MAK zeigt „TRANSMEDIALE 1900. Eine Intervention der Angewandten in der Schausammlung des MAK“
Die derzeitige MAK Schausammlung Wien 1900 mit ihren facettenreichen Exponaten aus Design und Kunstgewerbe steht im Zentrum der Intervention "TRANSMEDIALE 1900" (13.3.–20.10.2024). Studierende der Klasse Transmediale Kunst an der Universität für angewandte Kunst Wien (Leitung: Jakob Lena Knebl) beschäftigten sich intensiv mit den Exponaten der vielschichtigen Kulturepoche zwischen 1890 und 1938 und reagierten auf Objekte der Arts-and-Crafts-Bewegung, der Wiener Werkstätte oder Interieurs von Adolf Loos und Margarete Schütte-Lihotzky. Ihre durch die Sammlung inspirierten Ideen und kritischen Zugänge finden Ausdruck in Keramiken, Zeichnungen, Textilarbeiten, Musikstücken oder Installationen. Mit 17 temporären Interventionen in den Schausammlungsräumen lassen sie neue Assoziationen zur Wiener Moderne entstehen, während das Team des MAK die Neuaufstellung der Sammlungsräume vorbereitet, die 2025 eröffnet werden.
Jede der gezeigten Arbeiten interpretiert und transformiert ein spezifisches Element aus dem Umfeld der bahnbrechenden Entwicklungen in Wien um 1900 auf individuelle Weise. Dabei werden unterschiedliche Medien, Techniken und Konzepte verwendet, um zeitgenössische Perspektiven auf die historischen Kontexte zu werfen. Themen wie Transformation, Erinnerung, Technologiewandel, Geschlechterrollen und grundlegende gesellschaftliche Veränderungen werden durch vielfältige Ausdrucksmittel reflektiert.
Ein spezielles Leitsystem in Form von transparenten, neongrünen Monogrammen, das von Maximilian Prag in Referenz auf Typografie-Entwürfe der Zeit um 1900 entwickelt wurde, hebt jede künstlerische Position individuell hervor.
Interventionen in der MAK Schausammlung Wien 1900
Cristian Anutoius Arbeit "extrusion" bezieht sich direkt auf ein 1925 von Margarete Schütte-Lihotzky für Karoline Neubacher entworfenes Wohnschlafzimmer. Die von Holz dominierte Raumgestaltung dient als Ausgangspunkt. Anutoiu fügt dem Interieur ein Objekt hinzu, das den Raum verlebendigt und ihm eine gewisse Mystik verleiht.
Julius Anatol Biswurms Soundarbeit "Decaying Resonance" reagiert unmittelbar auf einen Ladenschrank von Eduard Josef Wimmer-Wisgrill aus dem Jahr 1908. Die Komposition orientiert sich am treppenförmigen Aufbau des Möbels und setzt die Variation eines Motivs ein. Natürliche Geräuschwelten kontrastieren mit der Handwerkskunst und dem abstrakten Charakter des Möbelentwurfs.
Francesca Centonze präsentiert ein weiches, in blauen Samt gehülltes, fast sechs Meter langes Raumobjekt in Form einer Sitz-Skulptur: "Uvula". Die unkonventionelle Gestaltung findet ihre Inspiration im Gaumen-Zäpfchen. Als Muskel markiert es einen Übergang im Körper – sowohl physisch als auch sprachlich. Ähnlich fungiert das organische Objekt als eine Art Schwelle zwischen angewandter (man darf darauf Platz nehmen) und bildender Kunst.
Unter Bezugnahme auf die zentrale Bedeutung der Keramikgestaltung für die Wiener Werkstätte entwirft CERAMIC GOONZ in "step by step" ein personalisiertes Teeservice aus Ton. Der Künstler nutzt eine unkomplizierte „Würschteltechnik“. Der Fokus der Arbeit liegt auf der Erforschung kreativer Prozesse, die innere Befriedigung und intuitive Gestaltungselemente einschließen.
Patrícia Chamrazovás Arbeit "Vienna 2023" reflektiert die Veränderungen unserer Welt durch Technologien wie Augmented Reality. Die Künstlerin nimmt Bezug auf ausgewählte Sammlungsobjekte und verändert sie durch animierte 3D-Scans. Die Arbeit spielt mit der Ästhetik des frühen 20. Jahrhunderts und verbindet sie mit heutiger Technologie.
Josepha Edbauers Arbeit "trauriger Kunststoffstuhl" ersetzt ein bestehendes Ausstellungsobjekt durch den weltweit verbreiteten Kunststoffstuhl Monobloc. Die Künstlerin lässt den Stuhl in sich zusammenfallen, als Kommentar zur Tatsache, dass die Geschichte der Wiener Moderne im Museum mit dem „Anschluss“ Österreichs an Hitler-Deutschland endet und die nationalsozialistischen Verstrickungen einiger Protagonist*innen unerwähnt bleiben.
Sarah Glück widmet ihre Arbeit "Das sehende Auge schaut nicht weg" den jüdischen Künstlerinnen der Wiener Werkstätte, die – wie Vally Wieselthier – bevorzugt mit Keramik arbeiteten. Einige von ihnen, darunter Kitty Rix und Grete Neuwalder, wurden Opfer des NS-Regimes, mussten fliehen oder wurden ermordet. Als Denkmäler schafft die Künstlerin kleine Augenfliesen, die über die gesamte Ausstellung verteilt sind. Sie bilden ein vielfältiges Erinnerungssystem: Augen, die hinschauen, miterleben, zurückschauen und ewig Zeugnis ablegen.
Fiona Hausers Beitrag "Dear Museum of Applied Arts,…" thematisiert den Teil der Biografie von Adolf Loos, der von Verdrängung und Vergessen geprägt ist: den Kindesmissbrauch; sie vermisst in der im Jahr 2013 konzipierten Schausammlung einen entsprechenden Kommentar und ergänzt die Information, indem sie auf einem Lesepult die „Fallakte Loos“ ausstellt.
In seiner Arbeit "blurred inbetween" geht Elias Jocher von der ornamentalen Formensprache des Jugendstils aus und transformiert sie digital in zeitgenössische Objekt-Wesen. Ähnlich dem Jugendstil, der von reproduktiven und evolutionären Prozessen beeinflusst wurde, erfährt auch die digitale Realität eine kontinuierliche Erneuerung und Weiterentwicklung.
Sjeng Kessels greift äußerst subtil in ein Herrenzimmer von Adolf Loos ein. Der Künstler reagiert auf eine Serie von Reproduktionen in der Holzvertäfelung, indem er sie übermalt und künstlerisch auflädt. Die Reproduktionen werden dadurch zu eigenständigen Kunstwerken und kommentieren gleichzeitig das Gesamtsetting.
In "Have you heard of…" verhüllen die Künstlerinnen Alice Klarwein, Camilla Ruh und Marlene Stahl eine existierende Vitrine mit einem textilen Überwurf und verbergen damit teilweise die Exponate. Die Arbeit passiert vor dem Hintergrund, dass die Geschichte von Künstlerinnen von Unsichtbarkeit und der Dominanz patriarchaler Gesellschaftsstrukturen geprägt war.
Simon Kubiks Intervention "Form folgt Kosteneffizienz" besteht aus einem Arrangement von Fast-Food-Verpackungen aus Edelstahl. Es spielt auf das traditionelle Tee- oder Kaffeeservice als Symbol bürgerlicher Etikette und Inbegriff der anspruchsvollen Gestaltung der Wiener Werkstätte an und steht gleichzeitig für den zeitgenössischen Begriff von Freiheit und Individualität.
Vanessa Mazanik reflektiert in ihrer Arbeit "shape of the shape" den Einfluss der Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen in Bezug auf Begriffe wie Muster und Raster, die in Gestaltungsfragen in Wien um 1900 wesentlich waren. Der transparente Werkstoff Glas fungiert hier als Medium, das Veränderung repräsentiert, während die Glasmalerei auf die handwerkliche Tradition verweist.
Brooklyn J. Pakathis Werk "in search of…" entsteht durch die Auseinandersetzung mit historischen Dokumenten aus dem Archiv der Wiener Werkstätte, wobei Pakathi versucht, die üblichen Erzählungen zu hinterfragen und den Stimmen von Frauen, queeren Personen und der „global majority“ Sichtbarkeit zu geben.
Maximilian Prags künstlerischer Beitrag "fuck, marry, kill: art craft design" manifestiert sich in einem von ihm entworfenen Ausstellungsplakat. Der Künstler nimmt grafische Elemente, Layouts, Typografien und Sujets von Koloman Moser, dem Jugendstil und der Wiener Werkstätte als Ausgangspunkt, um nach Verbindungen zu zeitgenössischen grafischen Ausdrucksformen zu suchen.
Marian Steins und Ludwig Riegers Objekt "No.371.stl" knüpft direkt an Josef Hoffmanns Siebenkugel-Stuhl an. Das Objekt besteht aus Fragmenten des Vorbilds, die unter Verwendung verschiedener Materialien und computergestützter Fertigungstechniken hergestellt wurden. Dabei steht die Betonung der Einheit von Entwurfsprozess und Material, die ein wesentlicher Bestandteil der Wiener Werkstätte ist, oft im Konflikt mit der Immaterialität der digitalen Produktionsmethoden.
Die Video- und Soundarbeit "tavola rasa" von Iris Writze und Hsin-Yu Chou interagiert mit einem Teetisch von Edward William Godwin (um 1870). Eine Videoprojektion auf der Tischplatte schafft ein imaginäres Szenario, inspiriert von den Veränderungen im Tanz um 1900. Geräusche aus Wien und Taipeh (den Wohnorten der beiden Künstlerinnen) hinterfragen die Klanglandschaft, die uns vertraut erscheint.
Pressefotos stehen unter MAK.at/presse zum Download bereit.
Pressekonferenz
Dienstag, 12.3.2024, 10 Uhr
Wir bitten um Anmeldung unter presse@MAK.at
Eröffnung
Dienstag, 12.3.2024, 19 Uhr
Eintritt frei zur Ausstellungseröffnung
Ausstellungsort
MAK Schausammlung Wien 1900
MAK, Stubenring 5, 1010 Wien
Ausstellungsdauer
13.3.–20.10.2024
Öffnungszeiten
Di 10–21 Uhr, Mi bis So 10–18 Uhr
Konzept
Lilli Hollein, Jakob Lena Knebl
Gastkuratorinnen
Eva Chytilek, Doris Krüger, Martina Menegon
Kuratorin
Anne-Katrin Rossberg
Rahmenprogramm
Details unter MAK.at
MAK Eintritt
€ 16,50/15,50*; ermäßigt € 13,50/12,50*; jeden Dienstag 18–21 Uhr: Eintritt € 8/7,50*
Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 19
* Ticketpreis im Online-Vorverkauf
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