TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Nachrüstung der Gesellschaft“, von Wolfgang Sablatnig
„Kriegsfähig“: Wenn im scheinbar neutral-friedlichen Österreich ein General dieses Wort sagt, lässt das aufhorchen. Er spricht aber nur eine Wirklichkeit aus, der sich alle stellen müssen, egal was sie von Militär und Politik halten.
Beim Bundesheer sind neue Zeiten angebrochen. Der parteilose Übergangs-Verteidigungsminister Thomas Starlinger hatte noch ungläubige Blicke geerntet, als er Milliarden für die Verteidigung forderte. Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine vor fast zwei Jahren kann es aber nicht genug sein. Die Einkaufsliste ist lang, bis hin zu Langstreckenraketen im Rahmen des „European Sky Shield“.
Dennoch gibt es Aussagen, die aufhorchen lassen – wie diese des stellvertretenden Generalstabschefs Günter Hofbauer: „Es geht darum, das Bundesheer wieder kriegsfähig zu machen“, sagte er gestern bei einer Veranstaltung des Verteidigungsministeriums. Als Planungschef arbeitet der Generalmajor seit Monaten an der Kriegsfähigkeit. Öffentlich ausgesprochen, entfalten die Worte aber mehr Wirkung.
Eine Aufrüstung der Worte? Eher eine Nachrüstung. Und der Überraschungseffekt macht deutlich, dass die neuen Zeiten in der Gesellschaft noch nicht angekommen sind. In der Ukraine herrscht Krieg, ebenso im Gazastreifen. Die Spannungen am Westbalkan nehmen zu. In Afrika kommen viele Staaten nicht zur Ruhe.
Und die Gesellschaft? Die Stichwörter lauten umfassende Landesverteidigung und geistige Landesverteidigung. Gemeint ist, dass nicht nur Militärs für die Sicherheit verantwortlich sind, sondern jede und jeder Einzelne im Land. In einem breiten Bewusstsein kommen die Krisen dieser Welt aber nur an, wenn die Houthi im Jemen als Reaktion auf den Gazakrieg die internationalen Lieferketten stören und Preise steigen.
Es braucht eine Nachrüstung der Gesellschaft. Kein „In den Krieg mit Hurra“, sondern ein realistischer Blick auf die nähere und weitere Umgebung. Niemand hat Interesse an Krieg, Spannungen und Unruhen. Vor dieser Wirklichkeit die Augen zu verschließen, vielleicht sogar mit Hinweis auf die Neutralität, vermittelt aber nur eine scheinbare und trügerische Sicherheit.
Die guten Zeiten mit der Hoffnung auf friedliche Entwicklungen allerorten sind zumindest vorläufig vorbei. Leider.
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