BMKÖS/Mayer: Republik Österreich und Stiasny-Erben einigen sich auf Vergleich zu „Apfelbaum II“
Die Republik Österreich und die Erb:innen nach der in der Shoa ermordeten Kunstsammlerin Nora Stiasny haben sich im Zusammenhang mit der Restitution des Gustav-Klimt-Gemäldes „Apfelbaum II“ auf einen Vergleich geeinigt.
Dementsprechend haben sich die Erb:innen bereit erklärt, die Republik mit einer Zahlung von 11,3 Mio. Dollar (ca. 10,6 Mio. Euro) für das Bild, das 2001 an sie ausgefolgt und später als fälschlich zurückgegeben erkannt worden war, zu entschädigen. Die Summe wurde in intensiven Verhandlungen der Rechtsvertretung der Erb:innen mit der Finanzprokuratur als Vertretung der Republik festgelegt.
„Apfelbaum II“ war 2001 auf Empfehlung des Kunstrückgabebeirats an die Erb:innen nach Nora Stiasny restituiert worden – nach damaligem Wissensstand. Im Verlauf der Folgejahre wurde allerdings auf Basis neuer Informationen festgestellt, dass „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ nicht „Apfelbaum II“, sondern das seit 1980 im Pariser Musée d’Orsay befindliche Klimt-Gemälde „Rosen unter Bäumen“ Teil der Sammlung Stiasny gewesen sei. Dieser Ansicht folgte im Vorjahr auch die französische Nationalversammlung. „Rosen unter Bäumen“ wurde in der Folge an die Erb:innen nach Nora Stiasny übergeben.
Sowohl seitens der Erb:innen als auch seitens der Republik Österreich wurden daraufhin Versuche unternommen, Kontakt zu den aktuellen Eigentümer:innen von „Apfelbaum II“ hinsichtlich eines möglichen Rückkaufs aufzunehmen. Diese zeigten allerdings keinerlei Interesse, in einen entsprechenden Dialog zu treten.
„Wenn es auch schmerzt, dass es keine Möglichkeit gibt, das Bild ‚Apfelbaum II‘ nach Österreich zurückzuholen, so ist es doch erfreulich, dass die langjährige und komplizierte Geschichte um die Restitution dieses Gemäldes mit dem nunmehr vorliegenden Vergleich ein Ende findet. Gleichzeitig dürfen wir niemals vergessen, dass diesem und anderen Rückgabefällen die systematische Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung unzähliger Menschen während des Nationalsozialismus zugrunde liegen“, so Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer. „Ihnen gilt unser immerwährendes Gedenken und das Bekenntnis, Provenienzforschung in den Sammlungen des Bundes fortzusetzen. Das österreichische Kunstrückgabegesetz und die seit fast 25 Jahren gelebte Praxis der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kunstwerke gelten weltweit als Best-Practice-Modell. Ich danke dem Verhandlungsteam und den Erb:innen für ihre Bemühungen und freue mich, dass der Betrag einem kulturellen Zweck zugutekommen wird.“
„Es ist für alle Beteiligten überaus erfreulich, dass nach harten Verhandlungen Einvernehmen zwischen den Erb:innen nach Nora Stiasny und der Republik Österreich hergestellt werden konnte“, erklärt Alfred J. Noll als Vertreter der Erb:innengruppe. „Zwar bestehen weiterhin abweichende Sichtweisen, insbesondere in Hinsicht auf Dritte – aber das direkte Verhältnis zwischen den Erb:innen nach Nora Stiasny und der Republik Österreich konnte durch den von beiden Seiten bewiesenen Verhandlungswillen auf faire Weise bereinigt werde.“
Die Ausgleichszahlung fließt ins Budget des BMKÖS und wird dort als Rücklage gebunden. Zwischen dem BMKÖS und dem Bundesministerium für Finanzen besteht Einvernehmen darüber, dass das Geld für eine künftige dauerhafte Lösung für den Standort des Hauses der Geschichte Österreich zweckgewidmet werden soll. „Wir konnten uns mit dem Finanzministerium darauf verständigen, mit dieser Summe ein öffentlich sichtbares Zeichen der Erinnerungskultur zu setzen“, so Mayer. „Das Haus der Geschichte braucht seit Jahren eine dauerhafte und nachhaltige räumliche Lösung, an der das BMKÖS derzeit arbeitet. Auch wenn noch kein konkreter Plan vorliegt, sind 10,6 Mio. Euro ein gutes Startkapital für eine derartige Herausforderung.“
Hintergrundinformationen zu „Apfelbaum II“
Die lange Geschichte um die Provenienz des Ölgemäldes „Apfelbaum II“ von Gustav Klimt begleitet die österreichische Kunstrückgabe seit nunmehr über 20 Jahren. Der Kunstrückgabebeirat empfahl am 10. Oktober 2000 einstimmig die Rückgabe des Gemäldes, das 1961 durch Schenkung auf den Todesfall nach Gustav Ucicky an die Österreichische Galerie gekommen war. Übereignet werden sollte „Apfelbaum II“ demgemäß an die Rechtnachfolger:innen nach Nora Stiasny, Tochter Amalie und Otto Zuckerkandls und Nichte des Kunstsammlers Victor Zuckerkandl, die nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutsche Reich als Jüdin verfolgt wurde. 1942 wurde sie gemeinsam mit ihrer Mutter ins Ghetto Izbica im Distrikt Lublin deportiert und vermutlich dort oder im Vernichtungslager Belzec ermordet; 1947 wurde sie für tot erklärt.
Nora Stiasny sah sich 1938 verfolgungsbedingt zum Verkauf eines Klimt-Gemäldes mit der Bezeichnung „Apfelbaum“ gezwungen, das der Beirat 2000 aufgrund des damaligen Wissensstands als mit „Apfelbaum II“ im Belvedere ident ansah. Den Verkauf von 1938 qualifizierte er als „Notverkauf“ und dementsprechend als nichtiges Rechtsgeschäft gemäß Nichtigkeitsgesetz von 1946 (BGBl. Nr. 106/1946).
Allerdings wurde die Frage nach der Zuordnung des Gemäldes bereits in dem damaligen Beschluss problematisiert. Deshalb gaben die Erb:innen bei der Ausfolgung des Gemäldes im November 2001, eine Haftungserklärung ab, mit der sie sich u.a. verpflichteten, das Gemälde an den Bund zurückzustellen, sollte sich herausstellen, dass dieses nicht mit dem 1938 im Eigentum von Nora Stiasny befindlichen Gemälde ident ist.
Neuerliche Zweifel an der Zuordnung der Provenienz von „Apfelbaum II“ wurden 2015 seitens eines Rechtsnachfolgers der ebenfalls im Nationalsozialismus verfolgten Familie Lederer erhoben. Die Kommission für Provenienzforschung erstellte daher ein neues Dossier zum aktuellen Forschungsstand. 2017 beschloss der Kunstrückgabeberat, dass ein Eigentum Nora Stiasnys an dem 2000 zur Rückgabe empfohlenen Gemälde „mit hoher Wahrscheinlichkeit auszuschließen“ sei. Es spreche vielmehr „eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass […] das heute im Pariser Musée d’Orsay befindliche Gemälde von Gustav Klimt, Rosen unter Bäumen […], als ehemaliges Eigentum von Nora Stiasny anzusehen ist.“
Weiters hielt der Kunstrückgabebeirat fest, dass das im November 2001 an die Erb:innen nach Nora Stiasny ausgefolgte Gemälde mit einem Werk aus der Sammlung Lederer identisch sein könnte. Ein Nachweis könne dafür jedoch ebenso wenig erbracht werden wie für die Annahme, es liege ein NS-verfolgungsbedingter Entzug vor.
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