Parlament: Ukraine wirbt für mehr Unterstützung durch Österreich
Der Obmann des Außenpolitischen Ausschusses des ukrainischen Parlaments, Oleksandr Merezhko, hat heute für eine breitere Unterstützung der Ukraine durch Österreich geworben. Er glaube nicht, dass die Neutralität Österreichs Waffenlieferungen an die Ukraine oder anderer technischer Güter entgegenstehe, sagte er heute bei einem virtuellen Treffen mit österreichischen Parlamentier:innen. Die Ukraine sei für die geleistete humanitäre Hilfe sehr dankbar, es brauche aber auch militärische, technische und politische Unterstützung. Zudem drängte er auf eine Ausweitung der Russland-Sanktionen und stellte einen Austritt der Ukraine aus der OSZE zur Disposition.
Geleitet wurde die Aussprache von der Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses des Nationalrats, SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Sie verwies wie die anderen Teilnehmer:innen von österreichischer Seite – die Abgeordneten Andreas Minnich (ÖVP), Harald Troch (SPÖ) und Helmut Brandstätter (NEOS) sowie Bundesrat Johannes Hübner (FPÖ) – darauf, dass es wichtig sei, dass auch in der aktuellen Situation Tore und Gesprächskanäle offen bleiben. Die Solidarität Österreichs gehöre zu 100% der Ukraine, sagte Troch, man dürfe geopolitische Fragen aber nicht außer Acht lassen.
Merezhko hatte zuvor darauf gedrängt, Russland völlig zu isolieren und aus allen internationalen Organisationen zu verbannen. Ein "terroristisches Regime" dürfe nicht Mitglied in einer Organisation wie der OSZE sein, meinte er und stellte einen Austritt aus der Ukraine in den Raum, sollte Russland nicht ausgeschlossen werden. Nach Meinung von Merezhko hat die OSZE im aktuellen Konflikt versagt, sie habe keinen Beitrag zur Sicherung des Friedens geleistet und sei aus seiner Sicht "tot".
Auch andernorts sieht Merezhko keine Basis für einen Dialog mit Russland. Es habe sich gezeigt, dass Verhandlungen "total nutzlos" seien. Russland habe kein Interesse an ernsthaften Gesprächen, ist er überzeugt. Zudem verwies er auf die fortlaufenden Menschenrechtsverletzungen im Zuge der Kriegshandlungen.
Um den Druck auf Russland zu verstärken, sprach sich der ukrainische Mandatar darüber hinaus dafür aus, keine Einreise-Visa mehr für russische Staatsbürger:innen auszustellen und sämtliches Eigentum im Westen einzufrieren. Zudem sei es wichtig, alle, die am aktuellen "Genozid" beteiligt seien, zu bestrafen.
Was Belarus betrifft, sieht Merezhko derzeit keine Anzeichen dafür, dass das Land mit eigenen Truppen in den Krieg eingreifen könnte, auch wenn er es nicht für ausgeschlossen hält. Er befürchtet aber, dass Russland das weißrussische Territorium benutzen könnte, die Angriffe auf die Ukraine am Boden wieder zu intensivieren.
Von FPÖ-Bundesrat Johannes Hübner darauf angesprochen, ob er im Zuge der Verteidigung der Ukraine auch einen Nuklearkrieg in Kauf nehmen würde, sagte Merezhko, das Heraufbeschwören einer entsprechenden Gefahr sei Teil der Erpressung durch Russland. Niemand könne die Ukraine zu einem Kompromiss zwingen, der einen Verzicht auf Teile des ukrainischen Territoriums umfasst. Ein derartiger Kompromiss wäre seiner Meinung nach auch ein gefährlicher Präzedenzfall für die ganze Welt.
Eine wichtige Unterstützung für die Ukraine wäre Merezhko zufolge ein möglichst rascher EU-Beitritt. Schließlich würde die Ukraine auch Europa verteidigen, sagte er. Der russische Präsident Wladimir Putin habe Angst vor europäischer Solidarität.
Ausdrücklich bedankte sich Merezhko für die humanitäre Hilfe, die Österreich leistet. Diese sei wichtig und die Ukraine wisse das sehr zu schätzen, sagte er. Das Land würde zudem dringend Unterstützung in Zusammenhang mit der zerstörten Infrastruktur benötigen. Um sich ein Bild von der Lage vor Ort zu machen, lud Merezhko die österreichischen Parlamentarier:innen zu einem Besuch ein, der beste Zeitpunkt wäre seiner Ansicht nach rund um den 1. Jahrestag des Kriegsbeginns Ende Februar. Er erneuerte zudem den Wunsch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, vor dem österreichischen Parlament zu sprechen.
Abgeordnete verweisen auf humanitäre Hilfe und Bedeutung des Dialogs
Von österreichischer Seite bekräftigte SPÖ-Chefin Rendi-Wagner, dass Österreich alles in seiner Macht stehende tue, um die Ukraine zu unterstützen. Als neutraler Staat könne man vor allem humanitäre Hilfe bereitstellen, und zwar sowohl vor Ort als auch durch Unterstützung jener Ukrainer:innen, die derzeit in Österreich leben. Die Österreicher:innen seien sehr motiviert zu helfen, versicherte sie.
Das hob auch NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter hervor. "Wir versuchen, so viel zu helfen wie notwendig", unterstrich er. Die Strategie Putins, die EU durch hohe Energiekosten zu spalten,
habe nicht funktioniert. Obwohl die hohen Gas- und Strompreise für Österreich schmerzlich seien, sei der Bevölkerung klar, dass die Ukraine viel stärker unter den Krieg leide als Österreich.
Kritisch beurteilte Rendi-Wagner die Forderung Merezhkos, Russland aus der OSZE auszuschließen. Man müsse Tore und Kommunikationskanäle offenhalten, mahnte sie, zumal die OSZE gegründet worden sei, um Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Dieses Ziel solle nicht in Frage gestellt werden. Es gehe nicht darum, die Ukraine zu irgendeinem Kompromiss zu zwingen, versicherte sie, dazu sei niemand befugt. Man dürfe die in Europa herrschende Angst vor einem Nuklearkrieg aber nicht außer Acht lassen und brauche einen Ort für einen Dialog.
In eine ähnliche Kerbe schlugen die Abgeordneten Brandstätter, Troch und Minnich. Österreich sei es ein Anliegen, dass Russland in der OSZE bleibt, sagte Minnich. Es sei wichtig, Kanäle für Friedensgespräche offenzuhalten. Jemand müsse dem russischen Präsidenten klar machen, dass er seine Kriegsziele nicht erreichen könne, hielt Brandstätter ergänzend fest.
SPÖ-Abgeordneter Troch erinnerte daran, dass Wien immer eine offene Stadt für Friedensgespräche und Dialog gewesen sei. Aufgrund des russischen Vorgehens gehe es im aktuellen Konflikt wohl nicht um Friedensgespräche, Dialog sei aber notwendig, betonte er. Auch die Getreidelieferungen der Ukraine nach Afrika und in andere Weltgegenden seien Resultat von Gesprächen gewesen. Diese Einigung sei auch wichtig gewesen, eine Hungersnot in Afrika könnte gefährliche geopolitische Auswirkungen haben. Troch merkte zudem an, dass ein Austritt der Ukraine aus der OSZE in Westeuropa nicht verstanden würde und sich negativ auf die EU-Beitrittsverhandlungen auswirken könnte.
Kritisch zu den Ausführungen Merezhkos äußerte sich FPÖ-Bundesrat Johannes Hübner. Es sei ungerechtfertigt, ein Land zu kritisieren, das die Ukraine so stark unterstütze wie Österreich, erklärte er. Zudem wertete er es als befremdlich, dass jemand von außen Österreich Ratschläge erteile, wie es seine Neutralität zu interpretieren habe.
Zeitweise war auch Martin Engelberg (ÖVP) zur Aussprache zugeschaltet. Kurzfristig verhindert war Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne), sie ließ aber ein paar Fragen verlesen. (Schluss) gs
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