Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz: Novelle erleichtert europaweiten Vollzug bei Zustellung von Strafbescheiden
Mit der heute im Sozialausschuss mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und FPÖ beschlossenen Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz, die kleinere technische Anpassungen enthält, soll vor allem der Kritik an der nicht EU-konformen Ausgestaltung einzelner Bestimmungen Rechnung getragen werden. Insbesondere geht es dabei um eine EU-Richtlinie betreffend grenzüberschreitende Transporte im Straßenverkehr und damit verbundene Entsendungen von Berufskraftfahrer:innen. Außerdem soll damit Problemen in der Praxis bei der Eintreibung von Strafen im Ausland begegnet und deren Vollzug erleichtert werden.
Auf der Agenda standen noch eine Reihe von oppositionellen Initiativen, wie etwa die von der SPÖ geforderte finanzielle Gleichstellung von Lehrlingen in überbetrieblichen Ausbildungsstätten sowie die Etablierung eines Rechtsanspruchs auf Freistellung für Einsatzkräfte im Katastrophenschutz.
Der FPÖ waren die gesetzliche Verankerung des 13. und 14. Monatsgehalts sowie die Einrichtung einer Urlaubs- und Abfertigungskasse für Beschäftigte im Tourismus wichtige Anliegen. Von Seiten der NEOS lagen Vorschläge zur Neugestaltung des Arbeitslosengeldes (degressives Modell und zeitliche Befristung) sowie zur Beschränkung der Bildungskarenz vor. Alle Anträge wurden mit den Stimmen von ÖVP und Grünen vertagt.
Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen zur Kenntnis genommen wurde ein aktueller Bericht des Arbeitsressorts, der über die Ausgaben für die Corona-Sonderbetreuungszeit im Jahr 2023 informiert.
ÖVP und Grüne legen Entwurf für neues Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz vor
Laut Abgeordneter Rebecca Kirchbaumer (ÖVP), die auf die Inhalte der von den Regierungsfraktionen vorgelegten Novelle (3940/A ) näher einging, habe sich in der Praxis herausgestellt, dass das als Schnittstelle eingerichtete Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) nicht immer der beste Weg sei, um Unterlagen von ausländischen Unternehmen anzufordern oder Strafbescheide zuzustellen. Die zuständigen Behörden sollen nun angehalten werden, zunächst eine Zustellung im Postweg vorzunehmen, erläuterte sie. Generell gehe es um eine Vereinheitlichung und Harmonisierung der Begrifflichkeiten sowie um die Gewährleistung eines besseren Vollzugs der Richtlinie.
Opposition wirft Regierung Untätigkeit im Kampf gegen Sozialdumping und Scheinfirmen vor
Die technischen Anpassungen nehme man zur Kenntnis, meinte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch, der primär auf den mit in Verhandlung stehenden Antrag (1810/A ) seiner Fraktion einging. Dieser enthalte viel weitreichendere Vorschläge, wie etwa die deutliche Erhöhung der Strafrahmen. Es könne nicht sein, dass bei Fällen von Unterentlohnung die Strafen oft niedriger seien als das vorenthaltene Entgelt, zeigte er kritisch auf. Für eine Strafmilderung dürfe zudem die unverzügliche Mitwirkung der Arbeitgeber:innen nicht ausreichend sein. Es brauche als weitere Voraussetzung den Nachweis der mittlerweile erfolgten Nachzahlung der noch offenen Lohn- und Abgabenforderungen. Da die Novelle all diese Punkte nicht enthalte, werde die SPÖ dem Gesetzesantrag nicht zustimmen, kündigte Muchitsch (SPÖ) an. Vor allem sei es bedauerlich, dass Österreich in diesem Bereich schon einmal Vorreiter war, die Regelungen aber in der Vergangenheit abgeschwächt und verwässert worden seien.
Die FPÖ wiederum sah dringenden Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Scheinfirmen und warf den dafür zuständigen Ministern Untätigkeit vor. Bestehende Probleme würden ignoriert und bei Anfragebeantwortungen würde „getrickst, getarnt und getäuscht“, stellte Dagmar Belakowitsch in Bezug auf den dazu vorliegenden Entschließungsantrag (3930/A(E)) ihrer Fraktion fest.
Um „wirtschaftskriminellen Machenschaften“ entgegenzuwirken, brauche es eine bessere Koordination zwischen Gewerbebehörden, Arbeitsmarktservice, Wirtschaftsförderungseinrichtungen, Arbeitsinspektorat, Steuerbehörden und Sozialversicherungen, heißt in der Initiative der FPÖ. Zudem plädierte Belakowitsch dafür, Wiederholungstäter:innen in Sachen Scheinfirmen und Sozialdumping nicht nur härter zu bestrafen, sondern sie auch – befristet bzw. unbefristet – von unternehmerischen Tätigkeiten auszuschließen. Das müsste auch für die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen und für Förderungen gelten. Es könne nicht sein, dass an bestimmten Adressen wie zum Beispiel der Sterngasse 10 im ersten Bezirk immer wieder Scheinfirmen angemeldet werden können, die oft auch noch denselben Geschäftsführer aufweisen würden.
Alois Stöger (SPÖ) schloss sich den Forderungen an und trat dafür ein, das Personal bei den Kontrollorganen deutlich aufzustocken. Er frage sich auch, warum nicht bei der Anmeldung eines Gewerbes geprüft werden könne, ob der Geschäftsführer schon einmal im Rahmen von Scheinfirmen aufgetaucht sei.
Gerald Loacker (NEOS) beklagte, dass beim Gesetzwerdungsprozess noch immer der „Corona-Notfallmodus“ angewandt und keine Begutachtungen durchgeführt werden. Auch wenn das Gesetz schon oft novelliert wurde, habe sich nicht viel verbessert, meinte er, da vor allem die Schnittstelle mit der Finanzpolizei nicht funktioniere. Wenn es in Österreich möglich sei, dass sich Personen bis zu zwölf Mal scheiden lassen, um mehr Pension zu erhalten, dann gewinne man den Eindruck, dass die Sozialversicherung einfach „nicht wolle“.
Zu der von Loacker angesprochenen Bau-ID-Karte führte Josef Muchitsch (SPÖ) aus, dass es sich dabei um ein Pilotprojekt der Sozialpartner handle. Derzeit laufe noch die Evaluierungsphase, weil die praktische Umsetzung der elektrischen Zutrittskarte zu Baustellen noch nicht so funktioniere, wie es sein solle. Diese Karte werde die Steuerzahler:innen jedenfalls keinen Cent kosten, betonte er.
Die zur Debatte stehende Novelle zum Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz enthalte primär technische Adaptionen und betreffe nur ausländische Dienstgeber:innen, informierte Wirtschaftsminister Martin Kocher. Vor einiger Zeit wurde eine größere Reform beschlossen, die bereits zu deutlich mehr Effizienz geführt habe. Er verwehrte sich dagegen, dass sein Ressort zu wenig gegen Scheinfirmen unternehme. Zuständig für den Vollzug sei überdies nicht das Ministerium, sondern die Finanzpolizei, stellte er in Richtung von FPÖ-Abgeordneter Dagmar Belakowitsch fest. Auch beim AMS gebe es ein Kontrollsystem, das gut funktioniere.
SPÖ fordert Lehrlingseinkommen statt Ausbildungsbeihilfe in überbetrieblicher Lehre
Debattiert wurde zudem über eine weitere Initiative der SPÖ, in dem sich die Antragsteller:innen für die finanzielle Gleichstellung von Lehrlingen, die sich in überbetrieblichen Ausbildungsstätten befinden, und jenen, die in Betrieben arbeiten, einsetzen (3728/A(E) ). Denn während Lehrlinge im Metallgewerbe oder im Handel im ersten Lehrjahr 800 € verdienen, würde sich die Ausbildungsbeihilfe, die in der überbetrieblichen Lehre statt eines Einkommens ausbezahlt wird, im ersten und zweiten Lehrjahr nur auf 372,60 € belaufen, zeigte Verena Nussbaum (SPÖ) auf.
SPÖ für Rechtsanspruch auf Freistellung für Einsatzkräfte im Katastrophenschutz
Ebenso mehrheitlich vertagt wurde das Verlangen der SPÖ, Arbeitnehmer:innen für ihre Tätigkeit für Katastrophenhilfsorganisationen, Rettungsdienste oder freiwillige Feuerwehren einen Rechtsanspruch auf Entgeltfortzahlung zu gewähren (2042/A(E) ). Nur so würde die Hilfe, die diese Menschen leisten, außer Streit gestellt und von der Zustimmung des Arbeitgebers oder der Arbeitgeberin unabhängig gemacht. Auch eine pauschale Abgeltung etwaiger Verdienstausfälle von Selbstständigen aufgrund ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit sollte geschaffen werden. Vor allem die Auswirkungen des Klimawandels und die immer öfter auftretenden Extremwetterereignisse würden für eine solche Maßnahme sprechen, zeigte sich Josef Muchitsch (SPÖ) überzeugt.
Die Ehrenamtlichen würden Unglaubliches leisten, meinte Abgeordneter Laurenz Pöttinger (ÖVP), der aber an der geltenden Rechtslage nichts ändern wollte.
NEOS für degressives Arbeitslosengeld und zeitliche Befristung
Nach Meinung der NEOS entspricht die finanzielle Unterstützung arbeitsloser Menschen in Österreich nicht europäischen Standards. Vor allem, dass die Höhe des Arbeitslosengeldes weitgehend konstant bleibe und es keine zeitliche Begrenzung für den Bezug von Notstandshilfe gebe, ist Abgeordnetem Gerald Loacker ein Dorn im Auge. Er forderte daher in einem Entschließungsantrag eine umfassende Reform (3910/A(E) ).
Konkret schlug Loacker vor, Arbeitslosengeld und Notstandshilfe zusammenzuführen und die gewährten Leistungen mit fortlaufender Dauer der Arbeitslosigkeit zu reduzieren, um Arbeitslose stärker zur Annahme eines Jobs zu animieren. Dabei könnte die Ersatzrate zu Beginn der Arbeitslosigkeit seiner Meinung nach durchaus auch etwas höher sein als die derzeitigen 55 %, wobei es Vorkehrungen bräuchte, um unerwünschte „Mitnahmeeffekte“ – etwa bei kurzen wiederkehrenden Phasen von Arbeitslosigkeit – zu verhindern. Zudem drängte Loacker darauf, Bezieher:innen von Arbeitslosengeld nach einer bestimmten Zeitspanne in die Sozialhilfe überzuführen.
Schon jetzt würde das durchschnittliche Arbeitslosengeld in der Höhe von 1.091 € um 300 € unter der Armutsgrenze liegen, gab Abgeordnete Verena Nussbaum (SPÖ) zu bedenken. Sie schlug vielmehr eine Erhöhung der Nettoersatzrate auf 70 % sowie deren Valorisierung vor.
NEOS wollen Bildungskarenz beschränken
Ein weiterer Entschließungsantrag der NEOS zielte auf eine Einschränkung der Bildungskarenz ab (3397/A(E) ). Basierend auf Empfehlungen des Rechnungshofs sollten die Mittel der Arbeitslosenversicherung gezielt und messbar zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen jener Personengruppen eingesetzt werden, die auf dem Arbeitsmarkt Risikogruppen darstellen würden, verlangte er. Derzeit würden in hohem Maß überdurchschnittlich gut ausgebildete Personen und sehr junge Menschen vom Weiterbildungsgeld profitieren. Die Bildungskarenz würde zudem bereits in mehr als der Hälfte der Fälle dazu in Anspruch genommen, um die Elternkarenz zu verlängern. Die Kosten für diese Maßnahme haben sich laut Loacker im Jahr 2021 auf insgesamt 30 Mio. € bzw. 4 % der Beitragseinnahmen des AMS belaufen.
Auch ÖVP-Abgeordnete Tanja Graf (ÖVP) plädierte dafür, die Ergebnisse des Rechnungshofs bezüglich der Bildungskarenz ernst zu nehmen. So sei es auffällig, dass ein Viertel der Personen nach der Bildungskarenz weder in den ursprünglichen Job zurückkehre noch eine andere Beschäftigung aufnehmen würde.
Verena Nussbaum (SPÖ) hielt den Kritiker:innen an der Bildungskarenz entgegen, dass es keinen Rechtsanspruch darauf gebe und dass auch der Arbeitgeber zustimmen müsse. Es brauche eine Weiterentwicklung des Instruments, um zu garantieren, dass sich diese Maßnahme auch Arbeitnehmer:innen mit geringeren Löhnen leisten könnten.
Eine ähnliche Position vertrat Dagmar Belakowitsch (FPÖ), die sich die Einführung eines Sockelbetrags vorstellen konnte.
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) wies darauf hin, dass drei Viertel jener Personen, die Bildungskarenz in Anspruch nehmen, keine Akadamiker:innen seien.
FPÖ fordert gesetzliche Verankerung des 13. und 14. Monatsgehalts
In Zeiten der Teuerung seien das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld für viele Beschäftigte zum unverzichtbaren Bestandteil ihrer finanziellen Basis geworden, argumentierten die Freiheitlichen. Anspruch, Höhe und Fälligkeit dieser Sonderzahlungen seien aber in Kollektiv- oder Einzelarbeitsverträgen geregelt. Dagmar Belakowitsch (FPÖ) sprach sich daher dafür aus, das 13. und 14. Monatsgehalt für all jene Bereiche, in denen es noch nicht durch einen Kollektivvertrag verankert ist, gesetzlich sicherzustellen (3859/A(E) ).
Abgeordneter Ralph Schallmeiner (Grüne) unterstützte das Anliegen, sah aber die Gewerkschaften in dieser Frage gefordert.
FPÖ für Tourismuskasse analog zur Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse
Die Freiheitlichen griffen schließlich in einem Entschließungsantrag eine Forderung der Dienstleistungsgewerkschaft Vida aus dem Jahr 2021 für eine Tourismuskasse auf, der nach wie vor auf Umsetzung warte (3818/A(E) ). Gefordert wird eine Urlaubs- und Abfertigungskasse für Beschäftigte im Tourismus analog zur Baubranche. Damit würden einerseits die Betriebe von offenen Urlaubsansprüchen und Rückstellungen entlastet werden. Andererseits würden auch die Arbeitnehmer:innen profitieren, weil ihre Ansprüche bei mehrfachem Arbeitgeber:innenwechsel dennoch gesichert wären.
Corona-Sonderbetreuungszeit kostete rund 37,63 Mio. €
Mit den Stimmen von ÖVP und Grünen wurde ein Bericht aus dem Arbeitsministerium zur Kenntnis genommen, der die Ausgaben für die sogenannte Corona-Sonderbetreuungszeit bis zum Jänner 2024 darstellt (III-1126 d.B. ). Für Eltern, die ihre Kinder coronabedingt zu Hause betreuen mussten, wurde mit Beginn der Pandemie Mitte März 2020 das Instrument der Sonderbetreuungszeit geschaffen. Die Betroffenen konnten damit von der Arbeit freigestellt werden, der Bund ersetzte den Arbeitgeber:innen die Lohnkosten.
Der Bericht des Arbeitsministers bis Ende Dezember 2023 zeigt, dass für die Corona-Sonderbetreuungszeit insgesamt rund 37,63 Mio. € aufgewendet wurden. Auch über die Kosten für die pandemiebedingte Freistellung von Schwangeren, die von 1. Jänner 2020 bis 30. Juni 2022 möglich war, wird im Bericht Auskunft gegeben. Der Bund hat den Krankenversicherungsträgern bis Mai 2023 insgesamt rund 58,16 Mio. € refundiert. Mit Stand Ende Jänner 2024 haben sich die Zahlen nicht verändert. Der Bericht gilt als enderledigt. (Fortsetzung Sozialausschuss) sue
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