AK warnt: Bildungsstudien zeigen, dass Bildungsentwicklung auf der Stelle tritt
Ist Österreich für die bildungspolitischen Herausforderungen der Zukunft gerüstet? Die Transformation der Arbeitswelt, Digitalisierung und nicht zuletzt ein steigender Fachkräftebedarf stellen Österreich vor Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf die (Aus-)Bildung seiner Kinder und Jugendlichen. Zwei heute präsentierte nationale und internationale Bildungsstudien machen neuerlich deutlich, dass Österreich diese Herausforderungen in den letzten Jahren nur mäßig erfolgreich bewältigt hat und in der Bildungsentwicklung auf der Stelle tritt.
Hinweise darauf liefert einerseits die internationale Vergleichsstudie “Progress in International Reading Literacy Study” (PIRLS), bei der nun zum vierten Mal die Leseleistungen von Schüler:innen am Ende der vierten Klasse Volksschule getestet werden. In Österreich wurde im April und Mai aus 160 zufällig ausgewählten Schulen getestet. Mit durchschnittlich 530 erzielten Punkten liegt Österreich zwar 27 Punkte über dem internationalen Durchschnitt der Vergleichsländer das bedeutet jedoch einen Rückgang um 11 Punkte im Vergleich zur letzten Testung im Jahr 2016 – ein ähnliches Niveau wie bei der vorletzten Testung im Jahr 2011 (529 Punkte). Ilkim Erdost, AK Bereichsleiterin Bildung, zeigt sich besorgt: „Dieser Rückgang ist vielleicht angesichts der Folgen der Pandemie nicht überraschend. Er zeigt allerdings, dass in der Lesekompetenz österreichischer Schüler:innen kaum Fortschritte gemacht werden konnten, die auch in Krisen bestehen.“
Sozioökonomische Voraussetzungen des Elternhauses erweisen sich dabei für alle Vergleichsländer als zentrale Ursache für Unterschiede in der Lesekompetenz von Schüler:innen. Im EU-Schnitt beträgt der dieser Kinder 82 Punkte gegenüber Kindern von Eltern mit Tertiärabschluss. In Österreich ist dieser Faktor allerdings überdurchschnittlich bedeutsam. Hier beträgt der Leistungsrückstand sogar 92 Punkte. Österreich ist sogar eines der Länder mit dem stärksten Zusammenhang zwischen niedrigem Berufsstatus der Eltern und Lesekompetenz der Kinder unter den EU-Vergleichsländern.
Zudem zeigen Studien immer wieder, dass die Herausforderungen an Schulstandorten besonders groß sind, da sie bestehende Nachteile ausgleichen müssen. Es gibt Schulen mit vielen Kindern, deren Eltern ihnen bei den Hausaufgaben nicht helfen können, oder die die Zeit fürs gemeinsame Lernen aufgrund unterschiedlichster Gründe (berufliche Belastungen, Betreuungspflichten, etc.) einfach nicht aufbringen können. Diese Standorte stehen vor großen Herausforderungen, den Kindern ein vernünftiges Lernumfeld zu bieten und alle Schüler:innen erfolgreich zum Bildungsziel zu begleiten. Erdost sieht hier Handlungsbedarf für die Politik: „Diese Schulen brauchen dringend zusätzliche Unterstützung, um ein gutes Lernumfeld zu bieten und um die Talente eines jeden Kindes fördern zu können! Dafür haben wir den AK Chancenindex entwickelt, mit dem zielgenaue Unterstützung möglich wäre“
Denn wohin früh auftretende Bildungsungleichheiten führen, wurde heute zudem von der Statistik Austria im jährlich erscheinenden Bericht “Bildung in Zahlen” dokumentiert. Auch diese Studie kommt zu dem Ergebnis, dass für den Bildungserfolg der Kinder in Österreich vor allem der Bildungsstand der Eltern relevant ist und Bildungschancen sehr ungleich verteilt sind. Fast 6 von 10 Kindern, deren Eltern einen Hochschulabschluss haben, erreichen in Österreich ebenfalls einen Universitätsabschluss. Haben die Eltern maximal Pflichtschulabschluss, gelingt es in Österreich nicht ganz 1 von 10 Kindern (7 Prozent), selbst einen akademischen Hochschulabschluss zu erreichen. Tendenz anhaltend: Denn selbst unter den Studierenden kommen immer noch rund 52 Prozent aus Akademiker:innenfamilien
In Anbetracht der heute wieder dokumentierten großen Herausforderungen im österreichischen Bildungssystem und den stark ausgeprägten Bildungsungleichheiten ist es überraschend, dass die gegenwärtige Bildungspolitik von starkem Stillstand gekennzeichnet ist. Aus dem Bildungsministerium hieß es noch letzten Sommer: „Wir brauchen keine groß angelegte Grundsatzdiskussion“. Man solle lediglich „an den Schräubchen drehen”. Erdost reicht das nicht: „Die heutigen Ergebnisse zeigen: Wir sind für die Zukunft nicht gerüstet. Das österreichische Bildungssystem braucht dringend einen Neustart – am besten mit einer großen Grundsatzdiskussion, in der wir über Alternativen zu einem System sprechen müssen, in dem ein Bildungsaufstieg nach wie vor sehr schwierig ist.“
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