AIHTA-Studie stellt erneut keine Überlegenheit der roboterassistierten Chirurgie im Brust- und Bauchbereich fest
Das Austrian Institute for Health Technology Assessment (AIHTA) hat die Wirksamkeit und Sicherheit roboterassistierter chirurgischer Eingriffe (RAS) bei 14 Indikationen im Thorax und Bauchbereich untersucht. Vor dem Hintergrund der hohen Erwartungen und deutlich höheren Kosten im Vergleich zur laparoskopischen- und offenen Chirurgie stand der Zusatznutzen der RAS im Fokus der Untersuchung. Das Fazit: Für mehrere Indikationen und Endpunkte lag keine Evidenz vor, Unterschiede bei Krankenhausaufenthalten und Wiederaufnahmen waren statistisch nicht signifikant und die Evidenz zur Operationsdauer gestaltete sich widersprüchlich. In Summe konnten nur wenige der angepriesenen Vorteile der RAS nachgewiesen werden. Beim nun veröffentlichten Bericht handelte es sich um die Aktualisierung eines EUnetHTA-Reports aus 2019. Schon damals attestierte das AIHTA (als LBI-HTA) keine ausreichende Evidenz, u.a. weil relevante Endpunkte nicht berichtet bzw. gemessen wurden oder keine statistisch signifikanten Unterschiede zeigten.
Die roboterassistierte Chirurgie (RAS) gilt als eine technisch fortgeschrittene Form der laparoskopischen Chirurgie: Die Operation wird dabei minimalinvasiv mit Hilfe von ferngesteuerten mechanischen Armen, die am Operationstisch befestigt sind, durchgeführt. Der Roboter agiert dabei mit höchster Präzision, was es erlaubt an sehr engen Stellen zu operieren, die andernfalls nur mittels offener Operation zugänglich wären. Neben den Vorteilen, die für minimalinvasive Eingriffe üblich sind – wie etwa geringeres Infektionsrisiko oder kürzere Erholungszeiten – verspricht man sich von der RAS eine verbesserte Lebensqualität, eine geringere Inanspruchnahme von Gesundheitsressourcen und bessere klinische Ergebnisse. Allerdings gibt es keinen Konsens oder anerkannte Standards für optimale Ausbildungsprogramme für die RAS.
Das AIHTA hat nun in einer Studie untersucht, wie die RAS im Thorax- und Bauchbereich im Vergleich zu herkömmlichen – laparoskopischen und offenen – Eingriffen abschneidet. Dazu werteten die Wissenschafterinnen zwanzig randomisierte Kontrollstudien zu RAS für unterschiedliche Eingriffe im Bereich des Thorax, Ösophagus, Magen, Darm und Gallenblase/Leber/Milz mit insgesamt 2085 Patient*innen aus. Das Hauptaugenmerk der Untersuchung lag auf patient*innenrelevanten und sicherheitsbezogenen Endpunkten (wie Überleben, Lebensqualität oder Komplikationen) sowie der Ressourcennutzung (z.B. Dauer des Krankenhausaufenthalts). „Es besteht ein gravierender Mangel an qualitativ hochwertiger vergleichender Evidenz zur Leistungsbewertung der roboterassistierten Chirurgie. V.a. Endpunkte, die für Patient*innen eine wichtige Rolle spielen, wie Lebensqualität, Zufriedenheit oder die Dauer bis zur Wiederaufnahme von Beruf und Alltagsaktivitäten, werden in den Studien kaum berichtet“, bemängelt Nicole Grössmann-Waniek, Leiterin der Studie und Forscherin am AIHTA.
Hohe Erwartungen, große Herstellerdichte, keine Ausbildungsstandards
Die hohen Erwartungen enden allerdings nicht bei den Patient*innen: Neben den ergonomischen Vorteilen für Chirurg*innen soll die RAS auf organisatorischen und klinischen Ebenen einen Zusatznutzen schaffen: Zum einen soll die Inanspruchnahme von Leistungen im Gesundheitswesen sinken, etwa mittels einer geringeren Aufenthaltsdauer, weniger Wiederaufnahmen und niedrigerer Auslastung von Krankenbetten. Zum anderen erwartet man sich bessere klinische Ergebnisse, bspw. eine geringere Blutverlustmenge, weniger Transfusionen und eine niedrigere Gesamtkomplikationsrate. „Nach Angaben der Hersteller ist zwar kein zusätzlicher Personalbedarf erforderlich, jedoch eine zusätzliche Ausbildung und Schulung des chirurgischen Personals. Einen Konsens oder anerkannte Standards für optimale Ausbildungsprogramme gibt es dafür nicht“, erläutert Grössmann-Waniek. Laut AIHTA-Bericht wurde in den meisten Studien das da Vinci® Surgical System verwendet. Allerdings bieten momentan 19 Hersteller Robotersysteme zur Unterstützung von chirurgischen Eingriffen an, zehn davon sind CE-gekennzeichnete Produkte.
Evidenz und Kostenfaktor
Die Wissenschafterinnen des AIHTA identifizierten in dem Update des Berichts von 2019 Studien zu neun von 14 chirurgischen Verfahren: nämlich zu Lobektomie, Anti-Reflux/Fundoplikatio, Ösophagektomie, Gastrektomie, Kolektomie, Rektumresektion, ventrale Rektopexie, Hernienreparatur und Hepatektomie. Für Heller Myotomie, bariatrische Operation, Dünndarmresektion, Mediastinalchirurgie und Cholecystektomie konnten hingegen keine randomisierten Kontrollstudien identifiziert werden. Die relevanten Endpunkte wurden jedoch in den meisten Studien entweder nicht berichtet, nicht gemessen oder zeigten keine statistische Signifikanz. „Im Allgemeinen ist die roboterassistierte Chirurgie mit höheren Kosten in Erwerb und Erhaltung verbunden. Trotz möglicher Preisreduktionen weist sie außerdem erhöhte Umweltauswirkungen durch Energie- und Materialverbrauch im Vergleich zu konventionellen laparoskopischen Verfahren auf,“ betont Grössmann-Waniek. Trotzdem könnte dem Bericht zufolge die RAS für manche Indikationen und Endpunkte vorteilhaft sein: Bspw. berichteten die Studien einen geringeren Blutverlust von RAS bei Lungenlobektomien, Ösophagektomien, Rektumresektionen, Hepatektomien und Gastrektomien. Auch postoperative Komplikationen traten nach roboterassistierten Gastrektomien, Rektumresektionen und Hepatektomien seltener auf. Eine allgemeine Aussage zur Wirksamkeit und Sicherheit der RAS ist laut AIHTA aber nicht möglich. Dafür verantwortlich zeichnen sich v.a. die Heterogenität der Ergebnisse und die fehlende Evidenz für einige Endpunkte. Bei Kaufentscheidungen sollen daher beide Faktoren, d.h. sowohl die begrenzte Qualität der Evidenz sowie die finanziellen und ökologischen Auswirkungen der RAS, berücksichtigt werden.
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