Fotostrecke zu „Schock-Video“ von Jugendlichen verletzt Ehrenkodex | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Fotostrecke zu „Schock-Video“ von Jugendlichen verletzt Ehrenkodex

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Nach Auffassung des Senats 3 des Presserats verstößt der Beitrag „Schock-Video: Mädchen-Gang quält 13-Jährige stundenlang“, erschienen am 27.10.2023 auf „oe24.at“, gegen die Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex für die österreichische Presse.

Im oben genannten Beitrag wird von unfassbaren Szenen berichtet, die sich im deutschen Neubrandenburg abgespielt haben: Eine 13-jährige Schülerin werde von mehreren Mädchen stundenlang terrorisiert und gequält. Die Täterinnen hätten das Martyrium sogar mit dem Handy aufgenommen. Anschließend wird ausgeführt, dass die 13-Jährige an den Haaren gezogen, getreten und in den Schwitzkasten genommen, schließlich auch noch mit Fäusten zu Boden gebracht worden sei; eine der Täterinnen habe auch die Stirn der Schülerin beschmiert.

Dem Beitrag wurden zahlreiche Bilder aus dem Video beigefügt, das mit einem Handy aufgenommen wurde. Darin ist zu sehen, wie das Opfer von den Tatverdächtigen misshandelt wird; die 13-Jährige liegt dabei am Boden, auf einem der Fotos wird sie von zwei Personen in eine Pfütze gedrückt. Die Gesichter und Oberkörper der Abgebildeten sind verpixelt.

Eine Leserin kritisierte, dass die Veröffentlichung der Bildausschnitte aus dem Gewaltvideo zu Nachahmungstaten anregen könnte. Die Medieninhaberin nahm nicht am Verfahren teil.

Der Senat merkt zunächst an, dass eine Diskussion über brutale Gewalt im öffentlichen Raum von Interesse für die Allgemeinheit ist. Außerdem gehört es zur Aufgabe der Medien, die virale Verbreitung solcher Gewaltvideos kritisch zu hinterfragen. Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der Persönlichkeitsschutz von Gewaltopfern missachtet werden darf, insbesondere wenn es sich bei den Opfern um Kinder und Jugendliche handelt (siehe die Punkte 6.2, 6.3 sowie 5.4 des Ehrenkodex). Der Senat weist auch noch darauf hin, dass die Medieninhaberin wegen der Veröffentlichung ähnlicher Gewaltvideos von Jugendlichen schon mehrmals vom Presserat gerügt wurde.

Die Veröffentlichung des vorliegenden Bildmaterials verletzt die Persönlichkeitssphäre der 13-Jährigen eklatant: Auf den Fotos wird das Opfer gezeigt, wie es von den Täterinnen brutal niedergeschlagen und misshandelt wird; als besonders entwürdigend wertet der Senat das Foto, auf dem das Opfer zu sehen ist, wie es in einer Pfütze liegt. Der Senat berücksichtigt zwar, dass im vorliegenden Beitrag lediglich Bildausschnitte bzw. nicht das gesamte Video veröffentlicht wurde, allerdings lässt die Vielzahl der Fotos unmittelbare Rückschlüsse auf den Tatverlauf zu bzw. wird der Vorfall dadurch ebenfalls in all seinen Einzelheiten dargestellt. Der Senat bewertet die durch die Veröffentlichung der zahlreichen Bilder vermittelte Grausamkeit gegenüber der 13-Jährigen als verstörend und erschütternd.

Dabei spielt es grundsätzlich auch keine Rolle, dass die Gesichter bzw. Oberkörper der Beteiligten auf den Fotos großflächig verpixelt wurden. Für die nahen Angehörigen und Bekannten sind die Abgebildeten bereits aufgrund des drastischen Vorfalls und der Begleitumstände identifizierbar. Zudem ist es auch nicht von Belang, ob das brutale Video zuvor in den sozialen Medien veröffentlicht wurde: Eine Redaktion muss eigenständig darüber entscheiden, ob Bildmaterial persönlichkeitsverletzend ist. Die Verbreitung des Gewaltvideos auf anderen Kanälen rechtfertigt es prinzipiell nicht, derart verstörende Bilder zu übernehmen.

Im Sinne der bisherigen Entscheidungspraxis stellt der Senat daher einen Verstoß gegen die Punkte 5 und 6 des Ehrenkodex fest (Persönlichkeitsschutz; Intimsphäre). Die Medieninhaberin von „oe24.at“ wird aufgefordert, freiwillig über den Ethikverstoß zu berichten. Zudem empfiehlt der Senat eine Entfernung des Bildmaterials aus dem Artikel (vgl. Punkt 2.4 des Ehrenkodex).

 

SELBSTÄNDIGES VERFAHREN AUFGRUND EINER MITTEILUNG EINER LESERIN

Der Presserat ist ein Verein, der sich für verantwortungsvollen Journalismus einsetzt und dem die wichtigsten Journalisten- und Verlegerverbände Österreichs angehören. Die Mitglieder der Senate des Presserats sind weisungsfrei und unabhängig.

Im vorliegenden Fall führte der Senat 3 des Presserats aufgrund einer Mitteilung einer Leserin ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob eine Veröffentlichung den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat von der Möglichkeit, am Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht.

Die Medieninhaberin von „oe24.at“ hat die Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats anerkannt.

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