TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Politisches Familiensilber", von Peter Nindler | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Politisches Familiensilber“, von Peter Nindler

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Die Tiwag will sich sprichwörtlich nicht hineinregieren lassen. Doch als Landesunternehmen ist sie zu nahe an der Landespolitik, weshalb die Regierung nicht tatenlos zusehen kann, wie sie in den Negativstrudel der Tiwag mit hineingezogen wird. 

   Der Landesenergieversorger Tiwag und die Hypo Tirol Bank sind quasi das Familiensilber des Landes. „Passts mir auf die Hypo und die Tiwag auf“, soll der legendäre Eduard Wallnöfer auf dem Sterbebett seinen Nachfolgern als Vermächtnis mitgegeben haben. Obwohl die beiden Unternehmen operativ als Aktiengesellschaften agieren. 
   Solange die 100-Prozent-Töchter des Landes brav ihre Dividenden an das Land zahlen und keine negativen Schlagzeilen liefern, funktioniert auch die Wechselbeziehung mit der Politik reibungslos. Sie soll sich schließlich nicht einmischen. In den vergangenen eineinhalb Jahren ist die Tiwag wegen der Strompreis­debatte jedoch in einen Negativstrudel hineingeraten, der sie imagemäßig hinuntergezogen hat. Pikanterweise hat sie vor mehr als zehn Jahren mit 220 Millionen Euro die damals in Not geratene Hypo gerettet.
   Die massiven Verluste der Hypo in Italien hatten die schwarz-rote Landesregierung unter Druck gebracht. Aktiengesellschaft hin oder her: Die politische Verantwortung für die aus den Fugen geratene Wachstums-
politik der Hypo wurde eingemahnt. Mit bis zu elf Milliarden Euro musste nämlich das Land für die Hypo haften, das Risiko war enorm. Heute sind es nur noch 133,5 Mio. Euro.
   Politisch haftet die Landespolitik allerdings immer für das Familiensilber, auch wenn es die Bank- oder die Tiwag-Vorstände anders wahrhaben wollen. Aktuell leiten sich daraus jedenfalls die Auseinandersetzungen über den Landesenergieversorger ab. Eine missglückte Informationsstrategie über Strompreisanpassungen, eine komplizierte  und intransparente Vorgangsweise bei Vertragsänderungen und eine nach wie vor von oben herab empfundene bzw. bürgerferne Kraftwerkspolitik haben die Tiwag in die Defensive manövriert. Und mit ihr die schwarz-rote Landesregierung im Allgemeinen und Eigentümervertreter sowie Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) im Besonderen.
AK-Präsident Erwin Zangerl und die Opposition forderten zuletzt wiederholt ein politisches Eingreifen und erinnerten Mattle eindringlich an die soziale Verantwortung der Tiwag als Landesunternehmen. In Zeiten der Teuerung ist der Strompreis zum politischen Sprengstoff geworden. Das ergibt dann eine toxische Mischung, vor allem deshalb, weil es der Tiwag nicht gelungen ist, endlich einen positiven Drall zu erzeugen.
   Die Ausschreibung von zwei Vorständen erfolgt zwar turnusmäßig, dürfte aber für Mattle ein willkommener Befreiungsschlag sein. Mit neuen Gesichtern an der Spitze lässt sich ein in der öffentlichen Wahrnehmung negativ behaftetes Unternehmen leichter reformieren und das Familiensilber rascher aufpolieren.

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