WKÖ-Wirtschaftsparlament: Fraktionen sehen Betriebe vor großen Herausforderungen
Wien (OTS) – Im heutigen Wirtschaftsparlament eröffnete Michael Schuster von UNOS – Liste unternehmerisches Österreich die Reihe der Fraktionserklärungen. Er verwies auf die multiplen Krisen – Covid-Pandemie, Klimakrise, Krieg. In der Corona-Pandemie habe die Wirtschaftskammer frühzeitig einen vernünftigen Plan entworfen, der aber wenig Gehör gefunden habe. In der Klimakrise würde zwar Innovation als Beitrag zur Lösung gesehen, es seien aber auch „überraschend rückwärtsgerichtete Aussagen zu hören, die den Ernst der Lage nicht vollständig erkannt haben“. Schuster sieht aber auch Krisensignale, die sich an die Organisation selbst „anschleichen“ würden: eine Demokratiekrise, seiner Meinung nach erkennbar an alarmierend niedriger Beteiligung und Unregelmäßigkeiten bei WK-Wahlen. Durch den Erfolg der österreichischen Unternehmen seien die Kammer-Rücklagen gut dotiert, Schuster sieht die Gefahr von „Korruption und Verschwendung“. Statt 30 Euro pro aktives Mitglied für externe Werbung auszugeben, würde mit 5 Euro „locker das Auslangen gefunden.“ Vertrauen sei schnell verloren, aber schwer wiederhergestellt: Österreichs Wirtschaft brauche „jede Unterstützung, die sie bekommen kann“.
Detlev Neudeck von der Fachliste der gewerblichen Wirtschaft wies darauf hin, dass neben dem Energieproblem auch die Vertrauenskrise in die Politik ein großes Problem sei, mit dem sich die Wirtschaftskammer zu beschäftigen habe. „Wenn wir im Wirtschaftsparlament Anträge beschließen, dann darf das nicht verpuffen. Die Kollegen aus verschiedenen Fraktionen, die auch im Nationalrat sind, sollen sich zusammensetzen und die Anliegen der Wirtschaft auch umsetzen“, fordert Neudeck. Zudem gelte es, das Wahlrecht transparenter zu gestalten. „Holen wir uns jemand von außen, der ein Wahlrecht auf den Tisch legt, das demokratisch, rechtlich richtig und durchdacht ist. Wir brauchen ein Wahlrecht, das wirklich von unten nach oben gerecht durchrechnet und Manipulationen erschwert“, so Neudeck. Zusätzlich erwartet er sich von der Wirtschaftskammer, dass sie, wenn es konjunkturell zu Seitwärts- und möglicherweise sogar Abwärtsbewegungen kommt, Reserven anzapft, um Mitgliedsbetriebe zu unterstützen.
Als „glühende Verfechterin“ des sozialpartnerschaftlichen Prinzips gemeinsamer Lösungen bezeichnete sich Sabine Jungwirth von der Grünen Wirtschaft. Das Wirtschaftsparlament sei geeint in einer Sorge:
Russland setze in Putins Angriffskrieg den Entzug des Zugriffs auf Energie als Waffe gegen uns ein. Im Kampf gegen die Klimakrise hätte die Transformation und Dekarbonisierung – bei früherem Angehen der Probleme – zu weniger Konflikten geführt, das sei aber verschüttete Milch. Jetzt müsse man „handeln statt lamentieren“, so Jungwirth. Sie sieht fünf Punkte: volle Kraft in den Ausbau Erneuerbarer Energie, Verbesserung der Energieeffizienz, Wandel der Antriebstechnologien, Reaktivierung von Kohlekraftwerken nur als Überbrückung und Senkung des Energieverbrauchs. Jungwirth wünscht sich eine Debatte über Unterstützung für Unternehmen, deren Geschäftsmodelle scheitern. Der Umweltschutz dürfe nie aus dem Auge verloren werden; es gehe um den Erhalt von Wohlstand und unserer Lebensgrundlage. Sie sei „zuversichtlich, dass wir das schaffen können“.
Der Bundesobmann der Freiheitlichen Wirtschaft, Matthias Krenn, mahnte vor allem rasche Maßnahmen gegen die steigenden Energiepreise ein. „Die sich bereits im dritten Jahr befindliche Covid-Pandemie und vor allem der russische Angriffs-Krieg sind für uns gelinde gesagt eine Katastrophe. Wir laufen Gefahr, unseren Wohlstand und die soziale Sicherheit zu verlieren, wenn wir nicht rasch gegensteuern.“ Hauptproblem sei, dass man nicht vorbereitet sei, auch EU-weit nicht. „Ein Embargo ohne konkretes Ausstiegsszenario ist so, wie wenn ich heute meine Wohnung aufgebe und nicht weiß, wo ich morgen wohnen werde“, sagt Krenn. Er fordert daher, rasche Maßnahmen unter Einbeziehung der betroffenen Betriebe zu treffen – und diese müssten über „grüne Kochtopf-Tipps und das Drosseln des Raumklimas hinausgehen“. Konkret brauche es unverzüglich gesetzliche Rahmenbedingungen, um den Ausbau erneuerbarer Energie zu beschleunigen. Aber auch die nötige Ladeinfrastruktur gehöre rasch zur Verfügung gestellt und die Forschung an synthetischen Kraftstoffen und Wasserstoff intensiviert, fordert Krenn.
Christoph Matznetter vom Sozialdemokratischen Wirtschaftsverband SWV vermisst Nüchternheit und Sachlichkeit in der Innenpolitik-Debatte zur Energieversorgung. „Wir beziehen unsere gesamte Primärenergie von außerhalb des Landes. Irgendetwas kurzfristig ersetzen zu können, ist unrealistisch.“ Obwohl in Österreich der 30-fache Jahresenergiebedarf unter dem Erdboden liege, würde über LNG aus Katar diskutiert, wofür jede Infrastruktur fehlt. Die geförderte Umstellung der Öl- und Gasheizungen führe statt zu effizienter Nutzung von Geothermie zum „absurden Einsatz von Luftwärmepumpen“, die just in der Heizperiode 100 Prozent Strom benötigen, wenn die Versorgung instabil ist. Alle seien einig, dass Bankkredite für Covid-krisengebeutelte Unternehmen etwa im Tourismus verlängert werden sollten; Anträge im Nationalrat würden aber endlos vertagt. Die Inflation sei nicht „über Almosen“ zu bekämpfen, hier gelte es, den Teuerungszirkel zu durchbrechen. Matznetter spricht sich für eine Übergewinnbesteuerung und gegen die „Merit-Order“ beim Strompreis aus: In Krieg und Krise dürfe aus der Not kein Profit geschlagen werden.
Für Sigi Menz von der Liste Industrie ist es „an der Zeit, nicht alles schlecht zu reden, sondern die Zukunft mitzugestalten“. Schließlich gehe angesichts der aktuellen Energiekrise, den Lieferkettenprobleme oder dem Fachkräftemangel um wichtige Weichenstellungen für die künftige Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Industrie. „Die Industrie ist die Stütze des österreichischen Aufschwungs. Doch laut jüngstem IV-Konjunkturbarometer ist der Optimismus eingebrochen. Nur noch jedes neunte Unternehmen erwartet im kommenden Halbjahr eine Verbesserung, jedes dritte eine deutliche Verschlechterung“, warnt Menz. Es gelte daher, europaweit für die Rahmenbedingungen zu verbessern. „Ohne Miteinander wird das nicht gehen. Es ist von zentraler Bedeutung, dass die EU ihre Wirtschaftsbeziehungen über die Nachbarn hinaus verstärkt, das heißt, dass wir weitere Freihandelsabkommen wie Mercosur abschließen“, so Menz. Die Industrie sei jedenfalls bereit, zur Bewältigung der Krisen „alle Anstrengungen zu unternehmen. Voraussetzung ist aber eine wettbewerbsfähige Standortpolitik“, betont Menz.
Den Vorwurf, „zurückgerichtet“ zu agieren, wies Alexander Klacska vom Wirtschaftsbund zurück: „Wir legen den Finger in die Wunde, wenn vorgegaukelt wird, was in dieser Geschwindigkeit und Dimension nicht geht.“ So habe man vor drohenden Engpässen im Schienenverkehr gewarnt, jetzt würden Passagiere trotz gültiger 1-2-3-Tickets abgewiesen. Die Energieministerin weise auf Aufstockungspläne bei Erneuerbarer Energie von 75 auf 100 Prozent hin, verschwiege aber, dass Strom nur 20 Prozent am Energiebedarf ausmacht: „Wo kommen die restlichen 80 Prozent her?“ Es gelte, über die Gasvorkommen, die in Österreich schlummern, ebenso zu sprechen wie über Investitionen in Infrastruktur und Netze. Europa spüre die Folgen des Krieges wie keine andere Region der Welt. Die CO2-Bepreisung dürfe erst kommen, wenn sich die Energiekosten auf planbarem Niveau stabilisiert haben. Bedrohlich sei zudem der Arbeitskräftemangel. Debatten wie über die Vier-Tage-Woche seien – wenn sie nicht auf Freiwilligkeit basiert -brandgefährlich, schon jetzt würde in Österreich mit Feiertagen und Urlaub 40 Prozent des Jahres nicht gearbeitet: „Bei noch mehr kippt das System.“ Was das Kammer-Wahlrecht betrifft, so dürfe es kein Problem für Wahlwerber sein, zwei bis maximal sieben Unterstützungserklärungen zu sammeln, so Klacska. Müssten Wahlkarten an alle verschickt werden, drohe Chaos: „Dann würde jede Wahl aufgehoben.“(PWK289/HSP/DFS)
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