Handelsverband kritisiert Äpfel-Birnen-Vergleich des AK Preismonitors. Deutschlandvergleich hinkt gewaltig.
Mit ihrem jüngsten Preismonitor möchte die Arbeiterkammer erneut negative Stimmung gegen den österreichischen Einzelhandel verbreiten. Kritisiert wird u.a., dass österreichische Lebensmittel im Vergleich mit Deutschland um durchschnittlich 15% teurer wären. Der Vergleich hinkt allerdings gewaltig, weil die AK zahlreiche Faktoren, welche für unterschiedliche Preisniveaus ursächlich sind, einfach ignoriert.
AK vergisst auf strukturelle Kosten-Unterschiede
Die etwas höheren Preise in Österreich im direkten Vergleich mit unseren deutschen Nachbarn haben strukturelle Ursachen, das ist längst wissenschaftlich belegt. Österreich hat:
- eine weit höhere Filialdichte (und damit höhere Kosten),
- teurere Verkehrswege aufgrund unserer Topografie (Alpen),
- einen viel höheren Bio-Anteil im Lebensmittelhandel,
- ein kompliziertes, starres Überstunden-Zuschlagssystem,
- um 4% höhere Lohnnebenkosten,
- höhere Personalkosten (in AT 14. Gehälter; in DE i.d.R. nur 12),
- eine höhere Kollektivvertragsdurchdringung,
- sowie generell höhere Steuern und Abgaben.
AK vergisst auf unterschiedliche Rabatt-Anteile
Hinzu kommt, dass der österreichische Markt deutlich kleiner ist. Deutschland hat 10mal mehr Einwohner und damit natürlich auch Kostenvorteile aufgrund höherer Abnahmen. Bei den AK Preisvergleichen werden leider auch keine Rabattaktionen berücksichtigt. Das ist insofern unseriös, als der Anteil an Rabattaktionen über Kundenkarten im österreichischen Lebensmittelhandel mit 32% weit höher ist als in Deutschland mit unter 20%. Allein dieser Faktor erklärt immerhin 12% Preisunterschied, den die AK nicht berücksichtigt.
AK vergisst auf territoriale Lieferbeschränkungen
Ein weiterer entscheidender Punkt, den die AK leider völlig ignoriert, sind territoriale Lieferbeschränkungen (Territorial Supply Constraints oder TSC): Über 90% der Beschaffung im Lebensmitteleinzelhandels im EU-Binnenmarkt erfolgt nach wie vor national. Das liegt v.a. an den Praktiken multinationaler Markenartikelhersteller, die künstlich den EU-Binnenmarkt entlang nationaler Grenzen segmentieren und den internationalen Einkauf faktisch verunmöglichen. Die Verbraucher:innen würden bei einer internationalen Beschaffung der Händler keinen Unterschied in der Qualität der Produkte bemerken, dies betrifft insb. viele bekannte Marken-Produkte wie Süßigkeiten, Soft Drinks, Shampoos, Seife oder Waschmittel. Hingegen spüren die Konsument:innen die nachteiligen Folgen dieser Segmentierungspraktiken, indem sie je nach Land höhere Preise für derartige Produkte zahlen müssen. Wir sprechen hier von Einkaufspreisunterschieden von 60% und mehr.
Verbot Territorialer Lieferbeschränkungen würde EU-Konsument:innen um 14 Mrd. € entlasten
Gerade in Zeiten außergewöhnlich hoher Inflation hätte die Beendigung von TSC-Praktiken der Markenartikelhersteller spürbare positive Auswirkungen für die Kund:innen. Aktuell wird den Handelsunternehmen leider viel zu häufig der internationale Einkauf durch große multinationale Hersteller verwehrt. Die Großhandelspreise in Österreich sind aufgrund dieser TSC-Praktiken im Regelfall signifikant höher als jene in Deutschland. Dies gilt übrigens für die meisten kleineren Länder in Europa, also auch für Dänemark, Belgien oder Luxemburg.
"Viele multinationale Hersteller möchten diese nationale Preisstrategie für jeden EU-Mitgliedsstaat unbedingt beibehalten. So können die Multis ihre Preise im jeweiligen nationalen Markt maximieren. Die Kosten für die hohen Gewinnspannen der Markenartikelhersteller tragen aber letztlich die Endverbraucher. Wir reden hier nicht von Peanuts. Das Einsparpotenzial eines Verbots territorialer Lieferbeschränkungen liegt EU-weit bei 14 Milliarden Euro jährlich"
, erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.
Der derzeitige europäische Rechtsrahmen bietet keine zufriedenstellende Lösung zur Bekämpfung territorialer Lieferbeschränkungen durch nicht-marktbeherrschende Markenartikelhersteller. Um zeitnah eine spürbare Entlastung für die europäischen Endverbraucher:innen zu schaffen und den EU-Binnenmarkt zu verwirklichen, sollten solche diskriminierenden Praktiken endlich verboten werden – ein Legislativvorschlag der Europäischen Kommission wäre aus Sicht des Handelsverbandes ein sinnvoller Ansatz.
"Wer als Händler seine Produkte günstiger beziehen kann, der kann sie auch billiger verkaufen. Und wer weniger Steuern zahlt, kann im Gegenzug niedrigere Preise verlangen", so Handelssprecher Rainer Will, "Preisvergleiche sind ja durchaus sinnvoll. Sie sollten nur fair sein und nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Warum bildet die AK keinen Gesamtwarenkorb unter Einrechnung aller Rabatte mit Gegenüberstellung der Kosten? Dann würde sich nämlich zeigen, dass die Preisunterschiede zwischen Österreich und Deutschland deutlich geringer sind als suggeriert wird."
Aktuelle Studien zeigen überdies, dass der österreichische Lebensmitteleinzelhandel im EU-Vergleich im untersten Drittel liegt, was die Veränderung der Preise zwischen März 2022 und März 2023 betrifft – und das, obwohl in Österreich die Energieabhängigkeit von russischem Gas deutlich höher als in anderen EU-Ländern ist. In Österreich haben sich die Lebensmittelpreise im Jahresvergleich um 14,6% erhöht, während sowohl Deutschland als auch der EU-Schnitt bei rund 20% liegen.
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