Abschlussbericht des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses liegt vor
Der Abschlussbericht des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses liegt vor. Das inklusive der fünf Fraktionsberichte knapp 1.000 Seiten umfassende Konvolut wurde gestern Abend im Ausschuss einstimmig zur Kenntnis genommen und ist ab sofort auch im Webportal des Parlaments abrufbar. Dazu kommen noch rund 170 Seiten an Stellungnahmen von in den Berichten erwähnten Personen und Organisationen. Einen gemeinsamen Nenner, was die Ergebnisse des Ausschusses betrifft, gibt es nicht, die Parteien beurteilen die rund einjährige Aufklärungsarbeit zum Teil höchst unterschiedlich.
Allein der Bericht von Ausschussvorsitzendem Wolfgang Sobotka, der auf einem Entwurf von Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl basiert, hat 508 Seiten und setzt sich in acht Kapiteln penibel mit den einzelnen Beweisthemen auseinander. Neben der Einrichtung einer unabhängigen Bundesstaatsanwaltschaft und der Verabschiedung eines Informationsfreiheitsgesetzes werden darin unter anderem gesetzliche Schutzmaßnahmen für private Chats und Handydaten sowie die Schaffung eines Straftatbestands für die Veröffentlichung von Anklageschriften vor deren öffentlicher Verhandlung bzw. vor Abschluss des Verfahrens nach deutschem Vorbild vorgeschlagen. Auch budgetäre Höchstgrenzen für Generalsekretariate und politische Kabinette in den Ministerien, eine Cooling-Off-Phase für (ehemalige) Regierungsmitglieder, die an den Verfassungsgerichtshof wechseln wollen, transparente Verfahren bei Bewerbungen für Spitzenpositionen in öffentlichen Dienststellen sowie eine Adaptierung der Verfahrensordnung für U-Ausschüsse – etwa im Hinblick auf die Befugnisse der Verfahrensrichter:innen und eine gesetzliche Ladungsfrist für Auskunftspersonen von zumindest 14 Tagen – sind Teil der Empfehlungen.
Die ÖVP fühlt sich durch den Bericht entlastet und zeigt sich überzeugt, dass die Einsetzung des Untersuchungsausschusses rein parteipolitisch motiviert war. Das habe sich auch bei der Ladung von Auskunftspersonen und bei den Befragungen gezeigt. Letztendlich habe es einen enormen Ressourcenaufwand "ohne einen relevanten Erkenntnisgewinn" gegeben, hält sie in ihrem Fraktionsbericht fest.
Ein gegensätzliches Resümee ziehen die anderen vier Fraktionen. Ihrer Ansicht nach hat der Untersuchungsausschuss sehr wohl einiges zutage gebracht, wobei die Grünen und die NEOS etwa "Postenschacher", die missbräuchliche Verwendung von Steuergeld und eine "Spezialbehandlung für Superreiche" orten. Sowohl die SPÖ als auch die FPÖ sind sich nach dem Durchforsten der an den U-Ausschuss gelieferten Akten und der Befragung von mehr als 80 Auskunftspersonen sicher, dass die ÖVP ein systematisches Korruptionsproblem hat.
Um Korruption vorzubeugen, drängen in diesem Sinn auch SPÖ, Grüne und NEOS auf ein Informationsfreiheitsgesetz. Weiters gehören eine absolute Höchstgrenze für Inseratengelder, ausreichende Ressorucen für die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die Ausweitung von Dokumentationspflichten, eine öffentliche Übertragung von Untersuchungsausschüssen, die Wiedereingliederung wesentlicher Verwaltungsbereiche, öffentliche Hearings für Spitzenfunktionen, die stärkere Berücksichtigung von Grund- und Persönlichkeitsrechten und eine Abwahlmöglichkeit von Verfahrensanwält:innen zu den Anliegen einzelner bzw. mehrerer Fraktionen.
Bericht kommt auf Tagesordnung der nächsten Nationalratssitzung
Der Bericht des ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschusses ist nun auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Nationalrats zu stellen. Damit wird die Arbeit des Untersuchungsausschusses voraussichtlich am 27. April enden. Ab diesem Zeitpunkt könnte eine parlamentarische Minderheit – mindestens ein Viertel der Abgeordneten – wieder die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen. Da keine Oppositionspartei über 46 Mandate verfügt, müssten sich zumindest zwei Fraktionen auf einen Untersuchungsgegenstand und ein gemeinsames Vorgehen verständigen.
Eingesetzt worden war der ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss im Dezember 2021, und zwar auf Basis eines gemeinsamen Verlangens von SPÖ, FPÖ und NEOS. Seine Aufgabe war es zu prüfen, ob und inwieweit es in den Jahren 2017 bis 2021 unter den von Bundeskanzler Sebastian Kurz geführten Regierungen in einzelnen Ministerien zu parteipolitisch motivierten Auftragsvergaben, Postenbesetzungen und Förderungen und damit zu einem Missbrauch öffentlicher Gelder gekommen ist. Auch vorbereitende Schritte für Privatisierungen sowie etwaige Behinderungen von Ermittlungen waren Teil des Untersuchungsgegenstands.
Insgesamt trat der U-Ausschuss – die gestrige Geschäftsordnungssitzung mit eingerechnet – zu 48 Sitzungen zusammen und tagte 385 Stunden. Dabei wurden 82 Auskunftspersonen befragt, drei davon doppelt. Festgehalten ist das in rund 4.500 Seiten Protokoll. Der elektronische Aktenbestand umfasste rund 25,5 Millionen Seiten bzw. 730.736 Dateien, was einem Datenvolumen von rund 1,7 Terabyte entspricht. Dazu kommen 2.166 Ordner mit rund 1,5 Millionen Seiten Papier, die als vertraulich (1,3 Mio. Seiten), geheim (133.872 Seiten) bzw. streng geheim (895 Seiten) klassifiziert wurden. (Schluss) gs
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