Drei neue Spezialforschungsbereiche starten in Österreich
Mehr Grundlagenwissen in der Mathematik, den Sprachwissenschaften und der Physik – der FWF richtet zum Ausbau der Spitzenforschung in Österreich drei weitere Spezialforschungsbereiche nach internationalem Maßstab ein. Die neuen Netzwerke, koordiniert von Forscher:innen der Universität Wien und der Universität Graz, werden über vier Jahre hinweg mit jeweils 3 bis 4 Millionen Euro gefördert.
Forschende zusammenbringen, Schwerpunkte vertiefen und gemeinsam neue Forschungsfelder erschließen: Die Spezialforschungsbereiche des Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF heben Synergien und bringen Forschungsnetzwerke nach internationalem Maßstab hervor. In der jüngsten Ausschreibungsrunde, finanziert mit Mitteln des Fonds Zukunft Österreich, reichten 17 Konsortien ein Konzept zur internationalen Begutachtung ein – vier davon konnten einen Vollantrag stellen, drei werden nun mit einem Fördervolumen von insgesamt 11 Millionen Euro für die nächsten vier Jahre gefördert. Zusätzlich zu den drei neuen Netzwerken beschloss der FWF die Verlängerung der Förderung von vier bestehenden Spezialforschungsbereichen F77, F78, F79, F80, die auf der FWF-Website bzw. unten näher beschrieben sind.
Neue Forschungsnetzwerke nach internationalem Maßstab
Der erste neue Spezialforschungsbereich erweitert die Grenzen der Mathematik an der Schnittstelle von Wahrscheinlichkeiten und Kombinatorik und wird vom Mathematiker Nathanael Berestycki von der Universität Wien koordiniert, Forschende der Universität Wien, der Technischen Universität Graz sowie der Technischen Universität Wien sind eng eingebunden. Der zweite Spezialforschungsbereich entwickelt eine neuartige theoretische Perspektive auf die Einbettung der Sprachfähigkeit und Grammatik natürlicher Sprachen in das kognitive System. Forschende der Universität Graz und Wien arbeiten darin eng zusammen. Der dritte Spezialforschungsbereich liegt im Bereich der Physik mit dem Ziel, die Messgenauigkeit physikalischer Methoden (Spektroskopie) zu steigern, Forschende der Universität Wien, der Technischen Universität Wien, des Institute of Science and Technology Austria sowie der Universität Würzburg sind Teil des Netzwerks.
Spezialforschungsbereiche stärken institutionenübergreifende Zusammenarbeit
Mit diesen Förderungen zielt der FWF darauf ab, exzellente Forschungsnetzwerke hervorzubringen. Österreichs Forschungsstätten erhalten die Möglichkeit, vielversprechende Forscher:innen fest zu verankern und das eigene Forschungsprofil zu schärfen. Das Arbeiten in Teams wird großgeschrieben, schließen sich doch bis zu 15 Forschende in einem Spezialforschungsbereich zusammen. Im Mittelpunkt stehen oft multi- bzw. interdisziplinär angelegte Forschungsthemen. Die Beteiligung von Forscherinnen und Nachwuchswissenschaftler:innen ist dabei ebenso ein zentrales Anliegen. Die finanziellen Mittel des Förderprogramms stammen vom Fonds Zukunft Österreich.
„Spezialforschungsbereiche führen Expertise und Wissen an Österreichs Forschungsstätten zusammen, wodurch neue Netzwerke nach internationalen Standards wachsen. Das Verknüpfen unterschiedlicher Herangehensweisen bringt nicht nur für alle Beteiligten einen Mehrwert, sondern erhöht am Ende auch den Erkenntnisgewinn“, so FWF-Präsident Christof Gattringer, der den frisch geförderten Forschenden herzlich gratuliert.
Die neuen Spezialforschungsbereiche im Überblick
Spezialforschungsbereich „Diskrete Zufallsstrukturen: Abzählung und Grenzobjekte“
Koordination: Nathanael Berestycki, Universität Wien
Forschungsnetzwerk: TU Wien (Michael Drmota, Marcin Lis, Benedikt Stufler, Fabio Toninelli), Universität Wien (Ilse Fischer, Christian Krattenthaler), TU Graz (Mihyun Kang)
Fördervolumen: 4,3 Millionen Euro / vier Jahre Laufzeit
Im Zentrum dieses Forschungsnetzwerkes stehen zufällige diskrete Strukturen, die allgegenwärtig in vielen Bereichen der modernen Mathematik, aber auch essenziell für die Beschreibung diverser Phänomene in der mathematischen Physik sind. Sie spielen zum Beispiel eine Schlüsselrolle, um Phasenübergänge zu verstehen, die physikalische Systeme bei abrupten Veränderungen durchmachen – wie Wasser beim Übergang vom flüssigen zum festen Zustand, wenn die Temperatur unter null fällt. Dazu werden in diesem Spezialforschungsbereich verschiedene zweidimensionale Modelle betrachtet, wie das berühmte Dimer Model und planare Graphen. Es werden dabei probabilistische und kombinatorische Sichtweisen vereint, um fundamentale Fragen über diese Modelle zu beantworten. Wie können sie abgezählt werden, entweder exakt oder näherungsweise? Wie kann man ihre Zufallsgeometrie unter geeigneter Skalierung verstehen? Wie kann man die faszinierende Beobachtung erklären, dass die gleichen Strukturen und Gesetzmäßigkeiten in ganz verschiedenen Kontexten immer wieder auftreten? Solche Fragen haben tiefliegende Verbindungen zur mathematischen Physik, von topologischen Phasenübergängen bis hin zur Liouville-Quantengravitation, die untersucht werden.
Spezialforschungsbereich „Sprache zwischen Redundanz und Defizienz“
Koordination: Edgar Onea Gáspár, Universität Graz
Forschungsnetzwerk: Universität Graz (Boban Arsenijević, Steffen Heidinger, Susanne Wurmbrand), Universität Wien (Daniel Büring, Dalina Kallulli, Eva-Maria Remberger, Albert Wall),
Fördervolumen: 3,8 Millionen Euro / vier Jahre Laufzeit
Sprache ist eine unserer fundamentalsten kognitiven Fähigkeiten. Der Spezialforschungsbereich entwickelt einen neuen Ansatz zur Modellierung des sprachlichen Systems. Den Ausgangspunkt bildet die Hypothese, dass der kognitive Kern der Sprachfähigkeit zwar auf logisch-symbolischen Berechnungen basiert, jedoch in ein kognitives System stochastischer Natur eingebettet ist. Als Schnittstelle zwischen der symbolischen und der stochastischen Komponente bedient sich die Grammatik der zentralen Optimierungsfaktoren Redundanz und Defizienz, die sprachlichen Operationen zugrunde liegen können und es ermöglichen, sowohl unter- als auch überspezifizierte Eingaben zu verarbeiten. Der Spezialforschungsbereich bündelt die außerordentlich starke linguistische Forschung an den Universitäten Graz und Wien und befasst sich mit einheitlich definierten, umfassenden empirischen Bereichen der Grammatik (Pronomina und Ellipse). Die Teilprojekte beleuchten, klassifizieren und modellieren diese theoretisch und empirisch unter der Perspektive der Konzepte Redundanz und Defizienz. Die zu erwartenden Erkenntnisse versprechen nicht nur ein tiefergreifendes Verständnis der grundlegenden Mechanismen des grammatischen Systems, sondern eröffnen auch neue Perspektiven für zentrale Fragestellungen der Kognitionswissenschaften hinsichtlich der Rolle der Sprache in der Kognition.
Spezialforschungsbereich „Kohärente Metrologie jenseits elektrischer Dipolübergänge (COMB.AT)“
Koordination: Oliver Heckl, Universität Wien
Forschungsnetzwerk: Technische Universität Wien (Thorsten Schumm, Andrius Baltuška), Universität Würzburg (Adriana Pálffy-Buß), Institute of Science and Technology Austria (Mikhail Lemeshko)
Fördervolumen: 3,1 Millionen Euro
Im Spezialforschungsbereich COMB.AT, einem ambitionierten Projekt in der optischen Metrologie, erforscht ein Team aus Forschenden fundamentale physikalische Konstanten auf einem bisher unerreichten Niveau der Präzision. Mit einer innovativen Methode, die Licht mit Orbitaldrehimpuls (OAM) einsetzt, zielt COMB.AT darauf ab, die Messgenauigkeit in der molekularen und nuklearen Spektroskopie zu steigern.
Diese Forschung verbindet die Expertise von führenden theoretischen und experimentellen Physiker:innen, die im Zuge des SFB gemeinsam an der Grenze des wissenschaftlichen Verständnisses arbeiten. COMB.AT konzentriert sich auf elektrisch-dipolverbotene Übergänge, die mithilfe von Licht mit OAM untersucht werden können. Das eröffnet ein neues Paradigma für die Präzisionsmessung und die Entwicklung innovativer nuklearer und molekularer Uhren.
Diese wegweisende SFB-Kooperation ermöglicht so, langfristig angelegte und interdisziplinäre Forschungsthemen zu bearbeiten, um die Grenzen der optischen Metrologie und Spektroskopie entscheidend zu erweitern und wissenschaftliche Infrastruktur für exzellente Forschung zu schaffen.
Zusätzlich zu den drei neuen Spezialforschungsbereichen verlängert der FWF die Förderung folgender bestehender Spezialforschungsbereiche um weitere vier Jahre mit einem Gesamtfördervolumen von 21,5 Millionen Euro:
Spezialforschungsbereich „Advanced Computational Design“
Koordination: Michael Wimmer, TU Wien
Forschungsnetzwerk: Technische Universität Graz, Universität Innsbruck
Spezialforschungsbereich „Stammzellenmodulation in neuronaler Entwicklung und Regeneration“
Koordination: Jürgen A. Knoblich, Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA), Österreichische Akademie der Wissenschaften
Forschungsnetzwerk: Institute of Molecular Pathology (IMP), Institute of Science and Technology Austria, Max Perutz Labs/Universität Wien, Universität Innsbruck, Medizinische Universität Wien
Spezialforschungsbereich „Gezielter Proteinabbau – von kleinen Molekülen zu komplexen Organellen“
Koordination: Sascha Martens, Universität Wien
Forschungsnetzwerk: Institute of Molecular Pathology (IMP), Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA)/ÖAW, Research Center for Molecular Medicine/ÖAW, Gregor Mendel Institut für Molekulare Pflanzenbiologie/ÖAW, Medizinische Universität Wien, Max Delbrück Center (Berlin)
Spezialforschungsbereich „RNAdeco: chemische Dekoration von RNA“
Koordination: Michael F. Jantsch, Medizinische Universität Wien
Forschungsnetzwerk: Max Perutz Labs/Universität Wien, Institute of Science and Technology Austria, Medizinische Universität Innsbruck, Universität Wien
Über die Spezialforschungsbereiche
Mit einer Spezialforschungsbereich-Förderung können 5 bis 15 Wissenschaftler:innen ein international sichtbares Forschungsnetzwerk bilden, um Forschungsfragen mehrheitlich an einem Standort zu vertiefen. Das Programm adressiert besonders multi- bzw. interdisziplinär angelegte Forschungsthemen. Forschungsstätten erhalten die Möglichkeit, mit einer SFB-Förderung exzellente Rahmenbedingungen für vielversprechende Forscher:innen zu schaffen und das eigene Forschungsprofil zu schärfen. Das Programm wird mit Mitteln des Fonds Zukunft Österreich finanziert.
Weitere Informationen
Spezialforschungsbereiche
FWF-Forschungsradar („Projektfinder“)
Österreichischer Wissenschaftsfonds FWF
Der Wissenschaftsfonds FWF ist Österreichs führende Organisation zur themenoffenen Förderung der Grundlagenforschung sowie der künstlerisch-wissenschaftlichen Forschung. In einem selektiven, internationalen Peer-Review-Verfahren fördert der FWF jene Forschenden und Ideen, die aufgrund ihrer wissenschaftlichen Qualität wegweisend sind. Die gewonnenen Erkenntnisse stärken Österreich als Forschungsnation und legen eine breite Basis, um zukünftigen gesellschaftlichen Herausforderungen besser begegnen zu können.
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