Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 27. September 2023. Von Marco Witting: "Einklang und Misstöne". | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 27. September 2023. Von Marco Witting: „Einklang und Misstöne“.

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Der Zusammenschluss von ÖVP und Für Innsbruck ist ein bemerkenswerter Schachzug und macht die Innsbruck-Wahl 2024 noch spannender. Doch der Dirigent für das „Bündnis der Mitte“ steht schon unter Zugzwang.

Den Gleichklang auf der politischen Orgel haben in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten die bürgerlichen Kräfte in Innsbruck selten geprobt. Es ist zwar einigermaßen verwegen, von einer „historischen“ Einigung zwischen Für Innsbruck und ÖVP zu sprechen, wo doch letztlich beide eine gemeinsame politische Heimat haben. Bemerkenswert ist der Schritt nach drei Jahrzehnten der Spaltung aber trotzdem. Nach vielen Misstönen, Scharmützeln und beinharten Auseinandersetzungen (nicht nur rund um Wahlen) will man jetzt also als „Bündnis der Mitte“ zum Angriff auf das Bürgermeisteramt blasen. Das geschieht nicht aus plötzlich wiederentdeckter Liebe, sondern aus purem Pragmatismus und weil es mit Bürgermeister Georg Willi einen gemeinsamen Gegner gibt, der nebenbei so viel Angriffsfläche geboten hat, dass man mit einem Wahlerfolg spekulieren darf.
Neben dem Reibebaum Willi, an dem sich FI und ÖVP zuletzt schon einträchtig abarbeiteten, brauchte es zur Zusammenarbeit noch eine neuen Dirigenten, der die beiden Gruppen in die nächste Wahl führen und den Wahlerfolg orchestrieren soll. Den hat man – wenig überraschend – in Florian Tursky (ÖVP) gefunden. Doch der Noch-Staatssekretär für Digitalisierung ist für seine Komposition bereits unter Zugzwang. Eigentlich wollte das bürgerliche Lager erst einmal das Lied vom Heilsbringer Tursky und der eigenen Einigkeit trällern. Doch dann kam der amtierende VP-Vizebürgermeister Hannes Anzengruber und hat mit seinem überraschenden Solo einen Strich durch diese Partitur gemacht. Egal, ob Anzengruber nur den Preis für seine politische Zukunft nach oben treiben will oder sogar mit einer eigenen Liste antritt – die Misstöne sind weithin hörbar. Vom erhofften Einklang keine Spur. Das erhöht sofort die Chancen der Grünen mit Georg Willi, aber auch der FPÖ mit Vize Markus Lassenberger.
Tursky muss noch etwas beweisen. Dass der plötzliche Einklang nicht nur darauf beruht, dass Parteigranden (wie Ex-Bürgermeisterin Christine Oppitz-Plörer oder KO Lucas Krackl) ihren Fixplatz in der ersten Reihe zugesichert bekommen haben, sondern dass er mit einer eigenen Liste den Taktstock in der Hand hält.
Die Inszenierung der persönlichen Erklärung Turskys am Bergisel war irgendwie sinnbildlich für die aktuelle Lage. Alles sehr ambitioniert. Durchaus mit Pathos vorgetragen. Doch bei der Live-Übertragung auf Facebook mit kräftigem Rauschen im Hintergrund. Entgegen der zur Schau getragenen Einigkeit im bürgerlichen Lager sind da eben noch etliche Misstöne.

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