Mehrjähriger Finanzrahmen, Ungarn, EU-Erweiterung, Naher Osten, Ukraine: Breites Themenspektrum im EU-Hauptausschuss
Vom Mehrjährigen Finanzrahmen über die EU-Erweiterung und die Rolle Ungarns bis hin zur Lage in der Ukraine und im Gaza-Streifen, befasste sich der EU-Hauptausschuss in seiner heutigen Sitzung mit einer breiten Palette an Themen. Bundeskanzler Karl Nehammer und EU-Ministerin Karoline Edtstadler stellten sich im Vorfeld einer außerordentlichen Sitzung des Europäischen Rats den Fragen der Abgeordneten.
Für Debatten sorgte insbesondere der Mehrjährige Finanzrahmen der EU. Während Nehammer auf Ersparnisse für Österreich in der Höhe von 1,4 Mrd. € verwies, kritisierte die SPÖ die "frugale" Haltung Österreichs, die einer aktiven europäischen Politik im Wege stehe. Für die FPÖ hingegen ist der von Österreich zu leistende Beitrag immer noch zu hoch. Wie bereits in der vorangegangenen Sitzung des EU-Hauptausschusses, sprachen sich die Freiheitlichen in einem Antrag auf Stellungnahme für ein österreichisches Veto gegen die Aufstockung des Mehrjährigen Finanzrahmens aus, inklusive der geplanten Fazilität für die "Kriegspartei Ukraine". Der Antrag blieb abermals in der Minderheit.
Nehammer: Plus 10 Mrd. € für Bekämpfung illegaler Migration trägt Handschrift Österreichs
Bezüglich des Mehrjährigen Finanzrahmens der EU zeigte sich Bundeskanzler Nehammer erfreut, dass es Österreich und anderen Staaten gelungen sei, dessen Höhe von den ursprünglich veranschlagten 67 Mrd. € auf 21 Mrd. € zu senken. Für Österreich bedeute dies eine Ersparnis von 1,4 Mrd. €. Dies sei insbesondere durch Umschichtungen und eine veränderte Prioritätensetzung gelungen. Im Finanzrahmen enthalten seien nunmehr etwa die Fortsetzung der Unterstützungsleistungen für die Ukraine sowie rund 10 Mrd. € mehr für die Bekämpfung illegaler Migration, wie Nehammer Reinhold Lopatka (ÖVP) antwortete. Letztere Umschichtung trage die "eindeutige Handschrift Österreichs", das auch viele andere Länder von der Notwendigkeit weiterer Maßnahmen insbesondere im Außengrenzschutz habe überzeugen können. Zu diesem Zweck seien bereits Gelder etwa an Bulgarien geflossen, jedoch noch nicht in der Größenordnung, wie es sich Nehammer wünschen würde. Weiters gelte es nun, beschleunigte Asylverfahren an den EU-Außengrenzen und den Abschluss von Rückführungsabkommen mit Drittländern wie Tunesien und Ägypten umzusetzen sowie die Mittel für die Hilfe vor Ort beispielsweise in Jordanien und im Libanon aufzustocken, um den Migrationsdruck zu reduzieren, erklärte Nehammer.
Weniger erfreut über die Reduzierung des Mehrjährigen Finanzrahmens war Christoph Matznetter (SPÖ), für den Österreichs "frugale" Zugangsweise einer aktiven europäischen Politik im Wege steht. Auch Matznetters Fraktionskollegin Muna Duzdar, sah den Ansatz der Budget-Umschichtungen kritisch, da etwa europäische Gesundheitsprogramme, der Arbeitnehmerschutz und die Außenpolitik dadurch vernachlässigt würden. Gerade in Zeiten multipler – insbesondere außenpolitischer – Krisen, sei dies nicht wünschenswert. Duzdar regte die Initiative Österreichs in Richtung einer Finanztransaktionssteuer an, um die Eigenmittel der EU zu erhöhen. FPÖ-Abgeordnete Petra Steger sprach Nehammer hingegen dessen Glaubwürdigkeit bezüglich der Einsparungen ab, da er im Vorfeld "keinen Cent mehr für die EU" angekündigt habe. Nehammer sei bei den Verhandlungen "im Liegen umgefallen".
Debatte über die Rolle Ungarns innerhalb der EU
Hinsichtlich der Abstimmungen innerhalb der EU interessierten sich die Abgeordneten speziell für die Rolle Ungarns in diesen Prozessen. Während Christoph Matznetter (SPÖ), Michel Reimon (Grüne) und Helmut Brandstätter (NEOS) der ungarischen Regierung vorwarfen, die EU mit einer Blockadehaltung zu "erpressen", konstatierte Petra Steger (FPÖ) unter Verweis auf entsprechende Medienbeiträge den umgekehrte Fall – die EU rüste zum Wirtschaftskrieg gegen Ungarn auf, um dessen Regierung zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten zu bewegen. Bundeskanzler Nehammer vertrat keine der beiden Positionen und sprach von einer "Marketing-Strategie" Ungarns und dessen Ministerpräsidenten Viktor Orbáns. Dieser würde in einigen Fragen "martialisch" auftreten und am Ende doch dem EU-Kurs zustimmen.
EU-Ministerin Karoline Edtstadler stellte auf Nachfrage Helmut Brandstätters zudem klar, dass gegen Ungarn bereits ein Artikel-7-Verfahren zum Schutz der Grundwerte der EU laufe. Auch der sogenannte Konditionalmechanismus, der auch die Möglichkeit der Aussetzung von Zahlungen bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit beinhalte, sorge bereits für Verbesserungen.
Edtstadler über den EU-Erweiterungsprozess
Die Abgeordneten interessierten sich außerdem für den Stand des EU-Erweiterungsprozesses. Österreich stehe weiterhin dafür ein, dass es kein "fast track" Verfahren für die Ukraine geben dürfe, antwortete Edtstadler Andreas Minnich (ÖVP). Es seien die gleichen Regeln für alle anzuwenden und besonders der Westbalkan, für den sich Österreich speziell einsetze, dürfe nicht aus politischen Gründen vernachlässigt werden. Die Europäische Kommission sei gerade dabei, ein Screening für die Ukraine durchzuführen, für die der Weg in die EU ein "harter Prozess" werde. Diesen werde die Ukraine "wahrscheinlich" nicht in den nächsten zehn Jahren absolvieren können, so Edtstadler. Aus ihrer Sicht sei es auch ausgeschlossen, dass ein Land im Kriegszustand der EU beitreten könne.
Bezüglich Serbien stellte Edtstadler gegenüber Christoph Matznetter (SPÖ) und Helmut Brandstätter (NEOS) klar, dass es sich entscheiden müsse, "auf welchem Sessel es sitzen" wolle: Jenen der EU oder Russlands. Als "verwerflich" verurteilte sie die dort stattgefundenen Angriffe auf Wahlbeobachter:innen. Auch hinsichtlich des Status Bosniens müsse Bewegung eintreten, da dort seit 20 Jahren "nichts weitergeht" und bereits "Depression" in der Region hinsichtlich einer EU-Perspektive herrsche. Andernorts nehme der Erweiterungsprozess bereits Fahrt auf, berichtete Edtstadler von den Beitrittsverhandlungen mit der Republik Moldau und dem Kandidatenstatus Georgiens.
Nehammer zum Umgang mit der Lage in der Ukraine und im Nahen Osten
In fast zwei Jahren des Kriegs habe die Ukraine eine "massive Wehrhaftigkeit" bewiesen, konstatierte Bundeskanzler Nehammer. Österreich bekenne sich weiterhin zur vollen Solidarität und beteilige sich auch an Hilfsleistungen, solange diese im Einklang mit der Neutralität stünden. Die finanzielle Unterstützung sei für die Aufrechterhaltung der Funktionalität des ukrainischen Staats vorgesehen und dürfe nicht in Rüstungsgüter fließen. Missbrauchsfälle würden geahndet und die Europäische Kommission achte auf den ordnungsgemäßen Mitteleinsatz, antwortete Nehammer Christoph Matznetter (SPÖ) und Petra Steger (FPÖ). Dieser werde durch einen eigenen Ausschuss für die Friedensfazilität kontrolliert, an dem auch das österreichische Landesverteidigungsministerium beteiligt sei. Den von Helmut Brandstätter (NEOS) angesprochenen Zugriff auf russisches Vermögen bzw. auf daraus entstehende Zinseinnahmen, sah Nehammer kritisch, da solche Maßnahmen eine "klare rechtsstaatliche Grundlage" benötigten. Die Europäische Kommission befasse sich gerade mit dieser Frage.
Die österreichische Position gegenüber dem Krieg im Gaza-Streifen bleibe unverändert, führte Nehammer auf Nachfrage Carina Reiters (ÖVP) und Eva Ernst-Dziedzics (Grüne) aus: Österreich erkenne das Recht Israel auf Selbstverteidigung im Einklang mit dem Völkerrecht an. Die Befreiung der Geiseln aus der Hand der Hamas bleibe oberste Priorität. Gleichzeitig spreche sich Österreich für eine Verstärkung der Hilfslieferungen an die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen aus, solange diese nicht von der Terrororganisation Hamas missbraucht würden. Zudem verurteilte Nehammer Gewalt von Seiten israelischer Siedler "auf das Schärfste" und betonte, dass kein Weg an einer Zweistaatenlösung vorbeiführe. Auf Kritik Christoph Matznetters (SPÖ) am österreichischen Stimmverhalten gegen einen Waffenstillstand im Gaza-Streifen im Rahmen der UN-Vollversammlung verwies Nehammer auf die besondere historische Verantwortung Österreichs gegenüber Israel. Er bezeichnete es als "bemerkenswert" und "traurig", dass die internationale Völkergemeinschaft keine Resolution zustande bringe, in der "Terror auch als Terror bezeichnet" werde. (Schluss) wit
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