Paukenschlag in Ärztekammer Niederösterreich: Mehrheitsfraktion sprengt Reformkoalition. Dr.in Hasenhündl legt Kurienvorsitz zurück. | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Paukenschlag in Ärztekammer Niederösterreich: Mehrheitsfraktion sprengt Reformkoalition. Dr.in Hasenhündl legt Kurienvorsitz zurück.

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Heute, Mittwoch, 22. Februar 2023 eröffnete Dr.in Martina Hasenhündl um 16:00 Uhr die Kuriensitzung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte in der Ärztekammer NÖ mit einem Paukenschlag:

„Nach den Ärztekammerwahlen im Mai 2022 bin ich mit meiner Fraktion, der Vereinigung Niederösterreich (vormals #RELOAD), in eine Reformkoalition eingetreten. Das gemeinsam formulierte Ziel hieß: die Kammer in eine transparente, agile, dem Wohl der niederösterreichischen Ärzteschaft verpflichtete Interessenvertretung zu verwandeln. Leider hat die Mehrheitsfraktion, der Ärzteverband NÖ unter ÄK-Präsident Dr. Harald Schlögel, den Reformweg recht schnell verlassen. Sie stellt sich gegen wichtige Reformschritte und ist nicht bereit, die Intransparenz und Behäbigkeit der vergangenen Kammerperioden abzuschaffen. Die Kurie tut viel zu wenig, um die Interessen der niedergelassenen Ärzteschaft in Niederösterreich wirksam voranzutreiben. Der Ärzteverband NÖ scheut sich anscheinend, gegenüber Verhandlungspartnern kantiger aufzutreten. Diesen Kurs möchte ich weder mittragen, noch kann ich ihn gegenüber unseren Mitgliedern verantworten. Mit großem Bedauern lege ich deshalb mein Amt als Kurienvorsitzende der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte zurück.“

Wie weit der Ärzteverband NÖ unter Präsident Dr. Schlögel vom Weg der Kammerreform abgekommen ist, illustriert Dr.in Hasenhündl anhand dreier Beispiele:

Transparenz und Demokratie unerwünscht 

Beispiel 1: „Bei den Honorarverhandlungen mit der ÖGK hat ein*e Vertreter*in des Ärzteverbandes NÖ bereits zu Beginn signalisiert, die Honoraranpassung von 2020 auf 2021 mit der Inflationsentwicklung von 2,8 Prozent zu akzeptieren. Das hat unsere Verhandlungsposition nachhaltig geschwächt – ausgerechnet vor dem Hintergrund der seit 2022 davongaloppierenden Inflation. Ich habe das Verhandlungsergebnis nur unter Protest zur Kenntnis genommen, darf seither aber als Kurienvorsitzende den berechtigten Unmut der Kassenärztinnen und -ärzte ausbaden“, ärgert sich Hasenhündl. „Eine Kurie, die harten Verhandlungen aus dem Weg geht, verschärft die Probleme der Kassenärztinnen und -ärzte. Und sie trägt dazu bei, den Kassenvertrag bei Jungmediziner*innen und Wahlärzt*innen noch mehr in Verruf zu bringen“, so Hasenhündl.

Beispiel 2: „Die Minderheitenfraktionen der Reformkoalition haben im Umlaufweg mehrere Anträge eingebracht, um die Entscheidungsfindung der Kurie, insbesondere hinsichtlich der Honorarver­handlungen, transparenter zu gestalten. Ein Antrag zielte darauf ab, die Verhandlungsergebnisse einer Mitgliederbefragung zu unterziehen, ehe die Kurie ihnen zustimmt. Ein anderer sollte sicherstellen, alle in der Kurie vertretenen Fraktionen in die Honorarverhandlungen einzubinden. Beide Anträge wurden mehrheitlich abgeschmettert. Transparenz und Kooperation – mit anderen Worten: die Grundzutaten der Demokratie – sind in der Kurie offenbar großteils unerwünscht“, zeigt sich Hasenhündl erschüttert.

Beispiel 3: Zusammen mit anderen Fraktionen der Reformkoalition hat die Vereinigung Niederösterreich beantragt, ein Life-Streaming der Kuriensitzungen einzurichten. Damit die Mitglieder der Ärztekammer die Entscheidungsfindung ihrer Standesvertretung verfolgen können. Dieser Antrag für mehr Transparenz wurde ebenfalls mehrheitlich abgelehnt.

Über die Gründe, warum ÄK-Präsident Schlögel und seine Fraktion derart wider die Interessen der niedergelassen Ärztinnen und Ärzte agieren, kann Dr.in Hasenhündl nur spekulieren. „Offenbar haben wir, die Vereinigung Niederösterreich, ebenso wie andere Fraktionen, zu laut über die Missstände bei der ärztlichen Versorgung in unserem Bundesland geredet und sind bei den Honorar- und Gehaltsverhandlungen zu fordernd aufgetreten“, mutmaßt Hasenhündl und ruft einige der gravierenden Problemzonen in Erinnerung:

„Die Honorare für Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen sind nach 28 Jahren noch immer nicht vollständig wertangepasst worden. Für Kinderschutzimpfungen bekommen Ärztinnen und Ärzte seit kurzem 12 Euro (davor 4 Euro) vergütet. Zum Vergleich: Für eine COVID-Impfung gibt es 25 Euro. „Eine Honorardifferenz ohne sachlichen Grund. Kein Wunder, dass es so viele unbesetzte Kinderarzt-Kassenstellen in Niederösterreich gibt. Vor wenigen Monaten haben in den Bezirken Mistelbach und Gänserndorf erneut zwei Kinderärztinnen ihre ÖGK-Kassenverträge zurückgelegt: zu wenig Verdienst, extremer Arbeits­druck, miserable Work-Life-Balance, zu wenig Zeit für die einzelnen Patient*innen“, schildert Hasenhündl. Katastrophal seien auch die Honorare der Notärztinnen und -ärzte, die seit Jahren auf eine substanzielle Erhöhung warten und derzeit mit  62 Euro pro Stunde abgespeist werden. „Warum folgt Niederösterreich nicht der Steiermark und dem Burgenland und honoriert die Leistungen endlich fair. Hier müssten Präsident und Vorstand der Ärztekammer ihr Gewicht zugunsten der medizinischen Nothelfer*innen in die Waag­schale werfen und sich für eine bessere Bezahlung der Kolleg*innen einsetzen“ fordert Hasenhündl.

„Angesichts derartiger Missstände halte ich es für eine Katastrophe, dass Teilen der ärztlichen Standesvertretung in Niederösterreich offensichtlich nichts an einemmutigen, entschlossenen und transparenten Eintreten für die Interessen der Ärzteschaft liegt. Unsere Verhandlungspartner im Land NÖ und in der ÖGK lachen sich ins Fäustchen, wenn die Ärztekammer ein Bild der Gespaltenheit und Schwäche abgibt“, so Hasenhündl, die abschließend verspricht: „Die Vereinigung Niederösterreich und ich werden uns nun als harte und konstruktive Opposition energisch für die Anliegen der Kammermitglieder einsetzen. Bei den Honorar- und Gehaltsverhandlungen werden wir als kritische Beobachter*innen für Transparenz sorgen.“

Foto Dr.in Martina Hasenhündl: https://www.ots.at/a/OBS_20230208_OBS0022

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