TIROLER TAGESZEITUNG, Leitartikel: „Voll, voller, überfüllt“ von Liane Pircher
Öffi-Fahren ist nachhaltiger. Aber wie viel Komfort-Einbußen sind wir bereit hinzunehmen?
Jüngste Beschwerdewellen wegen überfüllter Busse zeigen, dass der Wille zur Nutzung vorhanden wäre. Das zu vergraulen, wäre fatal.
Zuerst die gute Nachricht: Viele Menschen kaufen das österreichweite Klimaticket (Stand August 2023: 238.000). Und in Tirol ist die Zahl der verkauften VVT-Jahreskarten binnen der letzten beiden Jahre von 132.000 auf 160.000 (ohne Schülertickets) hinaufgeschnellt. Überhaupt zeigt sich, dass viele TirolerInnen offen für Alternativen zum Auto sind: Laut einer jüngsten Erhebung des Verkehrsclubs Österreich (VCÖ) legen 47 Prozent der Menschen hier ihre Alltagswege zu Fuß, mit dem Fahrrad und dem öffentlichen Verkehr zurück. Das Potenzial für mehr autofreie Mobilität sei in Tirol groß, heißt es. Dazu kommt, dass immer mehr Betriebe ihren Mitarbeitern das KlimaTicket Tirol zahlen (ab 1. Oktober z. B. die Tirol Kliniken).
Die schlechte Nachricht ist, dass es zuletzt eine regelrechte Beschwerdewelle – von Innsbruck bis hin zu Gemeinden – wegen überfüllter Öffis gegeben hat. Prinzipiell wären volle Busse und Züge eine gute Sache. Zum einen betriebswirtschaftlich, zum anderen verbessert es die CO2-Bilanz, je mehr Menschen aufs Auto verzichten. Nichts vergrault Nutzer aber ärger als überfüllte Öffis, zu lange Wartezeiten, fehlende Anschlüsse (abends), Ausfälle und Fahrpläne, die nicht aufeinander abgestimmt sind. In gewisser Weise scheinen die Öffis gerade Opfer ihres eigenen Erfolgs (Klimaticket, Ausbau) zu werden. Hier muss man schnell reagieren. Es gibt viel Luft nach oben, wenn es um das Management der Auslastung geht. Gleichzeitig muss der Job der BusfahrerInnen, aber auch des Zugpersonals endlich so gestaltet werden, dass es sich lohnt, hier zu arbeiten. Wenn das nicht gelingt, werden sich viele wieder ins Auto setzen. Weil es bequemer ist. Auch wenn es selbst im E-Auto kein gutes Bild macht, sich frühmorgens solo auf der Autobahn zur Arbeit zu stauen.
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