Ehemalige Synagoge St. Pölten wiedereröffnet
Am gestrigen Donnerstagabend fand in St. Pölten die Wiedereröffnung der ehemaligen Synagoge statt. Gäste aus Wirtschaft, Kunst, Wissenschaft, Politik und Religion – darunter Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Bundesminister Gerhard Karner, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Bürgermeister Matthias Stadler, Erster Landtagspräsident Karl Wilfing, Dritte Landtagspräsidentin Eva Prischl, der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde Wien Oskar Deutsch, Oberrabiner Jaron Engelmayer, der Botschafter des Staates Israel David Roet – sowie Angehörige der einstigen jüdischen Gemeinde St. Pölten nahmen am Festakt teil.
„Dieser 18. April ist für uns alle ein ganz besonderes Datum“, leitete die Landeshauptfrau ein, „denn die Zahl 18 steht im Judentum für das Leben und heute erfüllen wir die ehemalige Synagoge mit neuem Leben.“ Es sei ein bewegender Tag, denn „die Geschichte Niederösterreichs ist untrennbar mit jüdischem Leben verbunden.“ In Niederösterreich habe es österreichweit die meisten, nämlich 15 israelitische Kultusgemeinden gegeben, verbunden damit eine bemerkenswerte Vielfalt des jüdischen Lebens, von der heute, bis auf wenige Ausnahmen, nur noch die jüdischen Friedhöfe im Land zeugen, so Mikl-Leitner. „Daher ist es unsere Aufgabe und Verantwortung als Land, die Erinnerung an das jüdische Leben von damals und vor allem die Erinnerung an die furchtbaren Gräueltaten, die Jüdinnen und Juden bei uns erfahren mussten, wachzuhalten.“ Die ehemalige Synagoge werde mit ihrer Wiedereröffnung „zu einem zentralen Ort des Erinnerns, Gedenkens und des Lernens und auch zu einem lebendigen Ort der Kultur, der Begegnung und des Miteinanders“, so die Landeshauptfrau.
„Ich denke auch, dass es gerade im Zuge der Wiedereröffnung der ehemaligen Synagoge wichtig ist, das Versprechen abzugeben, dass der Kampf gegen den Antisemitismus als Staatsräson in unserem Land immer Geltung und Wirkung hat.“ Denn die Synagoge werde in einer besonders schwierigen Zeit vor allem für jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wiedereröffnet. Mikl-Leitner sprach dabei vom Angriff der Hamas auf Israel, „wo das größte Morden an Jüdinnen und Juden seit dem Holocaust stattgefunden hat.“ Sie führte zudem den Angriff des Irans auf Israel an und bezeichnete diesen als eine neue Eskalationsstufe. Überhaupt „nehmen die antisemitischen Angriffe in ganz Europa, auch in Österreich zu und das können, wollen und dürfen wir auch nicht akzeptieren.“ Die Landeshauptfrau betonte: „Da gibt es Null Toleranz, egal woher dieser Antisemitismus kommt“ und mit der heutigen Wiedereröffnung setze man bestimmt einen guten Schritt.
Auch in der Landeshauptleute-Konferenz unter dem Vorsitz Mikl-Leitners habe man es sich zum zentralen Anliegen gemacht, die Erinnerung an diese Zeit aufrecht zu erhalten und sowohl junge Menschen als auch Zuwanderer zu „Verbündeten im Kampf gegen den Antisemitismus“ zu machen. „Einerseits, indem jede Schülerin und jeder Schüler zumindest einmal während der Schulzeit eine KZ-Gedenkstätte oder ein jüdisches Museum in Österreich besucht, mit aller Vor- und Nachbereitung, die dazugehört“, erläuterte Mikl-Leitner. Andererseits, indem sich „Zuwanderer, die unsere Staatsbürgerschaft wollen, mit unserer Geschichte, unseren Grundprinzipien wie der Demokratie und mit unseren Werten auseinandersetzen.“
Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, Vorsitzender des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, sagte: „Die ehemalige Synagoge ist heute nicht nur ein Ort der Erinnerungskultur und des Gedenkens, sie ist vor allem ein Ort des Forschens, des Entwickelns und des Bezugs zu heute, denn sie erzählt uns im Blick auf die Vergangenheit, was wir heute zu tun haben.“ Sobotka betonte vor allem seine Freude darüber, dass „viele Angehörige der ehemaligen jüdischen Gemeinschaft St. Pölten an der Eröffnung teilnehmen“, denn es sei unsere Aufgabe, „in Dialog zu treten und so Antisemitismus auch im Alltag zu bekämpfen“ – dafür sei die ehemalige Synagoge ein guter Ort.
Bundesminister Gerhard Karner zeigte sich in seinen Worten „betroffen darüber, dass wir unsere jüdischen Mitmenschen nach dem Terroranschlag der Hamas auf Israel nun wieder beschützen ,müssen´.“ Dies dürfe nicht sein und darum sei es wichtig, „als Gesellschaft und als Polizei die Verantwortung zu übernehmen und das jüdische Leben sichtbar nach außen zu tragen.“ Karner nannte hier das „Mauthausen Memorial“, „wo wir danach trachten, dass Schülerinnen und Schüler, auch der Polizei, diese Anlagen besuchen“, denn „so setzen wir Akzente im Kampf gegen Antisemitismus und im Kampf dafür, dass jüdisches Leben in der Öffentlichkeit sicher stattfinden kann.“
Die wiedereröffnete ehemalige Synagoge sei nach Sanierung „ein besonderes Gebäude und eine Zierde für die Stadt“, sagte Bürgermeister Matthias Stadler. Er hob besonders das installierte Lichtsymbol hervor: „Der Lichtstrahl ist ein Stachel, der uns erinnern soll an die aufstrebende jüdische Gemeinde in St. Pölten, aber auch an die Vernichtung dieser Gemeinde und die finsterste Zeit unserer Geschichte.“
„Wir alle nutzen dieses Haus auf angemessene Weise und bleiben doch Nutznießer eines Verbrechens – der beinahe gelungenen Auslöschung jüdischer Existenz. Das dürfen wir niemals vergessen. Nicht beim schönsten Konzert, der interessantesten Veranstaltung und der freudigsten Feierstunde“, sagte Martha Keil, wissenschaftliche Leiterin der Ehemaligen Synagoge St. Pölten. Als einstiges Gotteshaus der Kultusgemeinde St. Pölten sei diese Synagoge ein Teil des sogenannten jüdischen Kulturerbes, zu dessen Erhalt und Förderung sich die Regierung des Landes Niederösterreich verpflichtet habe. Die Wiedereröffnung der Ehemaligen Synagoge sei aus drei Gründen bedeutsam: „Ihr materielles Fundament, das Gebäude, wird geschützt und dauerhaft erhalten. Damit wird aber auch die Geschichte ihrer vernichteten jüdischen Gemeinde vor dem Vergessen bewahrt. Und schließlich wird eine Kulturstätte geschaffen, die Menschen, gleich welcher Herkunft und Religion, einlädt, einander auf vielfältige Weise zu begegnen und kennenzulernen.“
Der Präsident der israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch nannte die wiedereröffnete ehemalige Synagoge „einen Baustein im Kampf gegen den Antisemitismus“, denn sie eröffne die Möglichkeit, „Menschen positiv mit dem Judentum zu konfrontieren und es ein wenig mehr zu verstehen.“ In Niederösterreich gebe es fast 300 jüdische Gemeindemitglieder und Deutsch sei glücklich über „diese Synagoge, die Symbol für kulturelles jüdisches Leben ist.“
Oberrabiner Jaron Engelmayer nannte den gestrigen Tag der Wiedereröffnung einen „bewegenden Tag“. Die Synagoge bedeute einen „fixen Bezugspunkt, ein Zuhause und ein Stück Heiligkeit für jüdische Menschen.“
Die musikalische Umrahmung der Eröffnungsfeier wurde mit dem Gebet „Mah Tovu“, gesungen von Kantor Paul Heller (Nachkomme der jüdischen Familien Glaser und Heller), eingeleitet. Das Intermezzo gestaltete Cellistin Monica Scott (Urenkelin des Architekten der Synagoge Theodor Schreier) mit der Eigenkomposition „17 Generations“ und zum Abschluss spielte das Beethoven Frühling Kammerorchester unter der Leitung von Dorothy Khadem-Missagh das „Adagietto“ von Gustav Mahler.
Von 19. bis 21. April lädt die Ehemalige Synagoge St. Pölten zu drei Tagen der offenen Tür. Das Haus und die Dauerpräsentation „Die Synagoge und ihre Gemeinde“ können während den Tagen der offenen Tür bei freiem Eintritt und mit einem umfassenden Führungsangebot besucht werden. Mit ihrem Ausstellungs- und Vermittlungsprogramm ist sie Teil des Jahresschwerpunktes Kultur St. Pölten 2024.
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