TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: "Extremismus im Keim ersticken", von Liane Pircher, Ausgabe vom Sonntag, 5. November 2023 | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Extremismus im Keim ersticken“, von Liane Pircher, Ausgabe vom Sonntag, 5. November 2023

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Angesichts der jetzigen Alarmzeichen wird klar, dass man früh genug gegen Antisemitismus und Rassismus arbeiten muss. Vieles wurde versäumt.

   Seit dem grausamen Terrorangriff der Hamas auf Israel steigt in Österreich der Antisemitismus.  Das macht betroffen. Und wirft gleichzeitig viele Fragen auf. Die aktuelle Lage ist alarmierend. Es macht wenig Sinn, unangenehme Dynamiken und Nachrichten zu verdrängen. Denn es zeigt, dass in unseren liberalen Demokratien – in ganz Europa ist Ähnliches zu beobachten –  etwas schiefläuft. 
   Ja, jeder hat ein Anrecht auf seine eigene Meinung. Gleichzeitig dürfen wir intolerante und autoritäre Ideologien nicht hinnehmen, sondern müssen sie immer wieder aufs Neue diskutieren und kritisieren. Das sehen wir jetzt sehr deutlich. Die Frage ist, wie damit abseits vom Strafrecht umgehen? Und wo ansetzen? – Bildungsforscher weisen seit Jahren auf Leerstellen hin, wenn es um „Holocaust Education“ geht. Es fehle an Ausbildungs- und Fortbildungsangeboten für Lehrer. Viele Junge hätten das Gefühl, dass der Holocaust ewig her ist, und kein Bewusstsein dafür, was Antisemitismus heute konkret bedeutet. Gleichzeitig zeigte eine Tagung in Innsbruck im Frühjahr 2023 auf, dass man bereits Volksschülern altersadäquat ein Verständnis für Anti­semitismus und Rassismus vermitteln kann. 
   Fakt ist, dass gerade Schulen ein Ort sind, an dem Kinder und Jugendliche sozialisiert werden. Ein Ort, wo Meinungen und Aussagen oft ungefiltert aufeinanderprallen. Ein Ort, wo sich alle treffen: Kinder von Bildungsbürgern und von Migranten. Hier bräuchte es viel mehr Raum und Unterstützung, ein Frühwarnsystem für bzw. gegen Hass. Das wurde über Jahre versäumt. Wenn man jetzt nur darüber diskutiert, ob es ein linker, rechter oder ein aus arabischen Ländern importierter Judenhass ist, macht man es sich zu leicht. Es ist komplizierter. Man muss zuhören, aufklären. Um alle toten Opfer trauern und immer gegen Antisemitismus sein. Politische Lippenbekenntnisse an Gedenktagen und nach antisemitischen Vorfällen alleine sind zu wenig. Es fehlt ein solidarischer Kraftakt aller. Gegen Hass.  

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