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Edtstadler: EU hat Dringlichkeit des Asylproblems erkannt

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"Die EU in herausfordernden Zeiten" lautete der Titel der Aktuellen Europastunde im Bundesrat bei seiner heutigen Sitzung, der voraussichtlich letzten im Redoutensaal der Wiener Hofburg. Neben dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine samt Verwerfungen am Energiemarkt und der allgemeinen Teuerung sowie der Klimakrise war die Zukunft des Schengenraums zentrales Thema der Debatte mit Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler und vier Mandatar:innen aus dem EU-Parlament. Edtstadler verteidigte das österreichische Veto gegen einen Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien zum derzeitigen Zeitpunkt mit dem "hohen Leidensdruck", unter dem die Republik aufgrund des Zustroms Asylsuchender stehe. Die Ablehnung einer Erweiterung des Schengenraums richte sich nicht gegen die beiden Beitrittskandidaten, betonte sie, sondern sorge dafür, dass die EU das Migrationsthema "ganz oben auf die Agenda setzt".

Während die FPÖ in diesem Zusammenhang vor einer neuen "Völkerwanderung" nach Europa warnte, verwehrten sich die NEOS dagegen, Schengen und die Asylpolitik der EU zu vermengen. Die SPÖ ortet innenpolitische Gründe für die Blockadehaltung von Bundeskanzler Karl Nehammer und Innenminister Gerhard Karner, und auch die Grünen hielten fest, die Entscheidung des Koalitionspartners nicht zu billigen. Seitens der ÖVP wiederum unterstrich man, zur Ausweitung des Personen- und Warenverkehrs ohne Grenzkontrollen im Binnenmarkt müsse die EU den Schutz ihrer Außengrenzen verbessern.

Eingangs brachte die FPÖ Geschäftsordnungsbedenken zur Sprache, indem ihr Mandatar Christoph Steiner im Sinne einer gerechten Redezeitverteilung appellierte, die Bundesministerin möge die ihr empfohlene Redezeit nicht überschreiten.

Sicherheit zentrales Thema für die Zukunft

Eröffnet wurde die Debatte von Christian Buchmann (ÖVP/St), Obmann des EU-Ausschusses des Bundesrats, mit dem Thema "Sicherheit". Selten in der Geschichte Europas seien die Herausforderungen so groß wie heute gewesen, so Buchmann und er nannte konkret "Putins Angriffskrieg auf die Ukraine", gegen den sich die EU gemäß ihres Wertekanons zu stellen habe. Große Verunsicherungen ergäben sich nicht nur durch kriegsbedingte Verwerfungen auf den Energiemärkten, auch der Klimawandel, die horrende Inflation, die Belastungen des Gesundheitssystems und die illegale Migration belasteten die Menschen. Folglich habe die Politik die langfristige Sicherheit der Menschen sicherzustellen. Angesichts dessen äußerte Buchmann Verständnis für das aktuelle Veto gegen einen Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien. Die wirtschaftliche Sicherheit Europas hänge letztlich von seiner "Reindustrialisierung" in Verbindung mit multilateralen Handelsabkommen ab.

Die EU-Ausschussmitglieder Stefan Schennach (SPÖ/W), Johannes Hübner (FPÖ/W), Marco Schreuder (Grüne/W) sowie Karl-Arthur Arlamovsky, der für Wien die NEOS im Ausschuss vertritt, thematisierten ebenfalls das Schengen-Veto, hatten aber andere Schlussfolgerungen als Buchmann.

Schennach befand, das "völlig aus der Luft gegriffene Veto gegen den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens" sei eindeutig der kommenden Landtagswahl in Niederösterreich geschuldet. Die Beitrittskandidatenländer seien jahrelang seitens der EU auf ihre Aufnahmefähigkeit geprüft und als geeignet befunden worden. Gerade gegenüber den zahlreichen rumänischen Pflegekräften stelle das Veto einen "Affront" dar. Hingegen werde Ungarn von der Regierung äußerst pfleglich behandelt, obwohl es dort von der EU festgestellte Rechtstaatsverstöße gebe. Wie Buchmann betonte Schennach allerdings die absolute Notwendigkeit der Hilfe und Solidarität gegenüber der Ukraine infolge des "unfassbaren russischen Angriffskriegs". Weiters müssten Teuerung, Energiekrise und nicht zuletzt der Klimawandel von der Politik effektiv angegangen werden, bestätigte Schennach die höheren EU-Zielsetzungen beim Ausbau erneuerbarer Energie.

Die "Masseneinwanderung" stellte Hübner in das Zentrum seiner Ausführungen über die Europapolitik. Dabei sprach er der EU ab, echte Lösungen für die Bewältigung der Migration, besonders aus Nordafrika, gefunden zu haben. Wie ein effektives Grenzmanagement funktioniert, habe Polen "ohne Mitwirkung der EU" mit seinen Grenzbarrieren an der Grenze zu Weißrussland bewiesen. Für Hübner ist das "Friedensprojekt" der europäischen Einigung gescheitert, denn die EU-Sanktionen gegen Russland würden kontraproduktiv für Verhandlungen sein. Ebenso kritisierte er die Preisgestaltung im Energiesystem der EU, die nur zur Kostensteigerung beitrage, und die Finanzierung des Wiederaufbaufonds der EU zu Lasten der Nettozahlerländer. Anders als Schennach verteidigte der freiheitliche Fraktionsvorsitzende Ungarn mit Verweis auf die aktuellen Korruptionsvorwürfe im Europäischen Parlament.

Schreuder hielt dem entgegen, "das Europaparlament ist unser Parlament", dank des Rechtsstaatsprinzips der EU samt Pressefreiheit würden mutmaßliche Korruptionsfälle aufgedeckt und juristisch verfolgt. Als gebürtiger Niederländer, "eingeheiratet in eine rumänische Familie", wünsche er sich ein Europa ohne Grenzen, bekannte der Grünen-Mandatar. Bezugnehmend auf die Schengen-Debatte warnte er, Rumäninnen und Rumänen sowie Bulgarinnen und Bulgaren würden Österreichs Veto als Missachtung werten. Es sei "ein Gebot der Fairness", Rumänien und Bulgarien so rasch als möglich eine Schengen-Perspektive zu geben, nicht zuletzt im Sinne der Wirtschaft. Aufgewachsen in Zeiten des Kalten Kriegs habe er die Bedeutung eines "weltoffenen Europas" ohne Barrieren und Krieg erkannt. "Europa ist das größte Friedensprojekt weltweit", wies er anderslautende Feststellungen entschieden zurück.

Karl-Arthur Arlamovsky (NEOS/W) bezeichnete die Vermischung der Migrationsdebatte mit dem angepeilten Schengenbeitritt Rumäniens und Bulgariens als "unzulässig". Bezahlen dafür müssten nicht nur häufig zwischen den Ländern reisende Personen, sondern auch die heimische Wirtschaft, die unter "internationaler Schmach" leide. In geografischen Details beschrieb er die häufigsten Migrationsrouten nach Europa, die ihm zufolge an den beiden Kandidatenländern vorbeiführen. Vielmehr liege das Problem in den unzureichenden Kontrollen der Schengen-Länder Griechenland und Ungarn. Sinnvoll wäre es aus Sicht des NEOS-Abgeordneten, den gesamten Westbalkan in den Schengenraum aufzunehmen und so die Außengrenze zu verkleinern, wodurch sie besser abzusichern wäre.

Bundesministerin Edtstadler: Friedensprojekt Europa erhalten

Die innere Sicherheit Europas zu erhalten, ist für Bundesministerin Edtstadler ausschlaggebend für den Erhalt des Friedensprojekts Europas. Der "schreckliche Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine", mit weltweit spürbaren Folgen – etwa bei der Nahrungsmittelsicherheit – führe dies vor Augen. Österreich habe durch sein derzeitiges Veto gegen eine weitere Ausdehnung des Schengenraums erreicht, dass das Thema Migration auf der EU-Agenda nunmehr ganz oben stehe, verteidigte sie die Entscheidung. Immerhin sei die Republik mit heuer bereits 100.000 Asylwerber:innen massiver als andere EU-Länder vom Migrationsdruck betroffen, nachdem die EU seit der Flüchtlingswelle 2015 kein funktionierendes Asylsystem in der EU auf den Weg gebracht habe, wie sie kritisch anmerkte.

Als ihre "Vision" beschrieb Edtstadler "ein Europa ohne Grenzen nach innen". Dafür brauche es aber einen effektiven Außengrenzschutz. Die Länder an den Außengrenzen müssten von der EU finanzielle Unterstützung zur Grenzsicherung erhalten, auch bei der Errichtung von Grenzbarrieren wie Zäunen. Mit beschleunigten Asylverfahren an den Grenzen solle gemäß der Europäischen Menschenrechtskonvention jenen, die keine Chance auf Asyl haben, der Zutritt in die EU verwehrt werden, um tatsächlich Schutzsuchenden die Aufnahme zu ermöglichen. Das Veto sei nicht gegen Rumänien und Bulgarien gerichtet, betonte die Europaministerin, sondern gegen ein lückenhaftes System. Anfang Februar 2023 werde ein EU-Sonderrat der Staats- und Regierungschefs anhand eines 5-Punkte-Plans aus Österreich Maßnahmen zur Verbesserung des Asylsystems beraten, kündigte Edtstadler an.

EU-Parlament muss Korruptionsvorwürfe aufklären

Die Europaabgeordneten Christian Sagartz (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Georg Mayer (FPÖ) und Monika Vana (Grüne) präsentierten bei ihrem Auftritt im Plenum des Bundesrats das EU-Parlament als Schnittstelle zwischen den Institutionen und der Bevölkerung der Europäischen Union. Die jüngsten Korruptionsvorwürfe gegen Mandatar:innen des EU-Parlaments wurden dabei nicht ausgespart, wobei sich alle Redner:innen für eine rasche und lückenlose Aufklärung aussprachen. Mayer warf allerdings der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament vor, am meisten in die mutmaßlichen Korruptionsfälle verstrickt zu sein.

"Das ist der größte Skandal der Europäischen Union in ihrer Geschichte", so Mayer, der verursachte Schaden sei nicht wieder gutzumachen. Deutlich verurteilte er überdies die EU-Sanktionen gegen Russland sowie die europäische Energiepolitik samt Gaspreisdeckel. Die Klimastrategie der EU sei unglaubwürdig, immerhin würden zur Energiesicherung erneut Atom- und Kohlekraftwerke in Betrieb genommen, so der Freiheitliche. 

Vana bezichtigte die FPÖ der "anti-europäischen Meinungsmache" und forderte eindringlich "weniger Populismus", wiewohl sie ebenfalls Korruption in EU-Gremien als großen Schaden für die Demokratie sieht. Die Weiterentwicklung der EU sei mit der Bürger:innenkonferenz zur Zukunft Europas vorgezeichnet worden, so Vana, die sich dementsprechend für eine Aufwertung der regionalen und lokalen Ebenen aussprach. Ein Initiativrecht des EU-Parlaments befürwortete sie ebenfalls. Grundsätzlich brauche es gemeinsame Weichenstellungen der EU-Länder zur Krisenbewältigung, denn "nationale Alleingänge lösen die Probleme nicht", von der Klimakrise bis zur Migration, die ohne bauliche Maßnahmen an den EU-Außengrenzen bewältigt werden müsse.

Der Erhalt und die Ausweitung von Freiheit, Demokratie und Wohlstand seien durch den russischen Angriffskrieg auf eine harte Probe gestellt worden, verwies Schieder auf massive Kriegsverbrechen durch russische Truppen. Die Klimakrise nannte der Sozialdemokrat als weitere große Herausforderung, der die EU mit ihrem Green Deal entgegentrete. Die Liberalisierung des Energiemarkts nannte er in diesem Zusammenhang als den falschen Weg, vielmehr habe der Staat lenkende Maßnahme zu ergreifen wie die Entkoppelung von Strom- und Gaspreis und den Ausbau erneuerbarer Energieträger.

Sagartz hielt fest, die Bürgerinnen und Bürger müssten einen greifbaren Zugang zum Wirken der EU-Politik erhalten, um Vertrauen in die Institutionen zu gewinnen. Konkret nannte er die Institution der "Europagemeinderäte" als Best-Practice-Beispiel, aber auch "LEADER", ein EU-Projekt zur Regionalförderung, mit dem "das Geld aus Brüssel" in die Gemeinden komme. "Europa lebt von der Personifizierung des Zusammenhalts", sagte er und lobte den europäischen Austausch im Rahmen der Bildungsarbeit. Besonders für Lehrlinge wünscht er sich hier noch erweiterte Möglichkeiten. (Fortsetzung Bundesrat) rei

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.


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