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Kärntner Wirtschaft gibt Standortalarm

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Klagenfurt (OTS) – So hat beispielsweise die Studie von Deloitte Consulting zu „Österreichs Industrie im Wandel“ in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Wirtschaftspolitik der WKO besorgniserregende Ergebnisse zutage gefördert: Die Attraktivität des Industriestandortes schwindet, drei von vier Unternehmen sehen die Gefahr der De-Industrialisierung in Österreich. Dabei sind Produktionsverlagerungen bereits Realität und nehmen weiter zu, vor allem kostenintensive Bereiche wandern ab. Dazu kommen geografische Verlagerungstrends: Die USA gewinnen – nicht zuletzt aufgrund des „Inflation Reduction Act“ – an Attraktivität.

Wirtschaft wandert ab
Aus dieser Gemengelage ziehen immer mehr Unternehmen ihre Konsequenzen: Geplante Investitionen finden anderswo statt, Teile der Produktion werden an günstigere Standorte verlagert. Auch in den Medien gehören Berichte über die Verlagerung von Produktionskapazitäten weg aus Österreich bzw. aus Europa mittlerweile zum Alltag. Die Studie bestätigt diesen Eindruck: Mehr als 40 Prozent der Unternehmen haben in den vergangenen drei Jahren bereits Maßnahmen ergriffen, um ihre Wertschöpfungskette an die verschlechterten Rahmenbedingungen in Europa und Österreich anzupassen.

USA als großer Profiteur
Europa trägt als Folge des Einmarsches Russlands in der Ukraine die Hauptlast der wirtschaftlichen Sanktionen gegen den Aggressor, was aufgrund der Abhängigkeit Europas von russischem Erdgas einen Energiepreisschock ausgelöst hat. In den USA profitiert hin-gegen nicht nur der Rüstungssektor von staatlichen Milliardeninvestitionen, auch der Energiebereich boomt durch die Umstellung Europas von billigem russischem Erdgas auf das wesentlich teurere US-amerikanische LNG. Die Vereinigten Staaten 2023 sind damit zum weltgrößten Exporteur von LNG aufgestiegen. Dazu kommt noch, dass die USA aktiv um europäische Unternehmen werben: Der „Inflation Reduction Act“ zieht massiv Firmen und Investitionen aus Europa ab. Damit fördert die Regierung von US-Präsident Joe Biden klimafreundliche Investitionen in den Vereinigten Staaten mit der enormen Summe von insgesamt 430 Milliarden Dollar. Noch dazu ist das Prozedere, um tatsächlich zu staatlichem Geld zu kommen, über Steuergutschriften viel einfacher als in Europa mit seiner wuchernden Förderbürokratie. Dazu locken wesentlich niedrigere Strompreise: Laut statista.com kostete Haushaltsstrom in Österreich 2023 im Schnitt 47 Dollar-Cent, in den USA 17.

Arbeitskosten kosten Wettbewerbsfähigkeit
Neben den Energiepreisen sind laut Deloitte-Studie die hohen Arbeitskosten schuld da-ran, dass Unternehmen über Abwanderung oder Produktionsverlagerung nachdenken. Weitere Auslöser für die aktuelle Deindustrialisierungsdebatte in Österreich sind die enorme Regulierungswut der Bürokratie, der anhaltende Mangel an qualifizierten Arbeitskräften und die hohen Steuern und Abgaben. WK-Präsident Jürgen Mandl: „Wir müssen uns als Lebens- und Wirtschaftsstandort, dessen Wohlstand in hohem Maße vom weltweiten Export abhängt, bewusst sein, wie dünn das Eis ist, auf dem wir alle stehen: Die Unternehmen, die Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter und der Staat mit allen seinen Aufgaben von der sozialen Absicherung über Gesundheit und Bildung bis zum erhöhten Sicherheitsbedürfnis – all das wird von unser aller Steuern und Abgaben finanziert, die wir großteils außerhalb von Österreich verdienen. Stockt der Export, stirbt das Land.“

Gaslücke bedroht die Industrie
Eines der Bedrohungspotentiale für die Wirtschaft ist für Mandl auch die Ankündigung der Ukraine, die mit Ende 2024 auslaufenden Gasdurchleitungsverträge mit Russland nicht zu verlängern. Dies stelle für Österreich, das trotz der offensichtlichen Gefährdung der Versorgungssicherheit durch den Krieg bisher keine Anstalten unternommen habe, die enorme Abhängigkeit rasch zu verringern, eine ernsthafte Herausforderung dar. Denn während große Teile Europas die vergangenen beiden Jahre zum Aufbau von alter-nativen Energieinfrastrukturen genutzt haben, hat Österreich diese Umstellungsphase verschlafen.

Raus aus Russengas: Österreich hinkt hinterher
Die West-Austria-Gasleitung (WAG) verläuft seit 1980 auf 245 Kilometer Länge vom Gasknotenpunkt Baumgarten im Marchfeld bis nach Oberkappel an der deutschen Grenze. Ursprünglich war sie für den Gastransport von Ost nach West gedacht. Auf den letzten 40 Kilometern vor Deutschland, zwischen Oberkappel und Bad Leonfelden im oberösterreichischen Mühlviertel, soll die Leitung nun „geloopt“, also um ein Rohr in die Gegenrichtung ergänzt werden, um auch Gas von Nordeuropa in den Osten Österreichs transportieren zu können. Nachdem aber erst vor wenigen Wochen die Entscheidung für eine Unterstützung durch den Bund erfolgte, wird der Loop erst frühestens 2027 einsatz-bereit sein – Jahre zu spät, falls die Ukraine tatsächlich mit Anfang 2025 die Gasdurchleitung einstellt. Weiters verlangt Mandl die umgehende Aufnahme von Planungsarbeiten, wie die bestehende Trans Austria Gaspipeline, die ebenfalls von Baumgarten durch die Steiermark und Kärnten nach Italien führt, an die LNG-Terminals vor Venedig und der kroatischen Insel Krk angebunden werden kann.

Netzkosten und Ausgleichszahlungen
Eine der Herausforderungen der Energiewende ist der Umstand, dass die aktuellen Netzkapazitäten mit dem Zuwachs von erneuerbaren Energiequellen sowie der Elektrifizierung der Gesellschaft nicht Schritt gehalten haben. Das erhöht die Kosten sogenannter Redispatch-Maßnahmen, mit denen das Netz – etwa bei Übereinspeisung oder Leitungsausfall – stabil gehalten wird. Der österreichische Übertragungsnetzbetreiber Austrian Power Grid (APG) beklagt eine hohe Auslastung der Stromnetze und warnt vor steigen-den Kosten für notwendige Eingriffe in die Stromversorgung. 2023 lagen diese für die Stromkunden bei 141,6 Mio. Euro, das entspreche einer Erhöhung von 51 Prozent gegen-über dem Vorjahr und fast einer Verdoppelung gegenüber dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre, so die APG.

Netzausgleichskosten explodieren
Auch diese Kosten muss am Ende der Stromkunde bezahlen. Ein leistungsstarkes Strom-netz mit ausreichender Kapazität sowie entsprechender Speicherkapazitäten in allen Ebenen würden die Kosten erheblich verringern, weshalb die Wirtschaftskammer entsprechende Netzinvestitionen seit langer Zeit einfordert. Mandl: „Das darf aber nicht wieder zehn Jahre dauern wie bei der Netzabstützung Villach. Land und Bund sind gefordert, entsprechende gesetzliche Vereinfachungen zu schaffen, damit solche Infrastruktur-investitionen auch in überschaubaren Zeiträumen umgesetzt werden können, sonst wird die Energiewende in einer Flut von Beschwerden steckenbleiben.“ Eine erfolgreiche Energiewende und Transformation hin zu einem erneuerbaren Energiemix verlangt dringend den Ausbau der Stromnetze auf allen drei Spannungsebenen (110 kV, z.B. im Görtschitztal, 220 kV und 380 kV). Wirtschaftskammerdirektor Meinrad Höfferer: „Eine stabile Energieversorgung ist jetzt und zukünftig noch mehr ein Qualitätsfaktor für eine prosperierende Wirtschaft und damit ein wirksames Rezept gegen die Absiedelung von Betrieben und den Verlust von Wohlstand.“

Energieflussdiagramm: So ist die Energiewende nicht zu schaffen
Die Abteilung Wirtschaftspolitik der WK Kärnten hat ein Energieflussdiagramm entwickelt, das anschaulich die Anteile der jeweiligen Energieträger und ihre Veränderung im Zeitablauf darstellt. So machten Öl und Gas im Jahr 2022 mehr als 10.000 Gigawatt-stunden aus, Photovoltaik und Windkraft hingegen nur knapp 300. Herwig Draxler, Leiter der Wirtschaftspolitik: „Das ist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein: Selbst eine Steigerung der Erneuerbaren Energie um 100 GWh pro Jahr würde bedeuten, dass Kärnten noch fast 100 Jahre für die Energiewende braucht.“ Europa und Österreich haben sich allerdings vorgenommen, bis 2040 (!) sämtliche fossilen Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen.

Aktuelle Gesetzesentwürfe
Das Raumordnungsgesetz und die PV-Verordnung waren in den vergangenen Wochen in Begutachtung. WK-Präsident Mandl: „Die vorliegenden Vorschläge sind ein guter und wichtiger Schritt, wobei an manchen Standorten eine größere Freiflächenkapazität für die Energieproduktion von großem Vorteil wäre. Entscheidend aus Sicht der Wirtschaft ist jedoch das Tempo bei der Umsetzung!“

Zündet der Investitionsturbo?
Der angestrebte ganzjährige Energiemix benötigt einen schnellen Ausbau der Windkraft für die Wintermonate. Die Wirtschaft fordert daher, in ähnlicher Geschwindigkeit wie im Bereich der Photovoltaik die Windkraft zu forcieren und die entsprechenden Verordnungen und Gesetze demensprechend zu adaptieren. Denn, so Mandl: „Die Energiewende ist ein Investitionsturbo, der Kapital, Tempo durch Entbürokratisierung und Mut für klare politische Entscheidungen braucht. Die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft ist die Grundlage unseres Wohlstandes – und dafür ist eine sichere, günstige Energieversorgung die Grundvoraussetzung.“

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