Neue Gentechnik: Bäuer:innen in wachsender Abhängigkeit von Agrarindustrie | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Neue Gentechnik: Bäuer:innen in wachsender Abhängigkeit von Agrarindustrie

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Die EU-Landwirtschaftsminister:innen beraten bei einem informellen Agrarministerrat bis morgen, 5. September über den Gesetzesvorschlag zur Deregulierung der Neuen Gentechnik (NGT). GLOBAL 2000 zeigt zentrale Knackpunkte auf und appelliert an Bundesminister Totschnig: „Dieser Gesetzesvorschlag der EU-Kommission bringt Bäuerinnen und Bauern in eine gefährliche Abhängigkeit von Agrarkonzernen, gefährdet Österreichs Landwirtschaft und nimmt Produzent:innen sowie Konsument:innen die Wahlfreiheit. Bundesminister Totschnig muss sich gemeinsam mit den EU-Landwirtschaftsminister:innen mit aller Kraft dafür einsetzen, dass Neue Gentechnik in der Landwirtschaft weiterhin streng reguliert und klar gekennzeichnet ist!”

Agrarkonzerne: Patente auf NGT-Pflanzen angemeldet

Agrarkonzerne melden Patente für NGT-Pflanzen an, während die EU-Kommission die Patentierbarkeit von Neuer Gentechnik im Gesetzesvorschlag ignoriert hat. Die Kommission plant lediglich, die Auswirkungen der Deregulierung auf Markt und Züchtungsinnovationen bis 2026 zu beobachten. GLOBAL 2000 warnt vor den Risiken der wachsenden Abhängigkeit für bäuerliche Betriebe, da große Konzerne wie Bayer und Corteva bereits zahlreiche NGT-Produkte, einschließlich Saatgut und Ernte, patentiert haben. Diese Patente würden Lizenzgebühren für alle in der Produktionskette und enorme Risiken durch Patentrechtsverletzungen verursachen. Das Europäische Patentamt (EPA) bestätigt, dass NGTs nach den aktuellen Kriterien für gentechnisch veränderte Organismen (GVOs) in der Praxis gemäß EU-Biopatentrichtlinie patentierbar sind.

„Die Umsetzung dieses Deregulierungsvorschlags könnte zu einer Flut von patentiertem Saatgut in der EU führen. Für Züchter:innen und Bäuer:innen würde so die Möglichkeit der freien Nutzung genetischer Ressourcen massiv eingeschränkt oder verunmöglicht. Patente würden die natürliche Züchtung klimafitter Nutzpflanzen blockieren”, warnt Brigitte Reisenberger, GLOBAL 2000 Gentechniksprecherin. “Die EU-Kommission verschließt die Augen vor einer Patentflut und ignoriert diese Gefahr für die bäuerliche Landwirtschaft. Die Landwirtschaftsminister:innen sind gefordert, bei der Gentechnik-Deregulierung die Bremse ziehen”, sagt Brigitte Reisenberger.

Gefahr für Bio und gentechnikfreie Landwirtschaft in Österreich

Die Anwendung von NGT-Pflanzen wäre für die Biolandwirtschaft zwar laut Gesetzesvorschlag weiterhin verboten, das ist positiv zu bewerten. Als Folge der mangelhaften Rückverfolgbarkeit der NGT-Pflanzen und NGT-Produkte ist jedoch völlig unklar, wie das für die gentechnikfreie und Biolandwirtschaft in der Praxis umsetzbar sein soll. Bisher kann ein EU-Mitgliedstaat den Anbau auf dem eigenen Territorium verbieten oder einschränken. Laut Gesetzesentwurf soll der Anbau von NGT-Pflanzen national nicht mehr durch diesen Opt-Out-Mechanismus verboten oder eingeschränkt werden dürfen. Bisher gab es im EU-Gentechnikrecht auch Maßnahmen zur Koexistenz von gentechnikfreier und gentechnik-anwendender Lebensmittelerzeugung. Im aktuellen Vorschlag schiebt die EU-Kommission die Verantwortung für die Koexistenz-Regeln an die Mitgliedstaaten ab, ohne jedoch die erforderlichen Instrumente zur Durchsetzung im Gesetzesvorschlag bereitzustellen. Für Österreich ist dieser Punkt besonders relevant, weil es der österreichischen Landwirtschaft gelungen ist, die Gentechnikfreiheit im Anbau zu erhalten und der Bioanteil EU-weit am höchsten ist.

Aus für Transparenz bei Gentech-Lebensmitteln?

Für große Teile der Produktionskette und für den Handel würden laut Gesetzesvorschlag der EU-Kommission keinerlei Kennzeichnungspflicht mehr gelten. “Die in den EU-Grundgesetzen verankerte Wahlfreiheit von Konsument:innen beim Lebensmittelkauf wäre damit verloren”, kritisiert Brigitte Reisenberger, GLOBAL 2000 Gentechniksprecherin. Die aktuellen EU-Vorschriften zur Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) sehen vor: Lebens- und Futtermittel, die gentechnisch verändert sind oder GV-Zutaten enthalten, müssen verpflichtend bis zum Endprodukt gekennzeichnet werden.

Nächste Schritte im Gesetzgebungsprozess

Nach Vorlage des Gesetzesvorschlags im Juli 2023 sind nun der Rat der Europäischen Union und das Europäische Parlament am Zug, eine Position zum Gesetz zu finden. Die spanische Ratspräsidentschaft hat den Verhandlungen hohe Priorität eingeräumt. Wenn beide Gremien ihre Positionen festgelegt haben, beginnen die Gesetzesverhandlungen im Trilog zwischen Rat, Parlament und Kommission.

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