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Leitartikel: „Ein Geschenk für alle Klags-Treiber“

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Die gute Luft fällt Tirol auf den Kopf: Das 100er-Limit im Oberland ist tot. Rettung für die restlichen Tempobremsen und damit auch das Anti-Transit-Paket wäre auf EU-Ebene in Sicht. Vor der Wahl fehlt dem Bund noch der Mut für schärfere Grenzwerte.

Matteo Salvini wird sich die Hände reiben. Sofern den italienischen Verkehrsminister und Lega-Chef die Brenner-Transit-Problematik nach der Südtiroler Landtagswahl-Schlappe für seine Rechtsausleger-Partei noch interessiert. Dass nun aber Tirol den Luft-100er auf der Inntalautobahn im Oberland endgültig und vollumfänglich kübeln hat müssen, ist neues Wasser auf jene europäischen Justiz-Mühlen, mit welchen Salvini den Anti-Transit-Kampf hierzulande in die Knie zwingen will. Und ein unfreiwilliges Geschenk an alle Klags-Treiber.

2021 hatte die IG-Luft-Bremse im Oberland aufgrund nachhaltig verbesserter Luftwerte zumindest von Februar bis Oktober ausgedient. Noch 2022 versicherte die damals zuständige LHStv. Ingrid Felipe (Grüne), dass der 100er in den Wintermonaten dort nicht in Gefahr sei. 2023 ist das Schall und Rauch. Felipes Nachfolger als Verkehrslandesrat, René Zumtobel (SP), konnte rechtlich gar nicht anders, als das Tempolimit für Pkw jetzt abzudrehen. Die guten Luftwerte geben es einfach nicht mehr her. Das ist kein „Um­faller“, sondern konsequent. Trotzdem stimmt es nachdenklich, wenn Zumtobel gleichzeitig die ungebrochene Notwendigkeit des Luft-100ers und der „Lkw-Notwehrmaßnahmen“ gemäß Immissionsschutzgesetz auf der Unterinntal- und Brennerautobahn hervorstreicht. Auch hier werden die relevanten Luftgütegrenzwerte seit zwei Jahren unterschritten. Salvini baut in seiner Klage auf EU-Ebene darauf.

Auf die angekündigte Verschärfung der EU-Luftgüterichtlinie zu warten, könnte für Tirol zu spät sein – noch steht eine Einigung aus. Bis dahin dürfte allen IG-L-Fahrverboten die Rechtsgrundlage entzogen sein. Italien müsste gar nicht klagen, lediglich abwarten. 

Österreich könnte national vorpreschen. Das bestätigen EU-Rechtsexperten. Zumtobel fordert als Zwischenschritt zumindest eine kleine Absenkung der Schadstoffgrenzwerte. Umwelt- und Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) hegt Sympathien hierfür, bleibt aber bislang Taten schuldig. LH Anton Mattle müsste auch Bundeskanzler Karl Nehammer überzeugen. Doch die VP hat die Wirtschaft im Genick. Schärfere Luftwerte träfen nicht nur den Verkehr, auch die Industrie. Und es naht die Nationalratswahl. Tirols Transit-Problem scheint zu klein, um nationalen Mut zu beweisen.

Tirols EU-Abgeordnete Barbara Thaler hat in Brüssel gute Arbeit im Transit-Kampf geliefert. Die Novelle der EU-Wegekostenrichtlinie war ihr zu schwach. Thaler wechselt nun als Präsidentin in die Wirtschaftskammer. Die Kammer hat seit jeher die Transitpolitik des Landes konterkariert. Es wird sich bald zeigen, ob Thaler die Kammer zum Umdenken bringt – oder das Präsidentenamt Thaler.

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