Aktuelle Stunde im Nationalrat: Heftige Debatte zu BVT-Spionage-Affäre
Die Spionage-Affäre rund um mutmaßliche Spionagetätigkeiten von Mitarbeitern des ehemaligen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) für Russland sorgte zu Beginn der heutigen Nationalratssitzung für eine kontroverse und emotionale Debatte. Im Rahmen der Aktuellen Stunde zum Thema „Der neue Staatsschutz sorgt für die Sicherheit unseres Landes“ setzte die ÖVP zu einem Frontalangriff gegenüber der FPÖ an und bezeichnete diese als „Russland-Trojaner in Österreich“. Für die Freiheitlichen liegt die Verantwortung hingegen bei der ÖVP, da unter ihrer Führung das BVT von „Schlampereien, Postenschacher und Informationslecks“ geprägt gewesen sei.
Die SPÖ und NEOS orteten eine „Schlammschlacht“ zwischen Volkspartei und Freiheitlichen, die beide für die Missstände verantwortlich seien. Für die Grünen gilt es zu gewährleisten, dass FPÖ-Chef Herbert Kickl „nie wieder“ Innenminister wird.
Laut Innenminister Gerhard Karner arbeitet die neu aufgestellte Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) erfolgreich für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher. Für die Überwachung neuer Kommunikationsformen zur Terror- und Spionageabwehr forderte Karner zudem neue rechtliche Grundlagen. Damit sei jedoch keine Massenüberwachung gemeint.
ÖVP: Verbindungen des BVT-Spionage-Netzwerks zur FPÖ offenkundig
Obwohl aufgrund der vielen Krisenherde und der anhaltenden Terrorgefahr ein funktionierender Staatsschutz von großer Bedeutung sei, habe in der Amtszeit von FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl als Innenminister eine Zerschlagung dessen stattgefunden, betonte Christian Stocker (ÖVP). Dahinter stehe ein Netzwerk rund um den mutmaßlichen Russland-Spion Egisto Ott, der die Grundlagen für die durch Kickl eingeleitete rechtswidrige Hausdurchsuchung im BVT geliefert habe. Stocker bezeichnete die FPÖ als „Russland-Trojaner in Österreich“. Dies sei durch die Verbindungen des Spionage-Netzwerks zu den Freiheitlichen offenkundig geworden. Der ÖVP-Abgeordnete bezweifelte, dass Herbert Kickl „von all dem nichts gewusst“ habe. Die ÖVP-Nachfolger Kickls im Innenministerium – konkret Karl Nehammer und Gerhard Karner – hätten danach den Aufbau des neuen Staatsschutzes in Form der DSN vorgenommen, so Stocker. Die neu gegründete Behörde funktioniere und verdiene die Unterstützung des Hohen Hauses. Im Gegensatz zur FPÖ sei die Sicherheit Österreichs bei der ÖVP „in den besten Händen“, unterstrich Stocker.
Auch Reinhold Lopatka (ÖVP) übte scharfe Kritik an der FPÖ. Die Freiheitlichen würden durch ihre Verbindungen nach Russland die Sicherheit und den Wohlstand Österreichs gefährden. „Die Freunde Putins in Österreich können zwar alles abstreiten und leugnen, aber sie haben sich Europa ab- und Russland zugewandt“, so Lopatka in Richtung der Freiheitlichen. Für Andreas Hanger (ÖVP) ist es Fakt, dass die FPÖ in russische Spionage in Österreich involviert war. Es bleibe dabei die Frage offen, „ob Kickl dabei ein Verräter, unfähig oder beides war“, so der ÖVP-Abgeordnete.
FPÖ: BVT unter ÖVP-Führung von Schlampereien, Postenschacher und Informationslecks geprägt
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl sprach von „Desinformation und Fake News“ der ÖVP, mit denen die Bevölkerung „manipuliert“ werde. Durch „jahrzehntelange“ ÖVP-Verantwortung sei das BVT bei seinem Amtsantritt als Innenminister eine „verwahrloste, heruntergekommene und unfähige Einrichtung“ gewesen, was der „beste Nährboden“ für Spionage und Informationsabfluss sei. Das BVT sei von „Schlampereien, Postenschacher und Informationslecks“ geprägt gewesen. Die Reform des Staatsschutzes sei erst durch die FPÖ eingeleitet worden, verteidigte sich Kickl.
Zum Schutz der ÖVP laute das Motto „Alle gegen Kickl“, hielt Hannes Amesbauer (FPÖ) fest. Der FPÖ-Mandatar sprach von „Doppelmoral“, da die in die Spionage-Affäre verwickelten BVT-Mitarbeiter Egisto Ott und Martin Weiss unter ÖVP-Innenministern Karriere gemacht hätten. Unter Innenminister Kickl sei es nicht zu einer Zerschlagung des BVT gekommen, da dieses bereits davor „kaputt“ gewesen sei. Kickl sei auch nicht für die dortige Hausdurchsuchung verantwortlich. Eine solche Anordnung sei Sache der Staatsanwaltschaft. In ihrer gemeinsamen Regierungszeit habe die ÖVP die Hausdurchsuchung zudem nicht kritisiert, so Amesbauer.
SPÖ: ÖVP und FPÖ schieben Verantwortung für die Spionage-Affäre hin und her
ÖVP und FPÖ würden ein „unwürdiges Schauspiel“ betreiben und die Verantwortung für die Spionage-Affäre „hin- und herschieben“, obwohl beide Parteien zusammen in den letzten 24 Jahren das Innenministerium geführt hätten, kritisierte Reinhold Einwallner (SPÖ). Für einen leistungsstarken und modernen Nachrichtendienst brauche es nun „sofort“ und nicht wie von der FPÖ vorgeschlagen erst nach der kommenden Nationalratswahl Transparenz, Aufklärung und Kontrolle. Die SPÖ werde durch einen Prüfauftrag an die Kontrollkommission der DSN diese Woche erste Schritte dazu setzen. Einwallner sprach sich zudem für eine Verschärfung des Spionage-Paragraphen aus. Ein diesbezüglicher Antrag seiner Fraktion und den NEOS liege dazu bereits seit drei Jahren im Parlament. Die Justizministerin sei aber bis dato untätig geblieben. Die einzige Antwort von ÖVP und Grünen dazu seien neue Befugnisse für die Behörden. Die SPÖ spreche sich aber klar gegen eine „Massenüberwachung“ der Bevölkerung aus, hielt der SPÖ-Abgeordnete fest.
Dem schloss sich Sabine Schatz (SPÖ) an. In Zeiten massiver Vorwürfe könne eine Erweiterung der Befugnisse der DSN „nicht ernst gemeint sein“. Schatz zeigte sich über die „türkis-blaue Schlammschlacht“ zu den Missständen im BVT verwundert, wo doch die Volkspartei gemeinsam mit den Freiheitlichen die Verantwortung dafür trage. Laut der SPÖ-Mandatarin gibt es etwa im Bereich der Terrorismusbekämpfung oder durch den Anstieg rechtsextremer Straftaten „enorme Herausforderungen“ für den Staatsschutz. Deshalb forderte Schatz den Innenminister auf, „endlich“ den Nationalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus auf den Weg zu bringen.
Grüne: FPÖ vertritt Interessen Russlands
Die FPÖ vertrete unter der Führung von Herbert Kickl die Interessen Russlands, unterstrich Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer. Dies sei durch den aufrechten Freundschaftsvertrag der Freiheitlichen mit der Partei von Putin „schwarz auf weiß besiegelt“. Kickl habe als Innenminister „maximalen Schaden“ für die Sicherheit Österreichs angerichtet. „Wir müssen dafür sorgen, dass Sie nie wieder in so eine Position kommen“, so Mauerer in Richtung des FPÖ-Chefs.
Das sah Gerorg Bürstmayr (Grüne) ähnlich. Es gehe um die nationale Sicherheit Österreichs, die durch die FPÖ in Gefahr sei. Was den Staats- und Verfassungsschutz betrifft, habe man erst mit dem Antritt der aktuellen Bundesregierung dessen Struktur neu aufgesetzt. Dem Ruf nach neuen Befugnissen erteilte Bürstmayr eine Absage, da die bisherigen Mittel durch „Spione im Dienste Russlands“ missbraucht worden seien. Mit den Grünen werde es keinen „Bundestrojaner“ geben, so der Grünen-Abgeordnete in Richtung der Sozialdemokrat:innen.
NEOS: ÖVP will sich durch Geschichtsumschreibung aus der Verantwortung ziehen
Obwohl es richtig sei, dass Herbert Kickl den Verfassungsschutz zerstört habe, betreibe die ÖVP „Kindesweglegung“, da sie zugelassen habe, dass Kickl Innenminister wurde, kritisierte Stephanie Krisper (NEOS). Zudem hätten sich die Spionagezellen unter ÖVP-Innenminister:innen gründen können. Die ÖVP wolle sich durch „Geschichtsumschreibung“ aus der Verantwortung ziehen. Was die DSN betrifft, bemängelte Krisper den „schleppenden Personalaufbau“ sowie das für sie zu späte einsetzen der Kontrollkommission. Es stelle sich zudem die Frage, ob immer die kompetentesten Personen an der richtigen Stelle eingesetzt würden.
Yannick Shetty (NEOS) sprach sich anstatt einer „politischen Schlammschlacht“ zwischen ÖVP und FPÖ für „echte Aufklärung“ aus. Shetty forderte deshalb alle anderen Fraktionen -im Besonderen die FPÖ – auf, sich für ein Einsetzen eines „Russland-Untersuchungsausschusses“ nach der kommenden Nationalratswahl schriftlich zu bekennen. In Bezug auf die „Russland-Verbandelung der FPÖ“ sei es etwa zu einer „Aktenautobahn“ zwischen Jan Marsalek und dem ehemaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus sowie zwischen einer Mitarbeiterin des Kabinetts Kickl und dem ehemaligen FPÖ-Mandatar Hans-Jörg Jenewein gekommen, so Shetty.
Innenminister Karner: DSN arbeitet erfolgreich für Sicherheit in Österreich
Die neu aufgestellte DSN funktioniere und arbeite erfolgreich für die Sicherheit der Österreicherinnen und Österreicher, betonte Innenminister Gerhard Karner in seiner Wortmeldung. Als Beispiele dafür nannte Karner Ermittlungserfolge und Festnahmen gegen islamistischen Extremismus, Rechtsextremismus sowie gegen die Staatsverweigerer-Szene. Auch die Festnahme von Egisto Ott unterstreiche die funktionierende Arbeit des Staatsschutzes. Nach der rechtswidrigen Hausdurchsuchung des BVT unter Innenminister Kickl und die darauffolgende internationale Isolierung funktioniere nun wieder die Zusammenarbeit der DSN mit den Nachrichtendiensten anderer Länder.
Durch das neue Staatsschutz- und Nachrichtendienst-Gesetz seien grundlegende Reformen, wie etwa die Trennung der beiden Bereiche, eine verstärkte parlamentarische Kontrolle sowie eine Professionalisierung der Ausbildung der Staatsschützer:innen umgesetzt worden, so der Innenminister. Zudem gelte es, die zuständigen Landesbehörden zu stärken und eine rechtliche Weiterentwicklung der Ermittlungsmethoden voranzutreiben. Man wolle keine Massenüberwachung, sondern die Überwachung neuer Kommunikationsformen zur Terror- und Spionageabwehr, betonte der Innenminister. (Fortsetzung Nationalrat) med
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.
OTS-ORIGINALTEXT PRESSEAUSSENDUNG UNTER AUSSCHLIESSLICHER INHALTLICHER VERANTWORTUNG DES AUSSENDERS. www.ots.at
(C) Copyright APA-OTS Originaltext-Service GmbH und der jeweilige Aussender. Pressedienst der Parlamentsdirektion – Parlamentskorrespondenz