„Wir alle sind Europa“: Zeitung von Jugendlichen als Workshop-Ergebnis zum Thema Europäische Union
Der zweite Teil der Bundesratskonferenz, die Jugendliche aus Österreich, der Slowakei und Tschechien zusammenbrachte, um über ihre Zukunft in einem Europa ohne Grenzen zu diskutieren, war dem Austausch über Meinungen, Ideen und Initiativen der Jugend zu Europa gewidmet. Neben Politiker:innen kamen hier auch Jugendliche der drei Nachbarländer zu Wort.
In Form einer Zeitung mit dem Titel „Wir alle sind Europa“ präsentierten Schüler:innen des Schulvereins Komenský ihre Gedanken zur EU aus einem Workshop der Demokratiewerkstatt des Parlaments. Unter anderem das Motto der EU „In Vielfalt geeint“ inspirierte einen Beitrag der Schüler:innen.
Bundesratspräsidentin Margit Göll hielt in ihren abschließenden Worten fest, dass junge Menschen miteinbezogen und gefragt werden wollen. Daran gelte es weiter zu arbeiten. Sie nehme heute jedenfalls viele Themen aus der Konferenz mit und sie appellierte an die Jugendlichen, für ihre Rechte zu kämpfen.
Politische Zusammenarbeit muss auch Grenzen im Kopf überwinden
Bundesratspräsidentin Göll diskutierte außerdem in einer von Nina Kraft moderierten Podiumsdiskussion mit dem Hauptmann des Kreises Südmähren Jan Grolich, dem Vorsitzenden der Selbstverwaltungsregion Trnava Jozef Viskupiĉ sowie dem Sonderbeauftragten und Koordinator für Nachbarschaftspolitik und die außenpolitische Dimension des Donauraums, Martin Eichtinger.
Die Stimmung unter den Jugendlichen zeige, dass die Politik verstärkt den Dialog mit der Jugend suchen müsse, meinte Bundesratspräsidentin Göll. Junge Leute wüssten zwar im Allgemeinen gut über die Vorteile der EU Bescheid, wie offene Grenzen und Mobilität, sie seien aber auch mit neuen Unsicherheiten und Problemen konfrontiert. Wichtig sei daher, ihre Anliegen zu hören und ernst zu nehmen. Immer wieder erlebe sie, dass die Nennung anschaulicher Beispiele den Jugendlichen vermittle, was die EU für ihr persönliches Leben bringe. EU-Programme bieten laut Göll der Politik viele Möglichkeiten, die Grenzregionen grenzüberschreitend und gemeinsam zu entwickeln.
Laut Jan Grolich nehmen viele Jugendliche die EU heute als gegebene Realität wahr, während die Angehörigen seiner Generation noch selbst erlebt hätten, welche neuen Freiheiten die EU-Mitgliedschaft für sie gebracht habe. Er erlebe das etwa, wenn heute niemand mehr den Pass beim Grenzübertritt kontrolliere. In der älteren Generation gebe es allerdings oft eine gewisse Nostalgie gegenüber der Vergangenheit. Hier sei es wichtig, aufzuzeigen, welche Vorteile die EU bringe und dass ein Austritt keine gute Idee wäre. Er wolle die Jugendlichen dazu ermutigen, die Möglichkeiten zu nützen, die EU-Programme und die offenen Grenzen bieten und möglichst in andere Länder zu reisen und vielleicht dort auch eine Weile zu arbeiten.
Aus seiner Sicht sei es wichtig, auf allen Ebenen, von den Kommunen und Städten bis hin zu den Ländern und Regionen den Dialog zu führen, sagte Jozef Viskupiĉ. Die Politik müsse bei allen Fragen auch die Jugendlichen ansprechen und sie einbeziehen, wo immer es möglich sei. Dazu gebe es eine Reihe von Instrumenten und Initiativen, etwa im Bereich der Schulen. Dass die Jugend einbezogen werden wolle sei aus seiner Sicht eindeutig und auch völlig nachvollziehbar. Für die Entwicklung der Grenzregionen sei die Umsetzung von innovativen Projekten, ein Fokus auf Bildung und die Vorbereitung auf einen sich rasch verändernden Arbeitsmarkt wichtig. Die Vertiefung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bedeute vor allem auch, die Grenzen im Kopf zu überwinden, sagte Viskupiĉ. Dazu würden die Mobilitätsprogramme der EU viel anbieten. Diskussionen und partnerschaftlicher Austausch von Ideen seien wesentliche Faktoren, um die EU als Friedensprojekt zu bewahren.
Martin Eichtinger erinnerte an den Fall des Eisernen Vorhangs vor 35 Jahren. Der EU-Beitritt Tschechiens und der Slowakei liege erst zwanzig Jahre zurück, aber seitdem sei ungeheuer viel erreicht worden. Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht sei ein enormer Aufholprozess der neuen EU-Mitglieder erfolgt. Die Union sei aus seiner Sicht heute gut unterwegs und sorge für Stabilität und Sicherheit. Er nehme wahr, dass die Jugendlichen der EU gegenüber grundsätzlich positiv eingestellt seien und auch die Chancen der Mobilität nützen würden, um andere Länder kennenzulernen. Die EU biete auch eine Reihe von Projekten und Initiativen an, die den Jugendlichen die Mitbestimmung über Zukunftsfragen ermöglichen.
Vorteile der EU authentisch an Jugendliche vermitteln
Über die Erwartungen der Jugend an die europäische Politik diskutierte Nina Kraft mit Šimon Gajdos, Schüler der Deutschen Schule Bratislava, Ondřej Novák, Schüler am Ludvík-Daněk-Sportgymnasium in Brno, sowie Michael Stadlmann, Europäischer Jugenddelegierter und Mitglied der Österreichischen Bundesjugendvertretung.
Šimon Gajdos berichtete, dass er persönlich die vielfältigen Möglichkeiten nutze, sich über die EU zu informieren. Er habe aber den Eindruck, dass das Interesse der Jugendlichen an Politik insgesamt geringer werde. Ein eigenes Fach politische Bildung an den Schulen wäre daher wünschenswert. Angesichts einer Fülle von Informationen, die heute zur Verfügung stehe, müssten Kinder und Jugendliche unterstützt werden, sich darin zurechtzufinden. Von den kommenden EU-Wahlen erhoffe er sich die Fortsetzung des Green Deal, aber auch, dass die ökonomischen Anliegen der Generation, die gerade dabei sei, sich eine Existenz aufzubauen, ernst genommen werden.
Ondřej Novák sah die Sozialen Medien als gute Informationsquellen für Themen, die über die eigene Region hinausgehen. Dazu sei es aber wichtig, diese Informationen aktiv zu suchen und auch kritisch zu vergleichen, um Fake News erkennen zu können. Die Vorteile der offenen Grenzen und des gemeinsamen Marktes seien für ihn unbestritten. Von der EU erwarte er sich nach den Wahlen, dass die konstruktive Arbeit der Union weiter fortgesetzt werde und vor allem auch, dass die Ukraine weiterhin unterstützt werde. Er hoffe auch auf die Fortführung des Green Deal. Um den Cyberraum in Zukunft sicher nützen zu können, müsse zudem die Entwicklung der KI gut reguliert werden. Wichtig sei aber, dass die EU ihre Anliegen besser an Jugendliche vermittelt.
Auch Michael Stadlmann hielt es für unumgänglich, sich aktiv über die EU zu informieren. Dazu sei aber ein politisches Basiswissen notwendig, das von den Schulen kommen müsse. Er trete daher für ein Fach „Politische Bildung“ ein. Social Media seien zweifellos wichtig, um europäische Themen zu vermitteln, etwa zu den EU-Wahlen. Die Auftritte dort müssten aber authentisch sein, um anzukommen. Die Jugend sei grundsätzlich pro-europäisch. Sie müsse aber auch das Gefühl erhalten, tatsächlich gehört werden. Das zeige sich etwa beim Thema Klimaschutz. Bei einer Umfrage hätten 75 % der Jugendlichen angegeben, sie hätten den Eindruck, dass ihre Anliegen dazu nicht gehört werden. Eine der Möglichkeiten für Jugendliche, ihre Themen an die EU heranzutragen, sei das Europäische Jugendforum. Dieses müsse aber gestärkt werden, betonte Stadlmann.
Statements der Parlamentsparteien zu Chancen und Herausforderungen
Mandatar:innen der im Parlament vertretenen Parteien erörterten ihre Sicht zum heutigen Thema in kurzen Statements. Jugend ohne Grenzen bedeute für sie, dass junge Menschen sich ohne Barrieren frei entfalten und vernetzen können, sagte Bernadette Geieregger, Bundesrätin der ÖVP. Dazu gehöre etwa der Zugang zu hochwertiger Bildung unabhängig von der sozialen Herkunft, aber auch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Möglichkeit, entsprechend digitale Kompetenzen zu erwerben. Ein wichtiges Element sei die Förderung von Mobilität und Austausch, wie das etwa bei Erasmus Plus möglich sei, so Geieregger. Es sei wichtig, dass junge Menschen zur EU-Wahl gehen und für jene Parteien stimmen, die für die EU seien und nicht dagegen. Auch SPÖ-Bundesrätin Doris Hahn betonte die Wichtigkeit, vom Wahlrecht bei der EU-Wahl Gebrauch zu machen. Etwa im Hinblick auf die Klimakrise oder Kriegsszenarien vor den Toren Europas sei es die Aufgabe der Politik, zuzuhören und Sorgen und Ängste ernst zu nehmen. Das Anliegen sei, sich generationsübergreifend für ein geeintes Europa einzusetzen und die Jugend mitzunehmen, sodass sie nicht später „verloren gehe“. Sich nationalstaatlich einzugrenzen könne jedenfalls keine Lösung sein, so Hahn.
Demgegenüber meinte Isabella Theuermann, Bundesrätin der FPÖ, dass eine „Welt ohne Grenzen“ zwar verführerisch klinge, die Realität aber anders aussehe. Junge Menschen würden sich daher oft verloren fühlen bzw. seien skeptisch. Das Wohlbefinden der Jugendlichen sei „dramatisch“ eingebrochen und die Unzufriedenheit mit der Politik sowie mit „linken Konzepten“ wachse an, so Theuermann. Viel mehr als Grenz- und Maßlosigkeit würden Jugendliche Werte wie Orientierung, Zuversicht, Kontinuität und Tradition benötigen.
Die „Generation Z“ will gesellschaftliche Entwicklungen mitgestalten und habe ein eigenes Selbstverständnis des geeinten Europas, sagte wiederum Bundesrätin Simone Jagl von den Grünen. Jugendliche würden heute pauschal dafür kritisiert, dass sie einerseits wenig Interesse an Politik hätten, andererseits aber „laut und unbequem“ wären. Aus Sicht von Jagl braucht es jedenfalls weiterhin Mut und Zuversicht für Europa. Populismus sei fehl am Platz. Seitens des NEOS-Parlamentsklubs regte Christoph Müller, Gemeinderat aus Perchtoldsdorf, die Jugendlichen dazu an, das „Drehbuch“ für Europa mitzugestalten, denn: „Dieses Europa ist nicht selbstverständlich“. Die Freiheiten in Europa würden derzeit von innen und von außen angegriffen, so Müller. Er verglich die Gestaltungsmöglichkeiten mit jenen von Staffeln einer Netflix-Serie. 350 Millionen Menschen seien nun bei der EU-Wahl aufgerufen zu entscheiden, ob die nächste Staffel eine gute werde.
In der anschließenden Debatte wurden vom jugendlichen Publikum unter anderem Themen wie Erasmus Plus, aber auch die Auswirkungen des Brexit aufgegriffen. (Schluss Bundesratskonferenz) sox/mbu
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