Ärztemangel, Kompetenzausweitung für Gesundheitsberufe und Übersterblichkeit dominieren Aussprache mit Gesundheitsminister Rauch | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Ärztemangel, Kompetenzausweitung für Gesundheitsberufe und Übersterblichkeit dominieren Aussprache mit Gesundheitsminister Rauch

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Im Gesundheitsausschuss des Nationalrats stellte sich heute Gesundheitsminister Johannes Rauch den Fragen der Abgeordneten im Rahmen einer aktuellen Aussprache. Zur Sprache kamen dabei mitunter der Ärztemangel, die Einführung des Facharztes für Allgemeinmedizin, das Sanitätergesetz und die Kompetenzausweitung bei nicht-ärztlichen Gesundheitsberufen.

Darauf folgend wurden drei Volksbegehren – eines zum Stopp von Lebendtiertransporten und zwei zur Abschaffung der Impfpflicht – behandelt und einstimmig vertagt. Drei Berichte über die COVID-19-Ausgaben des Gesundheitsressorts wurden mit einer Stimmenmehrheit von ÖVP und Grünen zur Kenntnis genommen und gelten somit als enderledigt.

Rauch: Attraktivierung von Kassenarztstellen gegen Ärztemangel

Eines der zentralen Themen der Aussprache war der Ärztemangel. Die SPÖ-Mandatare Rudolf Silvan und Dietmar Keck fragten nach dessen Ausmaß und den Maßnahmen, die dabei Abhilfe schaffen sollen. Rauch stellte klar, dass es keinen generellen Mangel an Ärzten gebe. Die Anzahl an ausgebildeten Medizinern sei vom Jahr 2000 bis 2022 um 55% gestiegen, während das Bevölkerungswachstum Österreichs in diesem Zeitraum lediglich 11% betragen habe. Kritisch zu betrachten sei jedoch die Verteilung zwischen Wahl – und Kassenärzt:innen. Der Wahlarztsektor sei seit 2007 um 40% angewachsen, bei den Vertragsärzt:innen habe es hingegen lediglich eine Steigerung von 0,8% gegeben.

Dies sei vor allem deshalb problematisch, weil der Anteil an Wahlärzt:innen in der ambulanten Versorgung nur 5,5% betrage. Der Überhang von Wahl- im Vergleich zu den Kassenärzt:innen liege auch daran, dass viele Absolvent:innen des Medizinstudiums sich eine vorteilhafte Word-Life-Balance wünschten und die bürokratischen Verpflichtungen im Kassenbereich vermeiden wollten. Diese Problematik schlage sich auch in der von Julia Seidl (NEOS) aufgeworfenen Frage der Landärzt:innen nieder und sei sowohl der Sozialversicherung als auch der Ärztekammer in ihrer Dringlichkeit bewusst. Es gehe nun darum, die öffentliche Gesundheitsversorgung und die klassischen Kassenarztstellen zu attraktivieren, wofür eine "breite Palette von Modellen" notwendig werde. Sonst werde die von Philip Kucher (SPÖ) angesprochene "Zweiklassenmedizin" bald zur verschärften Realität.

Kompetenzausweitung nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe, Sanitätergesetz und Facharzt für Allgemeinmedizin

Philip Kucher (SPÖ) bezog sich auf das türkis-grüne Regierungsprogramm, in dem eine Aufwertung nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe durch Kompetenzausweitungen vorgesehen sei. Dies betreffe unter anderem den gehobenen Dienst für die Gesundheits- und Krankenpflege oder die Apotheker:innen. Kucher fragte nach konkreten Schritten in diese Richtung. Bei dieser Frage gebe es oft Widerstände der einzelnen Berufsgruppen, wie Rauch erklärte, weshalb er für mehr Durchlässigkeit der Berufsgruppen untereinander plädierte. Schon jetzt passiere es, dass etwa Pfleger:innen, die gewisse Handlungen nur auf ärztliche Anweisung ausführen dürften, diese "aus der Not" eigenverantwortlich tätigten und sich somit in einem gesetzlichen Graubereich bewegten.

Für die Reform des Sanitätergesetzes interessierten sich Kucher und Ralph Schallmeiner von den Grünen. Er habe sich in den letzten Monaten intensiv damit beschäftigt und mit den verschiedenen Stakeholdern ausgetauscht, sagte Rauch. Es gehe um ein komplexes System von Ärzt:innen, berufstätigen und freiwillen Helfern. Zentrale Fragen seien der notwendige Ausbildungsgrad oder die Differenzierung zwischen Notfall- und Rettungssanitätern. Mit den Stakeholdern sei vereinbart worden, den Prozess zur Reform in Gang zu setzen, internationale Standards zu eruieren und festzustellen, was genau reformbedürftig sei, so Rauch. Dabei ginge es unter anderem um Optimierungen in der Alarmierungskette.

Eines weiteres Thema war die lange erwartete Einführung eines Facharztes für Allgemeinmedizin, für die sich Werner Saxinger von der ÖVP interessierte. Rauch erklärte, dass die Schaffung dieser Ausbildung Teil eines Maßnahmenpakets zur Attraktivierung der Allgemeinmedizin sei und sich bereits "auf der Zielgerade" befände. Die Ausbildung werde künftig im Anschluss an das Medizinstudium fünf Jahre dauern, wobei zwei Jahre davon in einer Lehrpraxis erfolgten.

Impfstoffversorgung gegen Affenpocken und Verunreinigung von Corona-Test-Kits

Schallmeiner fragte auch nach der Impfstoffversorgung gegen die Affenpocken. Hier sei laut Rauch analog zur COVID-19-Pandemie ein europäisches Handeln und ein gemeinsamer Ankauf der Impfdosen vorgesehen gewesen. Einzelne Staaten seien jedoch "ausgeschert" und hätten sich für teurere Angebote mit einer kürzeren Lieferzeit entschieden. Die Lieferung für diese Länder sei nicht zustande gekommen, aber Österreich sei dadurch nachgereiht worden. Dies zeige die Wichtigkeit eines gemeinsamen europäischen Vorgehens, wie Rauch betonte.

FPÖ-Mandatar Peter Wurm sprach mögliche Verunreinigungen von Corona-Test-Kits an und fragte Gesundheitsminister Rauch, ob er dieser Thematik bereits nachgegangen sei. Rauch verwies auf die AGES, nach der es keinerlei Verunreinigungen von Test-Kits gebe.

Debatte über COVID-19-Impfungen und Übersterblichkeit

Wurms Fraktionskollege Gerald Hauser thematisierte die Sicherheit der COVID-19-Impfstoffe, die lediglich über eine "bedingte Zulassung" verfügten. Er sprach auch von einer "unfassbar hohen" Übersterblichkeit, die im europäischen Vergleich vor allem jene Länder mit hohen Impfquoten betreffen würden. In Österreich liege diese im Juli 2022 bei 16%. Er fragte Rauch, wie er diese Zahlen interpretiere und ob sie bei seinen politischen Entscheidungen berücksichtigt würden. Zudem wollte er wissen, warum bis Ende 2023 70 Mio. Impfdosen bestellt worden seien.

Gesundheitsminister Rauch antwortete Hauser, dass er diesen von der Wirksamkeit der Impfung wohl nicht mehr überzeugen werden könne. Was die Übersterblichkeit betreffe, sei diese nicht auf einen einzelnen Faktor zurückzuführen. Es handle sich um ein komplexes Phänomen, das auch auf Ebene der WHO diskutiert werde. Dabei dürfte auch die Hitzetoten nicht außer Acht gelassen werden. Der enormen Hitzewelle im Sommer seien einigen Menschen direkt oder indirekt zum Opfer gefallen. Josef Smolle (ÖVP) plädierte für einen verantwortungsvollen Umgang mit Zahlen und verwies auf Bulgarien, das mit einer sehr niedrigen Impfquote einer vierfach höhere Übersterblichkeit aufweise als der EU-Durchschnitt.

Weitere Themen der Aussprache waren die von Fiona Fiedler (NEOS) angesprochenen Vorsorgeuntersuchungen und der Europäische Raum für Gesundheitsdaten, das von Elisabeth Scheucher-Pichler (ÖVP) und Rosa Ecker (FPÖ) thematisierte Angebot von psychologischer bzw. psychiatrischer Betreuung und die von Julia Seidl (NEOS) aufgeworfene Tabakstrategie in Bezug auf Nikotinbeutel. Zudem interessierten sich Ausschussobmann Gerhard Kaniak (FPÖ) für  Abhängigkeit von nicht-europäischen Produzenten bei der Arzneimittelversorgung und ÖVP-Mandatar Josef Smolle für die Empfehlungen des Rechnungshofes hinsichtlich des Corona-Managements.

Volksbegehren fordert Stopp von Lebendtiertransporten

Weiters befasste sich der Gesundheitsausschuss mit drei Volksbegehren, unter anderem jenes mit dem Titel "Stoppt Lebendtier-Transportqual", das von 426.938 Personen unterstützt wurde (1631 d.B.). In der Begründung wird darauf hingewiesen, dass täglich 3,8 Millionen Tiere auf den Straßen transportiert werden, also rund 1,4 Milliarden pro Jahr. Es komme bei den Tieren zu Erschöpfungszuständen, Dehydrierung und Verletzungen aufgrund des oft massiven Platzmangels. Die Unterstützer:innen des Volksbegehrens drängen daher auf entsprechende bundesverfassungsgesetzliche Regelungen, um das Tierleid beim Schlachtviehtransport zu unterbinden. Zudem sei auf europäischer Ebene ein generelles Verbot von Lebendtiertransporten notwendig. Im Sinne "einer Lösung mit Hausverstand" sollte das Vieh maximal nur bis zum nächsten Schlachthof gebracht werden dürfen.

Da die Thematik angesichts der vollen Tagesordnung seiner Meinung nach im Rahmen der Ausschusssitzung nicht angemessen diskutiert werden könne, stellte Ralph Schallmeiner (Grüne) einen Vertagungsantrag der einstimmig angenommen wurde.

Zwei Volkbegehren gegen die Impfpflicht

Noch vor den Beschlüssen im Nationalrat und Bundesrat im Juli dieses Jahres, die das Aus für die COVID-19-Impfpflicht besiegelten, wurden diesbezügliche Volksbegehren eingeleitet. So sprachen sich erneut 246.878 Personen für ein dezidiertes "NEIN zur Impfpflicht" aus, weil damit der Staat das "Volk zur Teilnahme an einem gentechnischen Experiment zwingen" wolle (1627 d.B.). Der Bundesverfassungsgesetzgeber soll daher alle Impfpflichten in Österreich verhindern bzw. die sofortige Aufhebung aller COVID-19-Impfpflichten beschließen, lauten die vom Bevollmächtigten Robert Marschall vorgebrachten zentralen Forderungen.

Im Ausschuss sprach Marschall von der Impfpflicht als "tödlichstes Gesetz", das in der Zweiten Republik je beschlossen wurde. Er erklärte, dass jene, die das Gesetz als "Täter" eingeführt hätten sich mit der Abschaffung wieder als "Retter" gerierten und er bemängelte, dass diese nach wie vor im Parlament säßen.

Martina Diesner-Wais (ÖVP) stellte klar, dass die angesprochenen Abgeordneten weder "Täter" noch "Retter" seien, sondern vor allem auf Basis von Expertenmeinungen ihre Entscheidungen getroffen hätten. Da der Intention des Volksbegehrens mit der Abschaffung der Impfpflicht bereits nachgekommen worden sei, stellte sie einen einstimmig angenommenen Vertagungsantrag.

Mittlerweile überholt sind auch die Anliegen des zweiten Volksbegehrens zu diesem Thema mit dem Titel "Impfpflichtabstimmung: NEIN respektieren" (1629 d.B.). Darin wird der Bundesverfassungsgesetzgeber aufgefordert, den Willen des Volkes umzusetzen und eine Impfpflicht auszuschließen. Bevollmächtigter Werner Bolek gibt zu bedenken, dass sich bei der im September 2021 durgeführten Impfabstimmung eine klare Mehrheit von 80,39% gegen eine Impfpflicht und gegen die Diskriminierung aufgrund des Impfstatus ausgesprochen habe.

Das Volksbegehren habe sicher seinen Teil zur Abschaffung der Impfpflicht beigetragen, erklärte Bolek im Ausschuss. Andere Forderungen des Volksbegehrens seien damit jedoch noch nicht umgesetzt worden, wie etwa ein Diskriminierungsschutz von Ungeimpften. Zudem hätte er seine Anliegen lieber im Verfassungsausschuss diskutiert gesehen. Auch dieses Volksbegehren wurde einstimmig vertagt.

Berichte über die Corona-Ausgaben des Gesundheitsressorts

Der aktuelle Bericht des Gesundheitsressorts gemäß COVID-19-Krisenbewältigungsfonds enthält nicht nur die Zahlen für den Monat Juni, sondern erstmals auch eine gesamte Darstellung der Aufwendungen in den Bereichen Testen, Impfen, COVID-19-Arzneimittel, Abwassermonitoring, Verdienstentgang und Schutzausrüstung (III-743 d.B.). Für die Testungen wurdenseit Beginn der Pandemie insgesamt 2,992 Mrd. € ausgegeben. Nicht inkludiert sind dabei die Testungen an Schulen und in Betrieben, die in die Zuständigkeiten des Bildungsressort bzw. des Wirtschaftsministeriums fallen. Für rund 18.620.000 bisher verabreichte Impfungen sind Kosten in der Höhe von 1,1 Mrd. € angefallen.

Basierend auf einer EU-Empfehlung hat das Ministerium im Jänner 2022 die "Nationale Referenzzentrale für SARS-CoV-2-Abwassermonitoring"  etabliert. Bisher sind dafür Kosten in der Höhe von 274.034 € angelaufen. Weitere hohe Aufwendungen ergaben sich durch Verdienstentgangszahlungen an die einzelne Bundesländer, die auf Regelungen im Epidemiegesetz fußen. Im Bericht wird dafür eine Summe in der Höhe von 694 Mio. € angegeben.Was die Ausgaben für Schutzausrüstungen betrifft, so sind seit Beginn der Pandemie Kosten in der Höhe von rund 554 Mio. € angefallen.

Im Bericht dargestellt werden auch die Ausgaben für jene Maßnahmen, die im Bereich der Bekämpfung der Armutsfolgen sowie für den Sektor Langzeitpflege getätigt wurden. Im Jahr 2020 erfolgten im Rahmen des Familienhärteausgleichs Einmalzahlungen in der Höhe von 13 Mio. € und im folgenden Jahr 34 Mio. €. Auf Basis des Pflegefondsgesetz wurden insgesamt 150 Mio. € ausgeschüttet, die für flankierende Maßnahmen im Bereich der Langzeitpflege eingesetzt wurden.

Der Bericht für den Juni 2022 wurde ebenso wie jene für April (III-660 d.B.) und Mai (III-680 d.B.) mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen zur Kenntnis genommen und gelten somit als enderledigt.

Gesundheitsminister Rauch gab dahingehend zu bedenken, dass es am Anfang der Corona-Krise keinen Pandemieplan gab und das gute Management den Mitarbeiter:innen seines Ressorts zu verdanken sei. Für ihn habe die Krise den Reformbedarf des Epidemiegesetzes offenbart. Es habe nicht die notwendige Handhabe für ein effektives Pandemiemanagement geliefert. Einen der größten Schwachpunkte sah er im Datenschutz, dessen Handhabung in einer derartigen Gesundheitskrise nicht ausreichend geregelt sei. Zudem müsse es laut Rauch einen Pandemieplan mit klaren Parameter und eine bessere europäische und auch innerösterreichische Abstimmung geben. (Schluss Gesundheitsausschuss) wit


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