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Bundesrat: Sozialminister Rauch will nicht am gesetzlichen Pensionsalter rütteln

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Wie sicher ist das österreichische Pensionssystem? Um diese Frage ging es heute im Bundesrat. Die SPÖ hatte eine Dringliche Anfrage an Sozialminister Johannes Rauch gerichtet und ihn dabei aufgefordert, den „Mythos“ zu entkräften, dass die staatlichen Pensionen in Gefahr seien. Das österreichische Pensionssystem ist zukunftsfit, es brauche keine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters, ist die SPÖ überzeugt.

Den anderen Parteien erschloss sich der Zweck der Dringlichen Anfrage allerdings nicht. Niemand bereite eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters vor oder habe derartiges in Planung, sagte etwa Sozialminister Johannes Rauch und sprach in diesem Sinn von einer „Scheindiskussion“. Auch die ÖVP will laut Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler nicht am gesetzlichen Pensionsalter von 65 Jahren rütteln. Gemäß NEOS-Abgeordnetem Karl-Arthur Arlamovsky hätte die Dringliche Anfrage eigentlich an die NEOS gerichtet sein müssen, diese würden als einzige Partei vor einer Unfinanzierbarkeit des Pensionssystems warnen. Seitens der FPÖ warf Andrea Michael Schartel der Regierung vor, den Wirtschaftsstandort Österreich zu gefährden.

Drei Entschließungsanträge der SPÖ fanden in namentlicher Abstimmung keine Mehrheit. Sie hatten unter anderem die Wiedereinführung der sogenannten „Hacklerregelung“, die Abschaffung der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung, die Einführung einer dauerhaften Inflations-Schutzklausel für Pensionskontogutschriften, eine verbesserte Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Pension und eine Personaloffensive in den Bereichen Gesundheit, Kinderbildung und Pflege zum Ziel. Bei 58 abgegebenen Stimmen stimmten jeweils 31 Bundesrät:innen gegen die Anträge und 27 dafür. Dass gerade die SPÖ-Fraktionsvorsitzende Korinna Schumann für eine Wiedereinführung der Hacklerregelung plädierte, irritierte den Grünen-Bundesrat Marco Schreuder: Davon würden hauptsächlich Männer mit überdurchschnittlich hohen Pensionen profitieren, während der als Ersatz für die Hacklerregelung eingeführte Frühstarterbonus Frauen und Männern gleichermaßen zugutekomme, erklärte er.

Schumann: Staatliches Pensionssystem ist zukunftsfit

Schumann hatte zuvor die Dringliche Anfrage begründet. Der SPÖ gehe es darum, „gegen die Verunsicherung zu arbeiten“, sagte sie. Viele junge Menschen seien überzeugt, dass sie im Alter keine Pensionen mehr erhalten werden. Schumann hält es aber für nicht angebracht, „das staatliche Pensionssystem schlechtzureden“. Die gesetzliche Pensionsversicherung sei stabil und wirtschafte mit nur einem Prozent Verwaltungskosten auch sehr ökonomisch, unterstrich sie. Private Pensionsversicherungen hätten weitaus höhere Verwaltungskosten. Wer privat vorsorgen will, solle vorsorgen, meinte Schumann, es sei jedoch notwendig, sich gegen Angstmache, was die staatlichen Pensionen betrifft, zu wehren. 

Voraussetzung für ein stabiles Pensions- und Sozialsystem sind laut Schumann allerdings Arbeitsplätze mit gutem Einkommen. In diesem Sinn hält sie eine starke Gewerkschaft für ebenso wichtig wie ein effektives Vorgehen gegen „Lohnbetrug“ und Schwarzarbeit. Auch dass viele Überstunden nicht bezahlt würden, wirkt sich ihr zufolge negativ auf das Pensionssystem aus.

Stärker hinschauen muss man Schumann zufolge auch auf Altersarmut, von der vor allem Frauen betroffen seien. Da es zu wenig Kinderbetreuungsplätze gebe, seien diese oft gezwungen, Teilzeit zu arbeiten. Es brauche außerdem eine bessere Anrechnung von Kindererziehungszeiten, betonte sie.

Weitere Forderungen der SPÖ betrafen die Übernahme der Pensionskonto-Schutzklausel ins Dauerrecht und die Abschaffung der Aliquotierung der ersten Pensionserhöhung. Dass das Ausmaß der ersten Pensionsanpassung davon abhängt, wann man seine Pension im Jahr davor angetreten hat, sei ungerecht und habe, langfristig betrachtet, hohe Pensionsverluste zur Folge, beklagte Schumann. Die Staffelung hat ihr zufolge außerdem noch einen weiteren ungerechten Aspekt: Aufgrund der sukzessiven Anhebung des Frauenpensionsalters alle sechs Monate würden Frauen in den nächsten zehn Jahren vorwiegend im zweiten Halbjahr eines Jahres in Pension gehen.

Entschieden sprach sich Schumann gegen eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters aus. Eine derartiger Schritt würde ihrer Meinung nach nur dazu führen, Leistungen aus der Pensionsversicherung durch Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu ersetzen, da viele Arbeitnehmer:innen nicht in der Lage wären, länger zu arbeiten.

Kritik übten Schumann und ihre Fraktionskollegen Horst Schachner und Günther Kovacs außerdem an der Abschaffung der Hacklerregelung. Das sei „brutal“ gegenüber vielen hart arbeitenden Menschen, sagte Schumann. Die Abschaffung führt laut Kovacs dazu, dass manche Arbeitnehmer:innen nach 47 Arbeitsjahren mit mehr als 12 % Abschlägen in Pension gehen müssten. Dass niemand an eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters auf 67 Jahre denkt, glaubt die SPÖ nicht, wobei Schachner etwa auf Aussagen von IHS-Chef Holger Bonin und Finanzminister Magnus Brunner verwies. Manfred Mertel (SPÖ/K) gab zu bedenken, dass die Aliquotierung der ersten Pensionserhöhung ein Anreiz dafür sei, früher im Jahr in Pension zu gehen.

Sozialminister Rauch ortet „Scheindiskussion“

Sozialminister Johannes Rauch betonte, dass es Ziel der Regierung sei, das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Pensionsalter heranzuführen. Niemand bereite eine Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters vor oder habe dazu etwas in Planung, meinte er. Die SPÖ führe hier eine „Scheindiskussion“.

Auch für ein „Krankjammern“ des österreichischen Pensionssystems besteht nach Meinung von Rauch kein Anlass. Er wolle das österreichische Pensionssystem gegen kein einziges in Europa tauschen, sagte er. Auch wenn es vielleicht einzelne Härten gebe, müsse man Daten und Fakten zur Kenntnis nehmen. Österreich habe im Vergleich zu anderen Ländern, insbesondere im Vergleich zu Deutschland, eine hohe Nettoersatzrate. Die Pensionsanpassungen der letzten beiden Jahre würden sich bei rund 15 % bewegen, dazu seien Einmalzahlungen gekommen. Gerade Mindestpensionist:innen hätten eine Abgeltung bekommen, die die Teuerung mehr als kompensiert habe.

Was die Zukunft betrifft, erinnerte Rauch daran, dass man schon in seinen Jugendjahren gesagt habe, er solle privat vorsorgen, weil es keine Pensionen mehr geben werde. Nun stehe er kurz vor dem Pensionsantritt. Zwar würden die staatlichen Zuschüsse ins Pensionssystem derzeit steigen, weil die „Boomer“ in Pension gehen, das sei aber nur eine vorübergehende Entwicklung. Die Spitze werde sich wieder abflachen. Für Rauch ist das gesetzliche Pensionssystem jedenfalls tauglicher als jedes kapitalgedeckte Verfahren, das von den Kapitalmärkten abhängig sei.

Eine Abschaffung der Aliquotierung der ersten Pensionsanpassung ist laut Rauch nicht geplant. Die Aliquotierung würde eine annähernd gleiche Lebenspensionsleistung für alle sicherstellen, unabhängig vom Antrittsmonat der Pension. Rauch wies zudem darauf hin, dass es vor der Einführung der Aliquotierung eine einjährige Wartefrist auf die erste Pensionserhöhung gegeben habe, die unter einer von der SPÖ geführten Regierung eingeführt worden sei.

Auch von einer dauerhaften Inflations-Schutzklausel für das Pensionskonto hält Rauch nichts. Eine solche Schutzklausel würde nicht verhindern, dass es günstigere und weniger günstige Jahre für die Aufwertung von Kontogutschriften gebe, meinte er. Zudem liege die Aufwertung des Pensionskontos im langjährigen Durchschnitt über dem Pensionsanpassungsfaktor, das derzeitige System bewirke also einen Kaufkraftzuwachs. Für Jahre mit extrem hoher Inflation könne man eine maßgeschneiderte Lösung beschließen, sagte Rauch. Ob es eine solche auch für das Jahr 2025 geben wird, ist ihm zufolge noch offen: Die Notwendigkeit dafür könne erst dann beurteilt werden, wenn Aufwertungszahl und Anpassungsfaktor für 2025 bekannt seien.

Als wichtige Maßnahmen, um das faktische Pensionsantrittsalter an das gesetzliche Pensionsalter heranzuführen, nannte Rauch unter anderem Gesundheitsprävention und Rehabilitation. So kommt ihm zufolge der Gestaltung der Arbeitsplätze entscheidende Bedeutung zu. In Bezug auf die beschlossene Abschaffung der geblockten Altersteilzeit verwies Rauch auf die Zuständigkeit von Arbeitsminister Kocher, merkte aber an, dass sich aus einer intensiven Inanspruchnahme nicht herauslesen lasse, dass eine Maßnahme erfolgreich sei. Die Schwerarbeitspension erachtet er generell für reformbedürftig.

Befragt nach seiner Meinung zu einem etwaigen Ausbau des kapitalgedeckten Pensionssystems, sagte Rauch, entscheidend sei, dass die erste Pensionssäule nicht in Frage gestellt werde. Die zweite und dritte Pensionssäule könnten nur eine Ergänzung der ersten Säule sein.

ÖVP wirbt für automatisches Pensionssplitting

Seitens der ÖVP warf die Salzburger Bundesrätin Andrea Eder-Gitschthaler der SPÖ vor, mit ihrem „Negativ Campaigning“ zur Verunsicherung der Bevölkerung beizutragen statt dieser entgegenzutreten. Die Regierung habe enorm viel für die Pensionist:innen getan, bekräftigte sie. So seien die Pensionen zuletzt um 9,7 % erhöht worden. Dazu komme die Abschaffung der kalten Progression und die Valorisierung des Pflegegelds.

Von einer Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters hält auch Eder-Gitschthaler nichts. Um Altersarmut von Frauen entgegenzuwirken, wäre ihrer Meinung nach ein automatisches Pensionssplitting ein probates Mittel. Dafür werde die ÖVP weiter eintreten, betonte sie. Zudem plädierte sie dafür, Arbeiten im Alter attraktiver zu machen, etwa durch einen Steuerabsetzbetrag für Personen, die in der Pension weiterarbeiten.

Ausdrücklich wiesen sowohl Eder-Gitschthaler als auch ihr oberösterreichischer Fraktionskollege Franz Ebner auf die Leistungen der älteren Generation für die Gesellschaft hin. Senior:innen seien nicht nur ein Wirtschaftsfaktor, sondern auch ein „Schatz für die Gesellschaft“, betonte Ebner und hob nicht nur die vielfache Unterstützung von Senior:innen bei der Kinderbetreuung sondern auch ihr Engagement in Vereinen hervor. Ebner zufolge werden die Kosten für die Pensionen außerdem falsch dargestellt, da Teile der staatlichen Zuschüsse über Steuern wieder ins Budget zurückfließen.

FPÖ sieht Wirtschaftsstandort gefährdet

Die steirische FPÖ-Bundesrätin Andrea Michaela Schartel betonte, dass eine funktionierende Wirtschafts-, Arbeits- und Berufswelt Voraussetzung für ein stabiles Pensionssystem sei. Die Politik der letzten Jahre war ihrer Ansicht nach aber nicht dazu angetan, den Wirtschaftsstandort Österreich zu stärken. So sei es in Folge der auch von der SPÖ mitgetragenen Corona-Politik zu vielen Insolvenzen gekommen. Auch „der Hass auf die Autofahrer“ gefährdet ihr zufolge Arbeitsplätze. Zur Pensionsaliquotierung merkte Schartel an, die Feststellung, dass ein Gesetz nicht verfassungswidrig sei, bedeute nicht, dass dieses gerecht sei. Man könnte die Aliquotierung auch ohne Gebot des VfGH abschaffen. Der SPÖ hielt sie vor, bei der Dringlichen Anfrage handle es sich mehr um eine Aktuelle Aussprache.

Grüne: Frühstarterbonus bringt Frauen deutlich mehr als Hacklerregelung

Auch Marco Schreuder (Grüne/W) zog die Sinnhaftigkeit der Dringlichen Anfrage in Zweifel. Die SPÖ suggeriere damit, dass die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters ein politisches Thema sei, was aber nicht stimme, erklärte er. Die einzige, „die das Thema aufmache“, sei die SPÖ selbst. Es werde ein Widerspruch konstruiert, wo es keinen Widerspruch gebe. Schreuder vermutet, dass es der SPÖ nicht um seriöse Politik, sondern in Wahrheit um Wahlkampf geht.

Die Grünen werden einer Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters jedenfalls nicht zustimmen, versicherte Schreuder, wobei er zwei Gründe nannte, warum eine solche Maßnahme „unvernünftig“ wäre. So würde eine Anhebung des Pensionsalters das System nicht verbilligen, sondern verteuern, da die Pensionsansprüche steigen würden. Zudem sei ein Ausbau des kapitalgedeckten Pensionssystems keine adäquate Alternative: „Glücksspiel“ sei keine Pensionsabsicherung, meinte er.

Irritiert zeigte sich Schreuder über die Forderung von Schumann, die „Hacklerregelung“ wieder einzuführen. Davon würden vor allem Männer profitieren, noch dazu jene, deren Pension ohnehin mehr als doppelt so hoch sei wie die Durchschnittspension, skizzierte er. Ihnen wolle Schumann zusätzlich aus Steuergeldern 300 € im Monat „schenken“. Das sei Frauen gegenüber diskriminierend. Der als Ersatz für die Hacklerregelung eingeführte Frühstarterbonus komme hingegen sowohl Frauen als auch Männern zugute und sei damit weitaus gerechter.

NEOS: Pensionen sind nicht sicher

Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) meinte in Richtung SPÖ, eigentlich müssten die NEOS – und nicht die Regierung – Adressaten der Dringlichen Anfrage sein. Sie seien die einzige Partei, die regelmäßig darauf hinweise, dass die Pensionen nicht sicher seien, betonte er. Die Belastung des Budgets durch Pensionsleistungen steige von Jahr zu Jahr, nicht zuletzt durch jährliche „Pensionsvergünstigungen“. Die durchschnittliche Pensionsbezugsdauer liegt Arlamovsky zufolge in Österreich außerdem deutlich über dem OECD-Schnitt, auch weil es eine enorme Schere zwischen faktischem und gesetzlichem Pensionsalter gebe. Bei seiner Kritik berief sich Arlamovsky überdies auf einen Bericht des Rechnungshofs. (Fortsetzung Bundesrat) gs

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