Patientenvertreterin Evelyn Groß kritisiert geplante Wirkstoffverschreibung
Die von Gesundheitsminister Johannes Rauch vorgeschlagene Implementierung der Wirkstoffverschreibung in Österreich stößt auf immer mehr Besorgnis. Nach deutlicher Kritik von renommierten Ärztinnen und Ärzten, der Österreichischen Krebshilfe und verschiedenen Interessenvertretungen schließen sich mehr und mehr Patientenorganisationen der Kritik an. Auch die Österreichische Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (ÖMCCV) äußert nun massive Bedenken. Im Zentrum der Kritik stehen die fehlende Einbindung der Patient:innen, potenzielle Risiken für die Patientensicherheit, eine Abwertung der bewährten Arzt-Patienten-Beziehung und die Befürchtung, dass ökonomische Erwägungen die Qualität der medizinischen Versorgung überlagern könnten.
Fehlende Einbindung von Patientenorganisationen
Die ÖMCCCV kritisiert, dass chronisch kranke Patientinnen und Patienten sowie Patientenorganisationen wie die ÖMCCV, Rheumalis, Rheumaliga oder PSO Austria beim aktuellen Gesetzesentwurf zur Wirkstoffverschreibung nicht eingebunden wurden. „Als Vertreter:innen der unmittelbar Betroffenen betrachten wir diese Vorgehensweise als eklatante Vernachlässigung der spezifischen Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten
“, erläutert die Präsidentin der ÖMCCV, Ing.in Evelyn Groß. Und das nicht zum ersten Mal. „Erneut werden chronisch kranke Menschen bei der Reformierung des Gesundheitssystems nicht berücksichtigt“, bekrittelt die Patientenvertreterin. Dies sei außerordentlich bedauerlich. „Wir hoffen, dass die Rolle der Patientenorganisationen in naher Zukunft aufgewertet und unsere Expertise mehr eingeholt und ernst genommen wird“, so Groß.
Risiken bei Medikamentenwechsel – Therapietreue in Gefahr
Eine konsequente und kontinuierliche Behandlung ist essenziell für den Therapieerfolg. Voraussetzung dafür ist die sogenannte Adhärenz, also die Therapietreue der Patientin oder des Patienten. „Ein Medikamentenwechsel kann zu erheblichen Unsicherheiten und möglichen Gesundheitsrisiken führen“, betont die ÖMCCV-Präsidentin. Medikamente mit identischen Wirkstoffen, aber unterschiedlichen Verpackungen oder Applikationsformen könnten Patientinnen und Patienten stark irritieren und im schlimmsten Fall zum Therapieabbruch führen. Außerdem erhöhe eine Wirkstoffverschreibung bei älteren als auch chronisch kranken Menschen, die häufig mehrere Medikamente einnehmen müssten, das Risiko von Verwechslungen. Das würde die Sicherheit und die Wirksamkeit der Behandlung gefährden.
Aufweichen der Arzt-Patienten-Beziehung
Unter Patientenvertreter:innen herrscht zudem die Befürchtung, dass durch die Wirkstoffverschreibung die langjährige Vertrauensbeziehung zwischen Ärzt:in und Patient:in untergraben wird. Es ist zudem zu befürchten, dass es bei einer Wirkstoffverschreibung durch den vermehrten Aufklärungs- oder Einschulungsbedarf auch zu längeren Wartezeiten in Apotheken kommt. Die Wahrung des Datenschutzes in der Kundenzone einer Apotheke ist auch zu hinterfragen.
Wirtschaftliche Interessen dürfen ärztliche Entscheidungen nicht aushebeln
Außerdem gibt es vonseiten der Patientenorganisationen große Bedenken, dass nicht mehr die für die Betroffenen besten Medikamente verschrieben werden könnten, sondern die finanziell günstigsten. „Wenn ökonomische Faktoren wie Kosten und Verfügbarkeit in den Vordergrund rücken, besteht die Befürchtung, dass dies zu Lasten einer patientenzentrierten Versorgung geht. Ärztliche Verordnungen müssen auf Basis individueller Patientenbedürfnisse und klinischer Evidenz getroffen werden. Durch das neue System könnten sich Ärzt:inen mehr und mehr unter Druck gesetzt fühlen, vor allem finanzielle Aspekte bei der Verschreibung zu berücksichtigen“, gibt Ing.in Evelyn Groß zu bedenken.
Weitere Stimmen von Patientenvertreter:innen:
"Als Vertretung der Psoriasis-Betroffenen in Österreich lehnen wir die Wirkstoffverschreibung entschieden ab. Wenn Apotheker:innen die Freiheit haben, Medikamente auszutauschen, wie können wir dann sicherstellen, dass unsere Patient:innen die für sie optimalen Dauertherapien erhalten? Die ärztliche Entscheidung sollte hier nicht durch wirtschaftliche Aspekte überschattet werden.
"
Friedrich Fochler, Präsident PSO Austria, Verein und Selbsthilfegruppe der durch Psoriasis betroffenen Personen in Österreich, https://psoriasis-hilfe.at
"Für junge Patientinnen und Patienten mit rheumatischen Erkrankungen und deren Familien bedeutet die Wirkstoffverschreibung eine gravierende Unsicherheit. Die Behandlung solcher Erkrankungen erfordert eine sorgfältige Abstimmung und Kontinuität in der Medikation, die nicht durch unabgestimmte Medikamentenwechsel gefährdet werden darf. Junge Patient:innen benötigen eine stabile und sichere Behandlungsgrundlage, die auf den individuellen Bedürfnissen basieren muss.
"
Karin Formanek, Leiterin RHEUMALIS, Kompetenz, Rat und Hilfe für an Rheuma erkrankte Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene und Angehörige, https://rheumalis.org
„Die Wirkstoffverschreibung stellt eine ernsthafte Bedrohung für die individuelle Patientenversorgung dar. Wir befürchten, dass ökonomische Interessen die medizinischen Entscheidungen beeinflussen könnten, was besonders für Rheumapatient:innen kritisch wäre. Die Stabilität in der Medikation ist für uns essenziell, und häufige Wechsel können zu Verunsicherung und gesundheitlichen Risiken führen.
“
Gertraud Schaffer, Präsidentin Österreichische Rheumaliga, https://rheumaliga.at
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