Innenausschuss: Minister Karner wertet EU-Asylreform als „konstruktiv positiv“
Bei einer Aussprache über aktuelle Fragen aus dem Arbeitsbereich des Innenausschusses des Nationalrats zeigte sich Innenminister Gerhard Karner gegenüber der Einigung zum EU-Asyl- und Migrationspaket "vorsichtig optimistisch". Themen bei der Ministeraussprache waren außerdem die sich gegenwärtig häufenden Kriminalitätsformen wie Cyberkriminalität und Hassverbrechen sowie der Bedarf an neuen Polizist:innen.
Die zur Debatte stehenden Anträge der Oppositionsparteien wurden von ÖVP und Grünen mehrheitlich vertagt. Das betrifft die SPÖ-Anträge zu vorurteilsmotivierten Hassverbrechen, die Anträge der NEOS zu Maßnahmen gegen Extremismus sowie die FPÖ-Initiative zu einer früheren Vorlage des jährlichen Sicherheitsberichts.
Neuerungen im EU-Asylsystem
Von ÖVP-Mandatar Andreas Minnich (ÖVP) wurde der Innenminister auf die jüngeren sicherheitsrelevanten Initiativen auf EU-Ebene angesprochen. Karner erinnerte an die für die Ukraine-Vertriebenen erstmals in Kraft getretene Richtlinie für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Fall eines Massenzustroms und hob den Beschluss über die gemeinsame Finanzierung des EU-Außengrenzschutzes als Schwerpunkt hervor. Dieser sei auch ein wesentlicher Akzent für das EU-Asyl- und Migrationspaket gewesen, meinte er. Dieses sehe einen robusten Außengrenzschutz, Verfahren an den Außengrenzen sowie die Zusammenarbeit mit sicheren Drittstaaten vor. Die politische Einigung sieht Karner trotz Kritik "vorsichtig optimistisch" und "konstruktiv positiv", um einen Schritt weiterzukommen, das EU-Asylwesen nicht zu überfordern, wie er sagte. Um EU-Asylverfahren außerhalb der Union nach EU-Standards durchzuführen gebe es derzeit zwar laut Karner noch keine rechtlichen Möglichkeiten, aber entsprechende Initiativen. Diese sollten seiner Meinung nach vorangetrieben werden.
Faika El-Nagashi (Grüne) sprach ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs an, wonach geschlechterspezifische Gewalt als Flucht- bzw. Schutzgrund gelten könne. Laut einem Ressortexperten sei der EuGH-Entscheid bereits in der Verwaltungspraxis abgebildet, es komme aber ohnehin zu Einzelfallprüfungen. Karner warnte davor, das Asylsystem in seiner Gesamtheit zu überfordern. Immerhin müsse es das Ziel bleiben, jenen Schutz gewähren zu können, die diesen brauchen, sagte er.
In Zusammenhang mit der Asyldebatte kam auch das Thema Schengen zur Sprache. Österreich sei "massiv" von illegaler Migration betroffen, sagte Karner. Er berichtete gegenüber Georg Bürstmayr (Grüne) vom EU-Vorschlag zu einem sogenannten "Air Schengen" für den Flugverkehr mit Bulgarien und Rumänien, welches den beiden Ländern wichtig wäre. Neben den Luftgrenzen sollen auch die Kontrollen an den Seegrenzen der beiden EU-Mitgliedsländer aufgehoben werden. Die Landesgrenzen müssten in Hinblick auf die Schlepperei allerdings weiter kontrolliert werden. Grundsätzlich sei ein funktionierender EU-Außengrenzschutz die einzige Möglichkeit, um die EU-Reisefreiheit wieder mit Leben zu erfüllen, sagte Karner.
Die österreichische Polizei sei an den Landesgrenzen in den letzten Jahren vor "enorme Herausforderungen" gestellt worden, meinte der Innenminister zu Maximilian Köllner (SPÖ), der die Schlepperaufgriffe im Burgenland und die Zusammenarbeit mit Ungarn thematisierte. Bei der Schleppereibekämpfung seien Erfolge gelungen, sodass sich die Schlepperrouten geändert hätten, was schließlich zu einem Rückgang der Asylantragszahlen in Österreich geführt habe, so Karner. Diese seien aber weiterhin auf einem hohen Niveau. Die eng abgestimmte Zusammenarbeit mit dem ungarischen Nachbarn sei demnach weiterhin notwendig, die Operation Fox werde ebenso weitergeführt wie Grenzpunkt- und Grenzraumkontrollen.
Kriminalitätsbekämpfung und Personaloffensive
Der in der Kriminalstatistik am stärksten im Steigen begriffene Bereich sei Cybercrime, ließ der Innenminister Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) wissen. Durch die Kriminaldienstreform mit der Einrichtung von Kriminalassistenz-Dienststellen in ganz Österreich würde ein Schwerpunkt auf dessen Bekämpfung gelegt. Auch für diese 700 Arbeitsplätze sei die von Werner Herbert (FPÖ) angesprochene Personaloffensive dringend notwendig, meinte Karner. Der Trend des steigenden Interesses am Polizeiberuf würde sich erfreulicherweise fortsetzen, lies er wissen. Erklärtes Ziel sei es, im kommenden Jahr 2.500 Polizeischüler:innen aufzunehmen. Man sei gut auf dem Weg. Angesichts der Überstundenbelastung bei der Polizei sei ein weiteres Ziel, Überstunden zu reduzieren, obwohl viele Exekutivbeamt:innen diese auch gerne leisten würden, so der Innenminister.
Auch der Pilotversuch für eine Objektschutzpolizei soll der Polizei ob der angespannten Personalsituation das Rückgrat stärken. Ab Mitte des Jahres sollen zirka 60 Bedienstete dafür eine sechsmonatige Ausbildung starten können, ließ der Minister wissen. Laut einem Ressortexperten würde es sich dabei zwar um Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes handeln, allerdings mit eingeschränktem Aufgabengebiet, ähnlich dem der Gemeindewachkörper. Grundsätzlich soll die Objektschutzpolizei für die Gefahrenabwehr und das Ersteinschreiten zuständig sein, bei weiterführenden kriminellen Handlungen würde eine Übergabe erfolgen. SPÖ-Abgeordneter Reinhold Einwallner hatte sich danach erkundigt.
Mit der Reform des Staatsschutzes auf Landesebene würden Akzente gesetzt, um Hassverbrechen einzudämmen, hielt der Innenminister gegenüber Faika El-Nagashi (Grüne) fest. Vorurteilskriminalität und antisemitische Vorfälle seien seit dem 7. Oktober deutlich angestiegen, sagte Karner. Diese "Zeitenwende" hätte Auswirkungen auf die Sicherheitsarchitektur weltweit, so auch auf Österreich, gehabt. Um das subjektive Sicherheitsgefühl der jüdischen Gemeinde zu erhöhen, befände man sich im stetigen Austausch. Bei Demonstrationen hätte es rund 560 Anzeigen in diesem Zusammenhang gegeben. Mario Lindner (SPÖ) wurde informiert, dass eine Vorlage des Hate-Crime-Berichts für den Sommer 2024 geplant ist, Christian Ries (FPÖ) erhielt die Auskunft, dass sich der Sicherheitsbericht für das Jahr 2022 in finaler Abstimmung befände und die aktuelle Kriminalitätsstatistik im kommenden März veröffentlicht werden soll.
Die aktuellen "Klimakleber"-Aktionen sprach Werner Herbert (FPÖ) an. Bislang habe es 777 Festnahmen in diesem Zusammenhang gegeben, erfuhr er. Die Polizei würde laut Karner strategisch vorgehen, und dort, wo es möglich ist und niemand behindert werde, nach der Devise vorgehen "Kleben und kleben lassen".
In Bezug auf das bevorstehende Wahljahr 2024 sei die von Georg Bürstmayr (Grüne) aufgeworfene Bekämpfung von Desinformation und die diesbezügliche Sensibilisierung der Bevölkerung ebenfalls Teil der polizeilichen Arbeit, so Karner. Grünen-Mandatar Bürstmayr erhielt ferner die Information, dass die Kontrollkommission für die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) bereits ihre Arbeit aufgenommen habe.
Sabine Schatz (SPÖ) erfuhr, dass die Aufarbeitung der Polizeigeschichte zwischen 1938 und 1945 in die polizeiliche Aus- und Weiterbildung einfließen werde. Die Ergebnisse würden im ersten Quartal dieses Jahres in Form einer Wanderausstellung aufbereitet werden. In Kooperation mit dem ORF gäbe es außerdem eine Dokumentation über diesen Prozess. Dietmar Keck (SPÖ) sprach sich dafür aus, an einem "Drogenhotspot" in Linz eine Videoüberwachung zu installieren. Laut Innenminister spreche nichts dagegen. Es gäbe dafür klare rechtliche Grundlagen.
Stephanie Krisper (NEOS) fragte nach Vorhaben für die restliche Legislaturperiode und konkret nach gesetzlichen Plänen hinsichtlich des Verfassungsgerichtshofs-Urteils zur Bundesbetreuungsagentur (BBU). Demnach sei die Unabhängigkeit der Rechtsberatung für Asylwerber:innen nicht hinreichend gesetzlich abgesichert, was nun laut einem Ressortexperten bis Mitte 2025 repariert werden müsse. Ebenfalls von NEOS-Abgeordneter Krisper aufgeworfen wurde die Frage nach der Bleibeperspektive für die Ukraine-Vertriebenen in Österreich. Ihr Aufenthaltsstatus sei bis Februar 2025 gesichert, erläuterte Karner. Für diejenigen, die darüber hinaus in Österreich bleiben wollen, wird es ministeriell übergreifend einiges zu klären geben, etwa Fragen zur Sozialhilfe.
SPÖ-Anträge zu vorurteilsmotivierten Hassverbrechen
Zwei SPÖ-Entschließungsanträge betreffend des kontinuierlichen Anstiegs vorurteilsmotivierter Hassverbrechen wurden von ÖVP und Grünen vertagt. Einerseits fordert die SPÖ, die vom Innenministerium verfassten Hate-Crime-Lageberichte dem Parlament als Verhandlungsgegenstand zuzuleiten. Daraus gehe etwa hervor, dass im Jahr 2022 5.865 vorurteilsmotivierte Hassverbrechen, etwa aufgrund von Weltanschauung, ethnischer Herkunft, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung, Alter oder sozialem Status, begangen worden seien (3560/A(E)). Angesichts eines "massiven Anstiegs" der Anzahl an gruppenspezifischen Hassverbrechen, insbesondere gegen LGBTIQ-Personen, sprechen sich die Sozialdemokrat:innen zudem für die Einrichtung einer entsprechenden Meldestelle aus (3491/A(E)), wie Mario Lindner (SPÖ) den Ausschussmitgliedern erläuterte. Georg Bürstmayr (Grüne) und Philipp Schrangl (FPÖ) erachten Meldestellen zu einzelnen Delikten allerdings als "ausufernd" und Johanna Jachs (ÖVP) sprach sich folglich dafür aus, den Fokus auf die Sensibilisierung bereits bestehender Ansprechstellen zu legen. Die grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Thema Hassverbrechen wurde jedoch von allen Fraktionen begrüßt.
NEOS fordern Maßnahmen gegen Extremismus
Auch drei von den NEOS eingebrachte Initiativen wurden von ÖVP und Grünen vertagt. Als nachlässig und damit "grob fahrlässig" bewertet die Oppositionspartei den bisherigen Umgang der Bundesregierung mit extremistischen Tendenzen (3674/A(E)). Im Sinne einer "wehrhaften Demokratie" gelte es, geeignete gesamtstaatlich koordinierte Maßnahmen zu setzen. So wird auf die Weiterentwicklung der 2018 präsentierten "Österreichischen Strategie Extremismusprävention und Deradikalisierung", die Vorlage eines darauf aufbauenden Nationalen Aktionsplans sowie auf konkrete Maßnahmen gegen Extremismen aller Art zu erarbeiten, gepocht. NEOS-Antragstellerin Stephanie Krisper vermisste im Ausschuss entsprechende Maßnahmen der Bundesregierung. Schon unter dem ehemaligen Innenminister Karl Nehammer habe es das Versprechen gegeben, sich verstärkt für Deradikalisierung und Extremismusprävention einzusetzen. Man warte etwa aber immer noch auf den Nationalen Aktionsplan. Dem schloss sich Sabine Schatz (SPÖ) an. Auf die Bereiche rechtsradikaler und islamistischer Extremismus gelte es ein besonderes Augenmerk zu legen. Extremismusprävention sei eine ressortübergreifende Aufgabe, bei der man in letzter Zeit viele Schwerpunkte, wie etwa eine Anlaufstelle für den Sport oder den Ausbau der Traumatherapie-Plätze, gesetzt habe, betonte Faika El-Nagashi (Grüne). Laut Eva-Maria Himmelbauer (ÖVP) tut sich in diesem Bereich "sehr Vieles", auch der Nationale Aktionsplan finde sich gerade in der Endabstimmung.
Geht es nach den NEOS, sollen zudem extremistische Strömungen im Zentrum von Schulungen und Weiterbildungen für Exekutivbeamt:innen stehen (3676/A(E)). Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen sowie aktuell die pro-palästinensischen Demonstrationen hätten aufgezeigt, dass die Polizei eine Sensibilisierung zu antisemitischen und gewaltverherrlichenden Aussagen und Handlungen brauche, betonte Stephanie Krisper (NEOS). Extremismusprävention finde bereits in allen Ausbildungsphasen statt und sei gelebte Praxis, hielten Corinna Scharzenberger (ÖVP) und Werner Herbert (FPÖ) dagegen.
Weiters sprechen sich die NEOS in einem bereits im Oktober 2021 eingebrachten Entschließungsantrag für einen Ausbau der verpflichtenden Werte- und Orientierungskurse für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte (1952/A(E)) aus. Obwohl es inzwischen zu einem Ausbau auf 24 Stunden gekommen sei, braucht es für Stephanie Krisper (NEOS) weitere Schritte zur Verlängerung auf 40 Stunden. Laut Corinna Scharzenberger (ÖVP) werden nach den verpflichtenden 24 Stunden-Kursen bereits jetzt weiterführende Kurse für Interessierte angeboten.
FPÖ für frühere Vorlage des jährlichen Sicherheitsberichts
Ein weiteres Mal von den Regierungsfraktionen auf die Wartebank geschoben wurde zudem ein Antrag der Freiheitlichen, in dem eine frühere Vorlage des jährlichen Sicherheitsberichts gefordert wird. Als Grund für die späte Veröffentlichung habe der Innenminister die späte Vorlage des Kapitels über die Tätigkeit der Strafjustiz genannt, wird im Antrag angeführt. Deshalb fordert die FPÖ, diesen Teil aus dem Sicherheitsbericht herauszulösen und als eigenständigen Bericht zu führen (2356/A). Dieser habe laut Christian Ries (FPÖ) sonst "nur noch historischen Wert". Die Vorlage eines Gesamtberichts sei durchaus sinnvoll, jedoch könne sicher noch an der zeitlichen Schraube gedreht werden, antwortete Agnes Sirkka Prammer (Grüne). Für Wolfgang Gerstl (ÖVP) würde eine Trennung des Berichts durchaus Sinn machen. Für eine dementsprechende Änderung bedürfe es aber noch genauerer Abklärung. (Schluss) fan/med
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