KI im Gesundheitswesen: Akkuratere Diagnostik durch die Umgehung der Grenzen menschlicher Fähigkeiten
Über die Chancen aber auch Grenzen künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich des Gesundheitswesens tauschten sich Mediziner:innen und Expert:innen auf Einladung von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka beim heutigen Parlamentarischen Forum aus. Keynotes kamen von Heinz Ludwig (Leiter des Wilhelminenkrebsforschungsinstituts), Johannes Huber (Außerordentlicher Professor an der Medizinischen Universität Wien), Christiane Druml (Vorsitzende der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt) und Rüdiger Stix (Honorarprofessor an der Sigmund Freud Privatuniversität). Die anschließende Podiumsdiskussion moderierte Günther Mayr, Leiter der ORF-Wissenschaft.
In seinen Eröffnungsworten betonte Parlamentsdirektor Harald Dossi in Vertretung von Nationalratsparlamentspräsident Wolfgang Sobotka, dass diesem das Thema künstliche Intelligenz und die damit verbundenen Entwicklungen ein besonderes Anliegen seien. Daher widme sich diese Veranstaltungsreihe bereits seit Mitte vergangenen Jahres der Auseinandersetzung mit Fragen rund um die Auswirkungen von künstlicher Intelligenz. Das Parlament sehe seine Aufgabe beim Thema KI vor allem bei der Frage nach der politischen und rechtlichen Regulierung, insbesondere in Bezug auf Datenschutz und Transparenz, sagte Dossi. Gerade im Gesundheitsbereich würden Fortschritte durch KI als besonders positiv gewertet. Doch je genauer man hinsehe, desto mehr ethische, rechtliche und politische Fragen würden sich auch in diesem Bereich stellen, so der Parlamentsdirektor. Das Parlamentarische Forum solle daher als Grundlage für künftige Debatten dienen.
Ludwig: Reduktion menschlicher Fehler durch KI-Systeme
Menschlicher Intellekt und Gedächtnis seinen begrenzt und bei der Vielzahl von rund 30.000 bekannten Krankheiten müssten selbstverständlich auch Fachmediziner:innen den Computer zu Rate ziehen, sagte der Leiter des Wilhelminenkrebsforschungsinstituts Heinz Ludwig in seiner Keynote "Künstliche Intelligenz in der Medizin: Fluch oder Segen?". KI solle daher insbesondere dazu beitragen, menschliche Fehler zu reduzieren, etwa bei der Verschreibung von Medikamenten, der Diagnose von Krankheiten oder bei chirurgischen Eingriffen, meinte er. Mittels KI könnten tausende Datensätze gesammelt und daraus Schlussfolgerungen entsprechend der Bedürfnisse eines bestimmten Patienten gezogen werden. Damit könne eine höhere diagnostische Sensibilität erreicht werden als je zuvor. Große Erleichterung erwarte sich Ludwig vom "Arztbrief auf Knopfdruck". Dieser werde nicht nur eine Momentaufnahme sein, da die KI auf eine Vielzahl von Daten zurückgreifen könne. Bereits jetzt könne KI mit Menschen schriftlich kommunizieren. Diese Kommunikation könne laut einer Studie mitunter sogar empathischer sein als manches persönliches Arztgespräch.
Nach seiner persönlichen Einschätzung werde KI unsere Fähigkeit revolutionieren, große Datensätze zu analysieren, und dabei frei von emotionalen Faktoren bei der Entscheidungsfindung sein. Dies werde unter anderem zur Optimierung von Diagnose und zu Verbesserungen bei der Medikamentenentwicklung führen. Zudem ermögliche KI personalisierte Therapie, reduziere Kosten und demokratisiere den Zugang zu Forschungsergebnissen und Therapie. Dennoch würden Fragen offen bleiben, beispielsweise wer die Verantwortung bei Fehlern trage und wem die Rechte an von KI geschaffenen Beiträgen gehören. Für wichtig halte Ludwig zudem das "Empowerment" von Patient:innen. Den Menschen müsse vermittelt werden, dass sie für ihre Gesundheit Verantwortung tragen und sich auch selbst über Krankheitsprävention, Selbstuntersuchung, verfügbare medizinische Eingriffe und Selbstmedikation informieren.
Huber: Unglaubliche Leistungen in der Reproduktionsmedizin
Auf das Thema "KI in der Frauengesundheit – hat die KI ein Bewusstsein?" ging Johannes Huber, Außerordentlicher Professor an der Medizinischen Universität Wien, in seiner Keynote ein. Auch Huber betonte, dass der Einsatz von KI Verbesserungen bei der Diagnostik bringe, insbesondere in jenen Bereichen, in denen derzeit oft Fehler passieren. Beispielsweise würde Eierstockkrebs in vielen Fällen erst zu spät entdeckt werden und bei der Diagnose von Brustkrebs es häufig zu falsch-positiven Ergebnissen und damit zu unnötigen Eingriffen kommen. Im Bereich der Geburtshilfe vermindere KI Fehler bei Messungen und verbessere beispielsweise auch die Möglichkeiten zur Früherkennung von Herzfehlern bei ungeborenen Kindern. In einem solchen Fall könne dann bereits vor der Geburt des Kindes alles für einen postnatalen Eingriff in die Wege geleitet werden.
Auch in der Reproduktionsmedizin habe KI bereits "Unglaubliches geleistet", sagte Huber. So könne mittels KI bestimmt werden, wann der richtige Moment für die Entnahme und Befruchtung einer Eizelle sei, denn für den Erfolg komme es dabei mitunter auf Minuten an. KI ermögliche die Schaffung optimaler Voraussetzungen und biete Möglichkeiten zur Beeinflussung der Eizelle, was allerdings ethische Fragen aufwerfe, so Huber. Weiters thematisierte er die philosophischen Fragen nach der "Wartung" von KI und ob KI ein Bewusstsein habe.
Druml: Einsatz der KI im Sinne einer patientenzentrierten Medizin
Im Vortrag von Christiane Druml standen die ethischen Aspekte des Einsatzes von künstlicher Intelligenz in der Medizin im Mittelpunkt. Die Vorsitzende der Bioethikkommission, eines im Jahr 2001 im Bundeskanzleramt eingerichteten interdisziplinären Politikberatungsgremiums, verwies dabei auf Fragestellungen, die vom Beginn des Lebens, der Reproduktionsmedizin, der Genetik bis hin zum assistierten Suizid reichen. Gerade im Gesundheitswesen sei man mit einem sehr breiten Feld an Verwendungsmöglichkeiten der KI konfrontiert, konstatierte Druml, wobei immer eine patientenzentrierte Medizin angestrebt werden müsse. Aus diesem Grund wurden auch schon eine Reihe von Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI sowohl auf internationaler (EU, UNESCO) als auch nationaler Ebene erarbeitet.
So habe etwa die Bioethikkommission Empfehlungen bezüglich des Einsatzes von "Robotern in der Pflege" sowie zum Thema "Ärztliches Handeln im Spannungsfeld von Big Data, KI und menschlicher Erfahrung" veröffentlicht. Dabei wurde unter anderem festgehalten, dass der Einsatz von KI bei erreichbarer Verbesserung des Therapieerfolges nicht nur zulässig, sondern ethisch geboten sei. Ein großer Vorteil könne darin bestehen, dass den Ärzt:innen mehr qualitative Zeit für die Patient:innen zur Verfügung stehe. Gleichzeitig müssten jedoch mögliche Quellen von Diskriminierung erkannt und verhindert werden, warnte die Expertin. Auch dürfe nicht der von der Maschine errechnete Therapievorschlag alleine zu einer medizinischen Entscheidung führen. Weitere wichtige Prinzipien, die beachtet werden müssen, seien Transparenz, Erklärbarkeit, Datenschutz, gerechter Zugang und Rechtssicherheit. Die dafür notwendigen Kompetenzen müssten auch in den Curricula der medizinischen Studien sowie in den Schulen verankert werden, plädierte Druml, denn man müsse mit künstlicher Intelligenz leben lernen.
Stix sieht zahlreiche Herausforderungen im legistischen Bereich
Die Keynote von Rüdiger Stix, Honorarprofessor an der Sigmund Freud Privatuniversität, firmierte unter dem Titel: "Wer heilt, hat recht: mit AI-Tools and Weapons zwischen Kurt Gödel, Donald Trump und Konfuzius…". Nach einem historischen und philosophischen Exkurs befasste sich Stix vor allem mit dem seiner Meinung nach bestehenden globalen Wettrennen zwischen den asiatischen Technologiemächten und den USA, wo er die "Formel Eins der Medizin" verortete. Zweifellos seien Instrumente der künstlichen Intelligenz sowohl als Tools als auch als Waffen einsatzbar, betonte Stix, und das sage er als Jurist, der vor allem im Bereich Militärtechnologien gearbeitet habe. Beantworten müsse man etwa die Grundsatzfragen, wie man mit Brain-Computer-Interfaces umgehen soll und mit dem Umstand, dass man psychische Prozesse auslesen oder gar durch eine KI steuern könne. Aus legistischer Sicht sehe er vor allem Herausforderungen im Bereich der "Intellectual Property Rights" beispielsweise in Bezug auf Patientendaten, der Herstellung von bindendem Völkerrecht sowie dem Rechtsformenmissbrauch. (Fortsetzung Parlamentarisches Forum) bea/sue
HINWEIS: Fotos von dieser Veranstaltung finden Sie im Webportal des Parlaments .
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