf ethnische Kriterien und nicht auf das Geschlecht beziehe, bemängelte die Abgeordnete.
Grünen-Abgeordnete Faika El-Nagashi sah den SPÖ-Antrag grundsätzlich positiv, verwies jedoch darauf, dass genderbasierte Apartheid schon als Begriff im Statut verankert sei, was bereits eine wichtige symbolische Wirkung entfalte. Der rechtliche Aspekt sei viel komplexer zu verwirklichen. Seitens der ÖVP gab Martin Engelberg zu bedenken, dass man mit Begriffen wie „Apartheid“ oder „Genozid“ sehr sorgfältig umgehen müsse. Diese dürften nicht „politisch verwässert“ werden.
SPÖ: Stärkung des Rechts auf Gesundheit
Abgeordneter Harald Troch (SPÖ) setzt sich im Namen seiner Fraktion für ein verbessertes Angebot an Vorsorgeuntersuchungen sowie für einen kostenfreien Zugang zu allen empfohlenen Impfungen ein (3991/A(E)). Das sowohl im Zuge des Österreich-Konvents als auch in der Europäischen Grundrechtecharta festgeschriebene Recht auf Gewährleistung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus sei derzeit nicht in allen Bereichen sichergestellt, beklagt Troch.
Im Ausschuss führte er beispielhaft an, dass sich viele Menschen die teure Impfung gegen Gürtelrose, von der 30 % der Bevölkerung zumindest einmal im Leben betroffen seien, nicht leisten könnten.
Grünen-Mandatarin Ewa Ernst-Dziedzic hielt Troch entgegen, dass die Bundesregierung bereits 500 Mio. € für ein Impfprogramm zu Verfügung gestellt habe. Bei der Umsetzung säßen die „Bremser in den eignen Reihen“ der SPÖ, allen voran im SPÖ-regierten Wien.
FPÖ: Verteidigung der Presse- und Meinungsfreiheit im Fall Julian Assange
Abgeordnete Susanne Fürst (FPÖ) macht darauf aufmerksam, dass der australische Journalist und WikiLeaks-Gründer Julian Assange nun schon seit mehr als drei Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh sitzt (4005/A(E)). Sollte er in die USA ausgeliefert werden, wo er wegen der Veröffentlichung von Verschlusssachen in 17 Punkten nach dem Espionage Act von 1917 angeklagt ist, würden ihm bis zu 175 Jahre Haft drohen.Fürst ersucht daher die Bundesregierung, sich glaubwürdig für die Presse- und Meinungsfreiheit einzusetzen und sich gegenüber Großbritannien sowie den USA für die Einhaltung menschenrechtlicher Vorgaben im Fall Julian Assange auszusprechen. Dazu soll ferner im Rahmen der EU aktiv um Unterstützung für diese Grundhaltung geworben werden.
Fürst betonte im Ausschuss, dass mit der Kriminalisierung des Aufdeckens schwerster Kriegsverbrechen ein „bedenklicher Präzedenzfall“ geschaffen würde. Martin Engelberg (ÖVP) hielt ihr entgegen, dass es sich bei den USA und Großbritannien um demokratische Rechtsstaaten handle, bei denen man sich verlassen können sollte, dass auch rechtsstaatliche Verfahren durchgeführt würden. Trotzdem würde man den Fall „sehr aufmerksam“ beobachten. Für die Grünen sei der Einsatz für Assange ein „jahrelanges Anliegen“, erklärte deren Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic. Das bereits zehnjähre „Tauziehen“ um ihn demonstriere den Nachholbedarf beim Schutz von Whistleblowern. Österreich habe sich jedoch bereits in Form eines Fünf-Parteien-Antrags zu dem Fall positioniert, erinnerte Ernst-Dziedzic. Zudem sollte nun abgewartet werden, inwieweit sich US-Präsident Joseph Biden nun gesprächsbereit zeige, wie Medienberichte vermuten ließen. Petra Bayr (SPÖ) erklärte, dass der vorliegende „einer der wenigen FPÖ-Anträge“ sei, dem ihre Fraktion zustimmen würde.
NEOS: Integration ab Tag 1 für Asylwerber:innen
Die NEOS sehen großen Handlungsbedarf im heimischen Integrationssystem und fordern von der Bundesregierung ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Verbesserung der Integration von Asywerber:innen ab dem ersten Tag (3392/A(E)). Das beinhaltet für die NEOS unter dem Credo „Chancen bieten, Leistung fördern“ nicht nur eine adäquate und altersgerechte Unterbringung mit österreichweit gerecht verteilten kleinen Quartieren statt Massenunterkünften. Auch ein verpflichtendes Ankunftsgespräch zur Beurteilung notwendiger Integrationsangebote, einen „Crashkurs Österreich“ samt Onlinematerialien in der jeweiligen Herkunftssprache sowie verpflichtende Werte- und Orientierungskurse für Asylwerber:innen ab dem 3. Monat des Verfahrens inklusive Sanktionsmöglichkeiten, sollten diese nicht besucht werden, sieht die Oppositionsfraktion als notwendig an.
Ab dem ersten Tag sollen nach Meinung der NEOS zudem Sprachlernvideos in Deutsch und ein österreichweites, einheitliches und kostenloses Angebot an Deutschkursen zur Verfügung stehen. Zudem spricht sich die Oppositionsfraktion für eine Ausbildungspflicht bis 18 in der Dualen Oberstufe und einen unbürokratischen Zugang zur Lehre in Mangelberufen aus. Bestehende Deutschförderklassen sollten durch eine individualisierte Deutschförderung ersetzt werden, so ihr Zugang. Hinsichtlich Beschäftigung steht Antragsteller Yannick Shetty dafür ein, Qualifikationen von Asylwerber:innen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit ab dem 3. Monat des Verfahrens durch das AMS erfassen zu lassen, um etwa unbürokratisch für Mangelberufe vermittelt werden zu können. Außerdem spricht sich der Abgeordnete dafür aus, die Zuverdienstgrenze zu überarbeiten, um einen finanziellen Anreiz für einen Arbeitseintritt zu schaffen.
In punkto Teilhabe schlagen die NEOS vor, bei den Freiwilligenzentren der Bundesländer regionale Servicepunkte für Asylwerber:innen zu freiwilligen und gemeinnützigen Tätigkeiten anzusiedeln. Zur Klärung der Perspektiven für asylwerbende Menschen sollen zudem raschere Asylverfahren sorgen, für eine rasche Integration in den Arbeitsmarkt Nostrifizierungen für Asylwerber:innen mit hoher Bleibewahrscheinlichkeit. Weiters fordern die NEOS, eine rechtliche Möglichkeit zu schaffen, damit integrierte, arbeitende Menschen einen Aufenthaltstitel erlangen können und nicht abgeschoben werden, wenn diese klar definierte Voraussetzungen erfüllen. Als wesentlichen Bestandteil einer neuen Integrationspolitik sehen die NEOs zudem in einem verpflichtenden Integrationsjahr für Asylsuchende nach niederländischem Vorbild, wie sie in einem weiteren Entschließungsantrag ausführen (3842/A(E)).
Faika El-Nagashi (Grüne) zeigte sich erfreut, dass das „Grüne Konzept“ von der Integration am dem ersten Tag immer breiter aufgegriffen werde. Sie unterstütze viele Forderungen der NEOS, wie etwa den „Spurwechsel“ vom Asylsystem in Richtung Arbeitsmarktintegration. Auch das Integrationsjahr habe die Bundesregierung bereits mit einem Budget von 27 Mio. € pro Jahr „wiederbelebt“. Den „großen Unterschied“ zu den NEOS-Vorschlägen ortete El-Nagashi jedoch in deren verpflichtenden Charakter. Dieser würde auch die Möglichkeit von Sanktionsmaßnahmen voraussetzen, die etwa im Falle der Kürzung von Transferleistungen die soziale Situation der Betroffenen verschärfen könnte.
Integrationsministerin Susanne Raab wertete die Vermischung von Flucht-Migration und qualifizierter Zuwanderung als „ganz großen Fehler“. Es gebe bereits jetzt über 40.000 arbeitslose Asylberechtigte, bei denen zuerst angesetzt werden müsse. Integrationsmaßnahmen sollten erst bei einer langfristigen Aufenthaltsperspektive beginnen, so Raab. Auch ÖVP-Mandatar Peter Weidinger meinte, dass eine Umsetzung der NEOS-Forderungen durch das Wecken falscher Erwartungen die Pull-Faktoren verstärken und somit die Schlepperei befördern würden.
NEOS: Wohnsitzauflage für nicht berufstätige Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte
Es brauche nicht nur in Europa, sondern auch innerhalb Österreichs eine faire Verteilung von Schutzsuchenden- und berechtigten, fordert NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper in einer weiteren Initiative ihrer Fraktion. Eine faire Verteilung der Schutzsuchenden wäre integrationspolitisch sinnvoll und würde auch in vielen Gemeinden etwa hinsichtlich des Personalmangels Abhilfe schaffen. Krisper fordert daher analog zur bereits existierenden Wohnsitzauflage für Asylwerber:innen eine solche auch für nicht berufstätige Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte. Das Ziel der Integration würde dies legitimieren. Die Wohnsitzauflage kopple den Bezug von Sozialleistungen für drei Jahre an den Wohnsitz in einem bestimmten Bundesland und ende, wenn der bzw. die Betroffene in einem anderen Bundesland eine Berufstätigkeit nachweisen kann. Für die Verhältnismäßigkeit einer Wohnsitzauflage bedürfe es ausreichender Integrationsmaßnahmen in allen Bundesländern, weshalb sich Krisper auch für deren Ausbau ausspricht (4022/A(E)).
Im Ausschuss unterstrich Yannick Shetty (NEOS) die Last, die Wien nicht mehr bewältigen könne. Schutzsuchende, die sich während ihres Asylverfahrens in Wien aufgehalten haben, blieben auch nach dessen positiven Ausgang zumeist in der Hauptstadt. Zudem zögen viele Personen, die in anderen Bundesländern ihr Asylverfahren durchliefen, nach dem Erhalt von subsidiärem Schutz nach Wien, das als einziges Bundesland in den letzten fünf Jahren konstant seine Betreuungsquote erfülle, so Shetty.
Für Faika El-Nagashi ist die Wohnsitzauflage keine Lösung, da sich Schutzsuchende „nicht monokausal“ wegen des Geldes in Wien aufhielten. Zentral seien vor allem auch die bereits dort aufhältigen „Communities“, die auch integrationsförderlich wirken könnten.
Laut Corinna Scharzenberger (ÖVP) lenkt die Debatte vom eigentlichen Problem einer unzureichenden Arbeitsmarktintegration ab. Mehr als die Sozialleistungen sollten die verfügbaren Arbeitsplätze in den jeweiligen Gemeinden im Zentrum stehen. Ebenso wie Scharzenberger sah auch Integrationsministerin Raab die Reduktion illegaler Migration für die Entlastung insbesondere Wiens als entscheidend an. (Schluss Menschenrechtsausschuss) wit
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