Vor schrittweiser Anhebung des Frauen-Pensionsalters: Regierung muss liefern!
Die Zahlen aus der Sonderauswertung des Sozialministeriums alarmieren: Durchschnittlich jede dritte Frau wechselt nicht direkt von der Erwerbstätigkeit in die Alterspension. In der Gruppe der Arbeiterinnen ist es nur jede zweite, die direkt aus dem Job in die Pension wechselt. „Viele Frauen haben schon Schwierigkeiten, bis zum 60. Lebensjahr zu arbeiten, weil die körperliche Belastung beispielsweise in der Pflege oder in der Reinigung so hoch ist“, sagt Korinna Schumann, Vizepräsidentin und Bundesfrauenvorsitzende des ÖGB. „Wie soll sich da ein Arbeiten bis 65 ausgehen“, so Schumann weiter. Diese Situation macht deutlich, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden müssen, um Unternehmen dazu zu bewegen, ihren Mitarbeitern und gerade ihren Mitarbeiterinnen adäquate Beschäftigungsmöglichkeiten bis zum Pensionsantritt anzubieten, insbesondere vor dem Hintergrund der geplanten schrittweisen Erhöhung des Frauenpensionsalters ab 2024.
Alternsgerechtes Arbeiten
Schumann fordert in diesem Zusammenhang eine alternsgerechte Gestaltung der Arbeitsbedingungen, die durch betriebliche Gesundheitsangebote, altersadäquate Arbeitszeitmodelle, veränderte Arbeitsorganisation und den Abbau von negativen Stereotypen gegenüber älteren Beschäftigten erreicht werden kann. Schumann betont außerdem die Notwendigkeit besserer Weiterbildungsmöglichkeiten für ältere Arbeitnehmerinnen.
Sabine Neunteufl unterstreicht die Forderungen: „Es ist in eine Illusion, als Frau in den Gesundheits- und Betreuungsberufen bis 65 zu arbeiten. Dafür ist die körperliche Komponente viel zu zentral. Man kann doch nicht erwarten, dass eine 64-jährige Frau einen 100 Kilogramm schweren Mann hebt“, so die Radiologie-Technologin und Betriebsrätin. Sie fordert Umschulungsmöglichkeiten, damit betroffene Kolleginnen etwa innerbetrieblich anders eingesetzt werden können. Zudem betont Neunteufl, dass, wenn Frauen bisher 45 Jahre gearbeitet haben, sie in den überwiegenden Fällen im Alter von 60 Jahren in Pension gehen konnten. „Künftig müssen Frauen durch die Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters für Frauen auf 65 aber wohl mehr als 45 Jahre arbeiten“, sagt sie: „Zusätzlich zu dieser Belastung bekommen sie jetzt auch noch eine mentale Watschn, weil sie die Altersteilzeit, die fünf Jahre vor dem Regelpensionsalter möglich ist, erst deutlich später in Anspruch nehmen können.“ Wenn man will, dass Frauen bis 65 arbeiten, dann würden die Rahmenbedingungen stimmen müssen. Alles andere sei ein Angriff auf die Würde der Frauen.
Brigitte Giller betont, dass wechselnde Schichtarbeit eine besondere Erschwernis für Beschäftigte darstellt. „Viele Mitarbeiter:innen reichen zwar einen Antrag auf Schwerarbeitspension ein, allerdings gibt es sehr oft Absagen“, erklärt die Betriebsrätin und Montagearbeiterin und verweist auf Kolleginnen, die bei Frühschichten am Montag – nach Spätschicht am Freitag – in der Nacht davor gar nicht erst schlafen gehen, „um den Rhythmus nicht kaputtzumachen.“ Das komme häufig vor und könne für den Körper nicht gesund sein. „Wie man auf diese Weise bis 60 oder 65 arbeiten soll, ist mir ein Rätsel – ganz abgesehen von der ohnehin schon hohen körperlichen Belastung in der Industrie“, so Giller.
Bonus-Malus-System umsetzen
Gewerkschafterin Schumann unterstreicht aber, dass nicht nur die Arbeitgeber, sondern auch Politik und Gesetzgeber gefordert sind. Eine zentrale Forderung des ÖGB ist die Wiedereinführung eines Bonus-Malus-Systems für Betriebe. Dieses System sah vor, dass Unternehmen, die überdurchschnittlich viele ältere Arbeitnehmer:innen beschäftigen, einen Bonus erhalten, während solche, die unter dem Branchendurchschnitt liegen, einen Malus zahlen müssen. „Obwohl dieses System bereits im Gesetz verankert war, wurde es noch vor seiner Wirksamkeit abgeschafft“, betont ÖGB-Vizepräsidentin Schumann.
Weitere Forderungen des ÖGB beinhalten einen Rechtsanspruch auf Altersteilzeit und die Förderung der Beschäftigung älterer Arbeitnehmerinnen durch Pflegeangebote, die Stärkung der Arbeitsmarktintegration durch den Ausbau flächendeckender, leistbarer und hochqualitativer Kinderbetreuungseinrichtungen sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Langzeit- und Altersarbeitslosigkeit, einschließlich innovativer Formen von Arbeitszeitverkürzungen.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Verbesserung der Schwerarbeitspension. Dabei soll die bisherige Rahmenfrist von 120 Schwerarbeitsmonaten in den letzten 240 Kalendermonaten durch die Berücksichtigung von Schwerarbeitszeiten während des gesamten Erwerbslebens ersetzt werden, da es durchaus wahrscheinlich ist, dass man aufgrund der früher geleisteten Schwerarbeit später noch gesundheitliche Einschränkungen hat. „Es ist auch notwendig klarzustellen, dass reine Nachtarbeit – auch ohne einen Tagdienst – als Schwerarbeit anerkannt wird und es einen erleichterten Zugang für Beschäftigte in der Pflege und Betreuung in die Schwerarbeitspension gibt“, so Schumann.
Die Gewerkschafterin kritisiert das Fehlen frauenpolitischer Antworten der Regierung. Sie weist darauf hin, dass neoliberale Wirtschaftsforscher ein Anheben des Pensionsalters auf 67 befürworten, ohne dabei die aktuellen Herausforderungen zu berücksichtigen. „Es schaut so aus, als ob die Regierung entweder bewusst handelt oder es ist den Damen und Herren auf der Regierungsbank einfach völlig egal, wie es den älteren Frauen und Kindern in diesem Land geht.“ Denn würden alle Frauen bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter arbeiten, würde es zum Betreuungs- und Pflegekollaps kommen, immerhin übernehmen Frauen – aus Mangel an Pflege- und Betreuungsplätzen – oft die Betreuung der Enkelkinder und die Pflege von Angehörigen, betont Schumann und schließt: „Nur durch einen Rechtsanspruch auf Kinderbildung ab dem ersten Geburtstag des Kindes sowie einen massiven Ausbau von qualitativen und leistbaren Pflegeangeboten haben Frauen echte Wahlfreiheit und müssen sich nicht mehr zwischen Familie und Job entscheiden. Keine der Herausforderungen wird sich von selbst lösen. All das, was Schwarz-Grün jetzt nicht auf den Weg bringt, gibt man der nächsten Regierung mit.”
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