Quick-Commerce-Plattformen aus Fernost: Handelsverband legt Acht-Punkte-Aktionsplan für Fairness im digitalen Handel vor.
In den letzten 18 Monaten haben chinesische Plattformen ein neues Geschäftsmodell im grenzüberschreitenden Einzelhandel durchgesetzt. Entstanden ist dieses während der Pandemie in China: „Quick-Commerce“-Plattformen hatten die chinesischen Konsument:innen direkt mit Herstellern und Anbietern von Produkten des täglichen Bedarfs, insbesondere Nahrungsmitteln, Hygieneprodukten und Pharmazeutika verbunden und eine Zustellung „on-demand“ organisiert. Während der Inlandskonsum in der Volksrepublik China nun schwächelt, wird dieses Modell weltweit ausgerollt.
„Es braucht einen Aktionsplan für Fairness im digitalen Handel. Der neue Wettbewerb profitiert davon, dass geltendes EU-Recht oft nur mangelhaft durchgesetzt wird. Gleichzeitig werden Lücken im Zollrecht bewusst ausgenutzt“, kritisiert Rainer Will, Geschäftsführer des freiwilligen, unabhängigen und überparteilichen Handelsverbands. „Leidtragender dieser Entwicklung ist der heimische Handel, der mit mehr als 700.000 Beschäftigten der wichtigste Arbeitgeber des Landes ist, und dadurch in weiterer Folge die gesamte österreichische Bevölkerung.“
Die neuen Quick-Commerce-Plattformen generieren über eine zentralisierte Kommunikationsplattform Nachfrage nach ihren Produkten, die Kundenbindung wird durch Spiele, Rabattaktionen und Social-Media-Tools über Smartphone-Apps unterstützt. Je mehr Konsumenten die Plattform nutzen, desto besser können Trend-Vorhersagen getroffen werden. Erst nach Bestellung werden die angebotenen Produkte endgefertigt. Weder Zwischenlager noch Groß- oder Zwischenhändler sind nötig, die Logistikketten sind kurz. Die bestellten Waren werden nach der Produktion direkt verpackt, für die Flugfracht konsolidiert und per Großraumfrachtflugzeug nach Europa gebracht. Stand März 2024 sind das 25 bis 35 Flüge pro Tag. All das zu einem Endkonsumentenpreis (inkl. Versandkosten), der um 30 bis 40 % unter jenem vergleichbarer europäischer Angebote liegt.
Geltende EU-Regeln werden nicht angewendet
Die EU hat die Regeln für Warensendungen mit geringem Wert (max. 150 EUR) bereits vor etwa zehn Jahren angepasst. Für alle Warensendungen gilt: Vorabdaten (inkl. klarer Kennung des Lieferanten, des Empfängers und des Abgabenschuldners) sind Pflicht. Vom Käufer bzw. der Käuferin muss Einfuhrumsatzsteuer bezahlt werden, Zoll fällt jedoch erst ab einem Warenwert von 150 Euro an.
Die rechtlichen und regulatorischen Vorgaben wurden von allen 27 EU-Staaten einstimmig beschlossen. Bis 2021 hätten die EU-Mitgliedsstaaten eine entsprechende Datenaustauschplattform aufbauen müssen. Tatsächlich funktioniert der Datenaustausch der Zollbehörden bis heute nur mangelhaft. Den Behörden fehlen Mittel und Personal, um die gemeldeten Daten zu analysieren und das entsprechende Risikomanagement beim Import von bis zu 7.000 Tonnen an Warensendungen pro Monat an den einzelnen Flughäfen zu gewährleisten. Die Zollbehörden sind überlastet und nicht in der Lage, die notwendigen Kontrollen zu gewährleisten. Dazu kommen Fehldeklarierungen, schlechte Datenqualität und Beschwerden wegen mangelnder Produktsicherheit.
„Nicht die rechtlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen, wie sie das Mehrwertsteuer-eCommerce-Paket der EU vorgegeben hat, sind schlecht. Es ist die mangelnde Umsetzung in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten die zu Herausforderungen führen“, lautet das Fazit von Walter Trezek, Gründer und Eigentümer des Logistikberaters CLS (Commerce Logistics Specialists).
Zollverfahren und vereinfachte Einfuhrumsatzsteueranmeldung müssen angeglichen werden
Das neue „Direct-eCommerce“-Geschäftsmodell, das die herkömmlichen Logistikketten ausschaltet, nutzt dabei ein Schlupfloch im Zollrecht. Während im Großhandel bei einem Import in die EU Zoll und Einfuhrumsatzsteuer (EUSt) anfällt, wird im vereinfachten Verfahren für B2C-Lieferungen mit geringem Wert (also unter einem Warenwert von 150 Euro) nur die EUSt fällig.
„Während also beim Import von Handelswaren für den Verkauf über den heimischen Einzelhandel aus Drittstaaten Zoll anfällt, sind einzelne Warensendungen aus Fernost im Wert von unter 150 Euro vom Zoll ausgenommen“, verdeutlicht Handelssprecher Rainer Will. „Um Wettbewerbsgleichheit herzustellen, sollte umgehend die Zollgrenze von 150 auf 0 Euro abgesenkt werden. Außerdem ist ein europäischer Zolldatenhub notwendig.“
Acht-Punkte-Aktionsplan für Fairness im digitalen Handel
Damit der Vollzug des Zollrechts im digitalen Zeitalter ankommt, sind somit folgende nächste Schritte notwendig:
- verpflichtende Einführung der Einhebung der Einfuhrumsatzsteuer für grenzüberschreitende B2C-Warensendungen unter einem Warenwert von 150 Euro bei Kauf über Plattformen (Import-One-Stop-Shop-System („IOSS“), inkl. der verpflichtenden IOSS-VAT-Kennung);
- verpflichtender Vorabversand einer normierten E-Rechnung als Bestandteil des Datensatzes der verpflichtend mit der elektronischen Zolleinfuhrerklärung;
- einheitliche UID-Nummer, um digitale Berichtspflichten in der gesamten EU für direkte und indirekte Vergebührungen anzupassen;
- Absenkung der Zollgrenze für B2C-Warensendungen von 150 auf 0 Euro;
- Vereinfachung der Steuersätze in der EU, um eine zusätzliche Vereinfachung des grenzüberschreitenden Einzelhandels zu gewährleisten;
- datentechnische Harmonisierung von postalischen Transportdokumenten;
- digitale Kennung der Betreiber entlang der gesamten Warenwirtschafts- und Zustellkette;
- Schaffung der digitalen Zolldatenplattform in der EU, um einen Datenaustausch in Echtzeit zu Einzelhandelsbewegungen in der Union zu gewährleisten.
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