Demografische Herausforderungen treffen instabiles System: Caritas weist am Tag der Pflege auf dringende weitere Reform-Maßnahmen hin
Die Bundesregierung hat in den letzten beiden Jahren im Bereich Pflege und Betreuung längst fällige erste Reformschritte auf den Weg gebracht. Dennoch macht der steigende Bedarf dringend weitere Schritte notwendig. „Der demografische Wandel hin zu einer alternden Gesellschaft ist Realität. Der Bereich der Pflege und Betreuung steht vor Herausforderungen, die weitere, und zwar umfassende und innovative Reformschritte notwendig machen. Diese und die kommende Bundesregierung sind gefordert, bestehende Reformmaßnahmen langfristig abzusichern, sie auszubauen und v.a. zusätzliche Schritte für ein zukunftsfittes Pflegesystem einzuleiten“, betont Caritas Präsidentin Nora Tödtling-Musenbichler. Die notwendigen Maßnahmen seien vielfältig. „Das reicht von besseren Rahmenbedingungen und Harmonisierungen im System bis hin zu einem verstärkten Fokus auf Vorsorge statt Nachsorge“, erklärt Tödtling-Musenbichler, warum es einen verstärkten Ressourceneinsatz bei den Themen Pflege und Betreuung in der Regierung braucht.
Die Pfleger*innen pflegen: Gute Rahmenbedingungen für gute Betreuung schaffen
Was das aktuelle Pflegesystem noch am Laufen hält, sind die Menschen, die darin arbeiten. Die gute Nachricht: es waren noch nie so viele Menschen wie heute in Pflege- und Betreuungsberufen tätig. Die Nachfrage an Ausbildungsplätzen ist sehr hoch. Viele Menschen wollen in der Pflege arbeiten und erkennen: es ist ein sehr sinnstiftender und vielfältiger Beruf mit vielen Einsatzmöglichkeiten. „Die demografische Kurve ist aber nicht aufzuhalten – wir brauchen also schnellstmöglich noch mehr Ausbildungsplätze im Bereich Pflege und Sozialbetreuung, damit wir auch in Zukunft eine ausreichende Anzahl an Pflege- und Betreuungspersonen haben. Wir brauchen mehr Fachkräfte, sodass auch jene, die bereits jetzt in dem Bereich arbeiten, unter besten Rahmenbedingungen ihre so wichtige und wertvolle Arbeit für die Gesellschaft leisten können. Aktuell fehle es den Betreuenden, die oft Unmenschliches leisten, schlicht an Zeit, die Personalschlüssel sind zu eng bemessen oder die Dienstposten sind nicht besetzt. Deshalb ist es so wichtig, die Ausbildungsoffensive weiter voranzutreiben und zu verstärken, konkret die Ausbildungsplätze aufzustocken und die Finanzierung langfristig sicherzustellen.
„Was wir brauchen, ist ein echtes Personalkraftpaket. Wir müssen die lohnende Aufgabe der Pflege auf mehr Hände verteilen, das ist ein Gewinn für alle“, so Tödtling-Musenbichler, die den Pflegeberuf in Österreich auch für Fachkräfte aus dem Ausland attraktiv machen will.
Mehr Auszubildende brauchen logischerweise auch mehr Lehrpersonal. Angesichts des hohen Bedarfs an Lehrkräften sollten die Kosten von rund 12.000 Euro für die Ausbildung von der öffentlichen Hand getragen werden. Das ist eine Investition in die Zukunft, ebenso wie das Schaffen eines Lehramtsstudiums für den Bereich Pflege und Betreuung. Neben dem theoretischen Wissen braucht es aber auch für die Ausbildung in der Praxis mehr Unterstützung, bspw. durch eine Abgeltung des Mehraufwands für hochwertige Praxisanleitung oder die Unterstützung von Weiterbildungen für Ausbildende. Mit einer Flexibilisierung der Arbeitszeit, Dienstplansicherheit und einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben könnte man den Pflegeberuf ebenso noch weiter attraktiveren.
Schluss mit dem Fleckerlteppich
Ein ganz zentraler Punkt einer weitreichenden Reform liegt auch in der Vereinheitlichung des Angebots und der Kosten. „Es kann nicht sein, dass die Postleitzahl darüber entscheidet, welche Möglichkeiten der Pflege ich in Anspruch nehmen kann oder was mir das letztlich kostet. Das versteht kein Mensch und das ist auch ungerecht. Schaffen wir hier im Sinne der Menschen ein einheitliches System vom Bodensee bis zum Neusiedlersee“, so Tödtling-Musenbichler. Dieses System müsse zudem effizienter werden und ja, man werde auch nicht darum hinkommen, mehr Geld in die Hand zu nehmen.
Digitalisierungsfonds für Pflege & Betreuung gefordert
Eine große Chance sieht die Caritas in der Digitalisierung und in der Einbindung in ELGA bzw. im Bereich der Gesundheitstelematik. Tödtling-Musenbichler: „Es geht hier nicht nur um die Digitalisierung von Prozessen, sondern vielmehr auch um den Einsatz von Digitalisierung zur Vereinfachung der Dokumentation, aber auch für den Einsatz der Telepflege uvm. Hier lassen wir im Moment sehr viel Potential liegen. Ein Digitalisierungsfonds zur Förderung von digitalen Innovationen im Pflege- und Sozialbereich wäre dringend zu schaffen. Angesichts des schnellen technologischen Fortschritts liegt hier großes Potenzial und der Fonds könnte schnell für zusätzliche Unterstützung sorgen.“
Paradigmenwechsel zu mehr Vorsorge statt Nachsorge
Mit der steigenden Lebenserwartung steigt aber auch die Notwendigkeit, sich verstärkt der Vorsorge zuzuwenden. „Gesundheitsförderung und Präventionsarbeit – eigentlich elementare Bestandteile der Gesundheits- und Krankenpflege – spielen nach wie vor eine untergeordnete Rolle im österreichischen Gesundheits- und Sozialsystem. Wir müssen angesichts der alternden Gesellschaft alles daransetzen, Gesundheit und persönliche Ressourcen möglichst lange zu erhalten. „Das bedeutet auch für hochbetagte Menschen möglichst viele gesunde und selbstbestimmte Jahre“, so Tödtling-Musenbichler. Ein wichtiger Hebel wäre hier die Reform des Bundespflegegeldes – konkret eine Weiterentwicklung des Bundespflegegeldes. Aktuell wird hier in der Begutachtungspraxis auf bestehende Ressourcen und deren Erhalt abgestellt. Im Zuge einer Weiterentwicklung könnte man in Kombination mit gezielten Angeboten der Therapie, Bewegung, oder auch der mobilen Pflege eine ressourcenerhaltende und aktivierende Pflege stärken und es Menschen damit möglichst lange ermöglichen, ihren sozialen Bedürfnissen nachzukommen und an der Gesellschaft teilzuhaben.
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