Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 26. August 2023. Von PETER NINDLER. "Sommer 2023: In Kickls Schwitzkasten". | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Tiroler Tageszeitung, Leitartikel, Ausgabe vom 26. August 2023. Von PETER NINDLER. „Sommer 2023: In Kickls Schwitzkasten“.

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FPÖ-Chef Herbt Kickl treibt mit wohl kalkulierter politischer Empörung über ihn die Innenpolitik und besonders die Kanzlerpartei ÖVP vor sich her.  In dieser Verfassung kann Kickl billiges Kleingeld für die Freiheitlichen machen.

Was bleibt vom heurigen Sommer übrig? FPÖ-Bundesparteiobmann Herbert Kickl! Er hat offenbar alles richtig gemacht. Welch geflügeltes Wort gerade in Tirol. Schließlich tragen derzeit die österreichischen PolitikerInnen, vornehmlich jene der Volkspartei, gerne ihre Befindlichkeiten zu Kickl wie einen Bauchladen vor sich her. Und gehen ihm damit immer wieder auf den Leim. Denn der blaue Frontmann macht mit der Empörung der politischen Mitbewerber Politik für die FPÖ und ihn selbst. 
Es wird ja niemand ernsthaft in Abrede stellen, dass der blaue Chef nicht bewusst das „Stasi-Verhörzimmer“ in den ORF-Sommergesprächen angeprangert hat, um dem staatlichen Rundfunk eins auszuwischen. Bei seinen Anhängern ist der ORF ohnehin unten durch, die berechtigte Entrüstung über seinen inakzeptablen Vergleich mit der berüchtigten Staatssicherheit in der ehemaligen DDR jedoch Teil von Kickls Erfolgsstrategie. 
Damit erklärt sich das generelle Problem im Umgang mit den Freiheitlichen: Notwendige Kritik an der sprachlichen Verrohung verliert sich in der Endlosschleife ständiger Beschäftigungs-Politik mit Kickls FPÖ. Manchmal wäre Ignorieren zielführender als Nacheifern. 
Allerdings: So will die ÖVP als Kanzler- und Landeshauptmannpartei den Blauen mit der „Bargeld in die Verfassung“-Forderung politisch Paroli bieten, statt sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, warum den ÖsterreicherInnen zu wenig Bares im Börserl bleibt. Mit einer Teuerungsrate von sieben Prozent zählt die Inflation schließlich zu den höchsten im Vergleich mit anderen Euro-Zonen-Ländern. Die von der Volkspartei forcierte Normalo-Diplomatie soll der FPÖ ebenfalls das Wasser abgraben. Dabei fragen sich viele Kreditnehmer angesichts steigender Kredit- und vergleichsweise niedriger Sparzinsen, ob das noch normal ist. Jetzt soll es ein Bankengipfel richten, der eigentliche Gewinner steht schon vorher fest: Herbert Kickl.
Im sommerlichen Schlagabtausch geht es nicht um Lösungen, sondern darum, wer wem die Ideen klaut. Um Kopier- und nicht Sachpolitik. Als Oppositioneller beschränkt sich Kickl auf das, was er am besten kann: der Regierung und besonders der ÖVP Armutszeugnisse im Wochentakt auszustellen und sie vor sich herzutreiben. Wie mit der Sondersitzung im Parlament zur Teuerung, die er mit dem SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler vereinbart hat. Wobei Kickl das mehr nützt als Babler. 
Die Freiheitlichen sind allerdings nur deshalb so stark, weil die schwarz-grüne Regierung in zentralen Themen versagt: Teuerung, Klimaschutz, Energiewende, Mieten oder Migration. Damit müsste sich Schwarz-Grün beschäftigen. Nicht mit Kickl, denn damit begeben sie sich in seinen Schwitzkasten und stärken ihn dadurch nur noch mehr.

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