Tiroler Tageszeitung, Leitartikel vom 25. Februar 2023. Von Alois Vahrner: „Alles ist möglich im Polit-Karussell“.
Nach der Wahl (Tirol und Niederösterreich) ist vor der Wahl (Kärnten und Salzburg). In der Bundespolitik spricht sehr wenig für ein vorzeitiges Ende von Türkis-Grün. Turbulent könnte es an diversen Parteispitzen trotzdem werden.
Die jahrelangen türkisen Höhenflüge der Ära Kurz sind endgültig vorbei, seit sich der vermeintliche Polit-Messias nach diversen Chat- und anderen Affären 2021 letztlich selbst um sein Amt gebracht hat. Bis heute tun sich die Partei und die meisten ihrer Granden unheimlich schwer, sich entsprechend zu distanzieren.
Der jahrelange politische und gesellschaftliche Ausnahmezustand während Corona und zuletzt die Teuerungswelle taten ihr Übriges, dass der Kanzlerpartei ÖVP der Gegenwind kräftig ins Gesicht bläst. Bei den Wahlen in Tirol und zuletzt in Niederösterreich setzte es kräftige Einbußen. In Kärnten droht nächsten Sonntag laut Umfragen der Rutsch auf Platz 4, und auch in Salzburg zeigt die Kurve für die Wahl im April auch nur nach unten.
Trotz oder eher sogar wegen dieser Niederlagen-Serie wird es im Bund wohl keine vorgezogenen Neuwahlen geben. Zumal auch die Umfragen für die Grünen keineswegs berauschend sind, gibt es in der Koalition niemanden, der hier die Reißleine ziehen will. Wo doch die Aussichten für beide Parteien nach der Wahl deutlich schlechter sind als der Status quo: Die ÖVP liegt hinter den führenden Freiheitlichen derzeit in Umfragen nur auf Platz 3 oder maximal Kopf an Kopf mit der SPÖ im Rennen um Platz 2. So
blieben wohl nur die FPÖ unter Herbert Kickl mit dessen hyper-aggressivem Kurs und teils völlig jenseitigen Sagern sowie die bei vielen VP-Funktionären ebenfalls kaum beliebtere SPÖ – und das dann möglicherweise mit der ÖVP nur als Juniorpartner. Oder gar die Opposition, wie sie auch den Grünen droht, die derzeit im Duo mit den geschwächten Türkisen viel mehr Gewicht hat als anfangs unter einem kraftstrotzenden Sebastian Kurz.
Zwar fordert auch die SPÖ seit Jahren gebetsmühlenartig sofortige Neuwahlen, tatsächlich muss sie im Moment aufgrund ihrer eigenen Verfasstheit fast inständig hoffen, dass es nicht dazu kommt. Obwohl angesichts einer schwächelnden Koalition und bei einem sozialen Topthema wie der Rekord-Teuerung Zugewinne vorprogrammiert sein müssten, bleiben die Roten in der Krise. Die Führungsfrage ist weiter völlig ungeklärt, Pamela Rendi-Wagner wird weiter von den eigenen Leuten sabotiert. Es wäre trotz ihrer Steherqualitäten überraschend, würde sie als Spitzenkandidatin für die SPÖ in die Wahl gehen. Und auch bei der ÖVP scheint, so die Umfragen nicht irgendwann zumindest Platz 2 signalisieren, keineswegs ausgemacht, dass Karl Nehammer 2024 Spitzenkandidat sein wird. Wenn es um alles geht, würden auch 100 Prozent beim letzten Parteitag nichts helfen. Bei der FPÖ, die bei einer Wahl nur gewinnen kann, ist Kickl hingegen gesetzt. Einen Koalitionspartner zu finden, wird für ihn aber sehr schwer möglich sein.
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