Studie: Hohe Hürden für Geflüchtete am Arbeitsmarkt
Wie erfolgreich verläuft die Integration von Geflüchteten in den österreichischen Arbeitsmarkt? Mit dieser Frage hat sich ein großes Forschungsprojekt des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) im Auftrag der Oesterreichischen Nationalbank auseinandergesetzt. Untersucht wurde dabei, wie gut es Geflüchteten, die im Zuge der großen Flüchtlingswelle 2015 und 2016 vor allem aus Syrien, Afghanistan, Irak und Iran nach Österreich gekommen sind, im Vergleich zu anderen Migranten aus ärmeren nichteuropäischen Ländern gelungen ist, im Berufsleben Fuß zu fassen. Ausgewertet wurden dafür einerseits eine neue Datenbank der Statistik Austria zu den Erwerbsverläufen von Zuwanderern für die Jahre 2014 bis 2021 und andererseits fünf repräsentative Umfragen unter Geflüchteten, die in den Jahren 2016 bis 2022 durchgeführt wurden.
Fazit: Im Vergleich zu Menschen, die aus nicht-humanitären Gründen einwandern und fast unmittelbar nach ihrer Ankunft ins Berufsleben einsteigen, brauchen Geflüchtete knapp drei Jahre, um in Österreich einen Job zu finden. Danach schließen sie bei der Erwerbsquote zwar zu anderen Migrantengruppen auf, sie verharren jedoch länger in prekären, schlechtbezahlten Jobs. „Zurückzuführen ist das vor allem auf die strengen Zugangsbeschränkungen für Asylsuchende zum heimischen Arbeitsmarkt, die zumeist noch nicht erfolgte Anerkennung von erworbenen Bildungsabschlüssen und natürlich mangelnde Deutschkenntnisse
“, erklärt Sandra Leitner, Ökonomin am wiiw und Co-Leiterin des Forschungsprojekts. „Über längere Zeit keinen Job zu haben, beeinträchtigt natürlich auch den Erwerb der deutschen Sprache, erworbene Qualifikationen, die Psyche und die gesellschaftliche Integration von Geflüchteten, und damit wiederum ihre Fähigkeit, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen
“, so Leitner.
Gefangen im Niedriglohnsektor
Haben Geflüchtete dann eine Arbeit gefunden, ist diese zumeist im Niedriglohnsektor angesiedelt, zumeist in Form von schlechtbezahlten Jobs mit geringer Qualifikation im Dienstleistungsbereich, etwa in der Gastronomie oder als Essenszusteller. Auch wenn sowohl Geflüchtete als auch nicht-humanitäre Migranten oft dieselben schlechten Einstiegsjobs haben, verharren Geflüchtete länger im prekären Niedriglohnbereich und weisen auch eine viel kürzere Beschäftigungsdauer im jeweiligen Job auf (im Durchschnitt acht Monate versus 15 Monate bei nicht-humanitären Migranten). „Der viel spätere Einstieg in den Arbeitsmarkt, die geringe Qualität der Einstiegsjobs und das Verharren im prekären Niedriglohnsektor wirken sich negativ auf die weitere Erwerbskarriere von Geflüchteten aus
“, analysiert Michael Landesmann, Senior Research Associate am wiiw und Co-Leiter des Forschungsprojekts.
Gute Ausbildung bringt meist wenig
Auch gute Qualifikationen und hohe Bildungsabschlüsse helfen Geflüchteten im Gegensatz zu anderen Migranten wenig. Zumeist gelingt es ihnen nur sehr eingeschränkt, einen Arbeitsplatz zu finden, der ihren Qualifikationen entspricht, und wenn doch, dann nur sehr langsam. Grundsätzlich ist der Einstieg in den österreichischen Arbeitsmarkt für die meisten mit einem enormen beruflichen Abstieg gegenüber dem Herkunftsland verbunden, wobei sie diesen im weiteren Verlauf nur leicht kompensieren können. „Akademiker als Küchenhilfen oder Reinigungskräfte zu beschäftigen ist nicht nur für das Selbstvertrauen und die Berufsaussichten der Betroffenen abträglich, sondern auch volkswirtschaftlich widersinnig, weil eine Verschwendung von Humankapital und produktivem Potenzial
“, sagt Michael Landesmann.
Dabei spielt die Strategie bei der Jobsuche eine entscheidende Rolle: Setzen Geflüchtete ausschließlich auf ihre ethnische Community, ist der berufliche Abstieg gegenüber dem letzten Job im Herkunftsland oft besonders groß, was wiederum den Aufstieg in Österreich erschwert. „Wenn allerdings die Angebote des Arbeitsmarktservice (AMS) oder von Nichtregierungsorganisationen in Anspruch genommen werden, können ethnische Communities beim Finden eines angemessenen Jobs durchaus hilfreich sein
“, konstatiert Sandra Leitner.
Kompetenzcheck und Integrationsjahr können helfen
Wie die Studie zeigt, können staatliche Integrationsprogramme wie der Kompetenzcheck oder das freiwillige Integrationsjahr für den Einstieg in den Arbeitsmarkt von großem Nutzen sein. Vor allem Frauen profitieren davon offenbar besonders, was insofern bedeutsam ist, als sie im Vergleich zu Männern aufgrund von Kinderbetreuungspflichten und traditionellen Geschlechterrollen eine viel niedrigere Erwerbsbeteiligung aufweisen als männliche Geflüchtete.
Psychische Erkrankungen als großes Problem
Psychische Erkrankungen aufgrund traumatischer Flucht- und Kriegserfahrungen sowie durch Diskriminierung in Österreich stellen jedoch ein großes Hindernis bei der Arbeitsmarktintegration dar. Jeder dritte bis vierte Geflüchtete leidet unter mittleren oder schweren psychischen Störungen, die einer klinischen Behandlung bedürfen, wobei Frauen besonders häufig betroffen sind. Positiv beeinflussen die psychische Gesundheit von Geflüchteten hingegen das Zusammenleben mit dem Partner und den Kindern, eine Erwerbstätigkeit, soziale Beziehungen und eine zufriedenstellende Wohnsituation.
Leichterer Arbeitsmarktzugang und Förderung Hochqualifizierter notwendig
Das Forschungsprojekt empfiehlt vor allem einen erleichterten Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt, um Geflüchtete schneller in Beschäftigung zu bringen. Zudem werden größere Anstrengungen bei der Anerkennung von erworbenen Qualifikationen angemahnt. Außerdem wird für einen besseren Zugang zu Psychotherapie plädiert, um Kriegs- und Fluchttraumata verarbeiten zu können. Vorhandene Angebote in den Muttersprachen der Geflüchteten müssten dafür finanziell massiv aufgestockt werden. Besonderes Augenmerk sollte auch auf Maßnahmen zur Integration hochqualifizierter Geflüchteter gelegt werden, da ihr Einstieg in den Arbeitsmarkt oft besonders schlecht läuft und sich ihr Potenzial nur so wirklich nutzen lässt, gerade angesichts eines allgegenwärtigen Fachkräftemangels. Verstärkte Weiterbildungs- und Umschulungsmaßnahmen und eine echte Arbeitsmarktpolitik für Geflüchtete in Kombination mit funktionierenden staatlichen Integrationsprogrammen werden ebenfalls empfohlen.
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