EU-Asylkompromiss unterminiert Europas Grundwerte
Als "Unterminierung des menschenrechtlichen Bodens, auf dem dieses Europa gebaut ist", bezeichnet die Direktorin der Diakonie Österreich, Maria Katharina Moser, die Einigung auf die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Die Chance, endlich ein solidarisches Aufnahmesystem in der EU zu schaffen, mit legalen Fluchtwegen und humanitären Korridoren, wurde neuerlich vertan.
Haftlager an den Außengrenzen
Man müsse davon ausgehen, dass in jenen Ländern an den Außengrenzen, die schon bisher überfordert waren, wie Italien und Griechenland große Haftlager entstehen. Dort werden Menschen bis zu sechs Monate festgehalten werden, die fliehen mussten und nichts verbrochen haben. „Nicht einmal auf eine Ausnahme für Kinder und Familien konnten sich die EU-Institutionen einigen“, kritisiert Diakonie Direktorin Maria Katharina Moser.
"Was wir sehen, ist mehr vom gleichen", so Moser weiter. "Der Plan der einheitlichen Grenzverfahren an den EU-Außengrenzen erinnert frappierend an das Hotspot-Modell, das seit Jahren gescheitert ist. Die EU bleibt die Antwort schuldig, warum das jetzt funktionieren sollte."
Unsichere Länder werden zu „sicheren Drittstaaten“ erklärt
Ebenfalls problematisch sieht die Diakonie die Ausweitung des Konzepts „sicherer Drittstaaten“ auf unsichere Länder, die die Genfer Flüchtlingskonvention nicht respektieren müssen. „Das wird vermutlich zu neuen menschenrechtswidrigen Deals mit autokratischen Regierungen führen“, befürchtet Moser. „Wird diese Reform umgesetzt, können Flüchtlinge ohne Prüfung ihrer Fluchtgründe in Länder abgeschoben werden, die auf dem Papier für sicher erklärt werden, es in Wahrheit aber nicht sind." Damit wäre das Menschenrecht, Asyl zu suchen, das wesentlich im Recht auf eine individuelle Prüfung eines Asylantrages besteht, für das gesamte Gebiet der EU-Geschichte, so Moser.
Wie geht es jetzt weiter?
Die EU-Institutionen werden die heutige Einigung voraussichtlich im Frühjahr formal beschließen. Die Verordnungen treten dann voraussichtlich 24 Monate danach, also ab 2026 in Kraft. Bis dahin, und mit größter Wahrscheinlichkeit auch danach, wird die Gewalt an den Außengrenzen weiter bestehen, die Staaten werden ihre illegalen Pushbacks fortsetzen und sich weiterhin nicht an das geltende europäische Recht halten. Wenn z.B. Griechenland es – wie auch bisher – nicht schafft, all die einzelnen Vor-Verfahren in einer angemessenen Zeitspanne abzuschließen, werden die Menschen aus der Haft entlassen werden und sich notgedrungen wieder auf den Weg in den Norden machen.
Für Österreich ist zu befürchten, dass sich Städte und Gemeinden in Folge dieser Reform mit einer größeren Zahl an obdachlosen und schlecht versorgten Flüchtlingen konfrontiert sehen, die noch längere Fluchtwege hinter sich haben und noch schwerer traumatisiert sind.
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