„dokfilm“-Premiere zum Holocaust-Gedenktag: Ernst Gossners bewegende Kinodoku „Wem erzählen?“
Wien (OTS) – „Wem erzählen?“ ist zentrale Frage und Titel der bewegenden „dokFilm“-Premiere am 28. Jänner 2024, um 23.05 Uhr in ORF 2 anlässlich des Internationalen Tags des Gedenkens an die Opfer des Holocaust (Details zum ORF-Schwerpunkt unter presse.ORF.at). Regisseur Ernst Gossner gibt in diesem vom ORF im Rahmen des Film/Fernseh-Abkommens kofinanzierten und 2018 fertiggestellten Kinodokumentarfilm fünf Überlebenden des Vernichtungslagers Mauthausen Raum, über das ihnen widerfahrene Leid zu sprechen: über Folter, Entmenschlichung und den Weg zurück ins Menschsein. Alle fünf Protagonistinnen und Protagonisten sind mittlerweile verstorben. Die Dreharbeiten zum Film fanden in Österreich, Polen, Frankreich, den USA und Israel statt.
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Das Vernichtungslager Mauthausen nahe Linz: Symbol für Schuld und Schande Nazi-Deutschlands und Österreichs, das zu diesem Zeitpunkt nominell bereits nicht mehr existent war. Mindestens 100.000 internierte Personen wurden dort ermordet. Regisseur Ernst Gossner fokussiert in seinem Film auf den Tag der Befreiung am 5. Mai 1945 durch die US-Armee. „Wem sollen wir das alles erzählen?“, war die Frage, die die Befreiten quälte. Und Gossner gibt fünf Überlebenden, die alle mittlerweile verstorben sind, Raum dazu.
Das Erzählen vom schier Unaussprechlichen war für viele der Holocaust-Überlebenden eine kaum zu bewältigende Bürde: „Die ersten 20 Jahre konnte ich nicht darüber sprechen, die zweiten 20 Jahre wollte niemand zuhören. Danach kam etwas in Bewegung“, sagt Esther Bauer, eine Zeitzeugin im Film. Ehemalige KZ-Häftlinge waren im Nachkriegs-Österreich nicht eben gern gesehen. Wie war die Welt, in die sie zurückgekommen sind? Wie haben sie die Befreiung empfunden und wie ihre Würde zurückerlangt? Und konnten sie das Vertrauen in die Menschheit wiedergewinnen? Es sind viele Fragen, die Regisseur Gossner in seinem Film aufwirft. Und wenn seine Interview-Partnerinnen und -Partner auch eine hohe Lebensfreude und Energie auszeichnet – von einem Überwinden der erlittenen Traumata kann keine Rede sein.
So schildert die Doku die Unmöglichkeit der ehemaligen Häftlinge, nach den erlittenen Gräueln noch an Gott zu glauben. „Ich lag vor dem Krematorium, aber ich betete nicht, ich wünschte es mir nur. Später sagte ich meinen Kindern die Wahrheit, dass ich seit Jahren nicht mehr an Gott geglaubt hatte. Wie könnte ich an Gott glauben?“, erzählt die Überlebende Maria Kreuzmann.
Die Begegnung mit seinen Befreiern schildert Michael Popik: „Es war als würde man seinen Vater oder Bruder wiedersehen, wir haben sie umarmt, aber sie haben uns weggestoßen, weil wir dreckig waren. Später war uns klar, dass wir so dreckig waren, aber wir packten trotzdem ihre Beine und küssten ihre Stiefel, so glücklich waren wir.“
Das Credo „nie wieder“ zieht sich als roter Faden durch Ernst Gossners Film. Zu vergessen ist für Holocaust-Überlebende eine Unmöglichkeit. So sagt einer der Zeitzeugen in der Doku: „Ich bin nicht vom Holocaust besessen, aber er ist präsent, überall, wo ich auch hingehe. Selbst wenn ich in einen Club Med gehe oder auf eine Kreuzfahrt. Für eine Minute, für eine kurze Rückblende, ist er wieder in meinem Leben, wenn ich realisiere, dass meine Mutter und mein kleiner Bruder in den Gaskammern starben, nicht nur sie, sondern auch Tausende andere.“
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