Ehemaliger Hawelka-Kellner: „Man wird behandelt, wie der letzte Dreck“ | Brandaktuell - Nachrichten aus allen Bereichen

Ehemaliger Hawelka-Kellner: „Man wird behandelt, wie der letzte Dreck“

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Wien (OTS) – Wien ist berühmt für seine Kaffeehauskultur, eher unrühmlich sind oft die Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe, wie der Kellner Marko Simić (Name von der Redaktion geändert) am eigenen Leib erfahren musste – und zwar während seiner Zeit im berühmten Wiener Kaffeehaus „Hawelka“. Dort arbeitete er 40 Stunden in der Woche für 1.750 brutto. Von seinem Umsatz wurden ihm 2% abgezogen egal, ob er Trinkgeld bekam oder nicht. Aber das war noch nicht alles: Eines Tages im Mai 2019 bediente Herr Simić einen bereits leicht angetrunkenen Gast. Die Touristin, die bereits einige Bier bestellt hatte, bestellte noch zwei und verließ ihren Tisch, um (erfolglos) zwei andere Gäste zu bitten, sie auf das Bier einzuladen. Als Herr Simić die zwei bestellten Bier kassieren wollte, stellte er fest – die Dame war weg! Er lief ihr daraufhin nach, hielt sie fest und versuchte, sie zurück ins Lokal zu bringen, damit sie die Rechnung begleichen konnte. Die Frau wurde daraufhin aggressiv, bespuckte Herrn Simić und trat ihm sogar mehrmals gegen sein Fußgelenk. Als der Kellner seinen direkten Vorgesetzten bat, die Polizei zu holen, entgegnete der „das brauchen wir nicht, zahl du doch“. Letztendlich einigte man sich aber darauf, die offene Rechnung aufs Haus zu buchen und die Zechprellerin kam davon.

Am nächsten Tag war der Fuß, gegen den der Kellner getreten wurde, geschwollen und er rief seinen Chef an, dass er zum Arzt müsse. Der fragte ihn, warum er die Rechnung am Vortag nicht beglichen hätte, worauf Herr Simić antwortete „Ich kann es mir nicht leisten von meinem Gehalt auch noch die offenen Rechnungen der Gäste zu bezahlen“. Daraufhin wurde er einfach am Telefon entlassen!

Das war ein Schock für den Wiener, der mit Leib und Seele Kellner ist und das Gastgewerbe in- und auswendig kennt. Obwohl er seinen Job liebt, bemerkt er: „Die Arbeitsbedingungen sind in den letzten Jahren miserabel geworden. Man wird teilweise behandelt wie der letzte Dreck“. Der Mann wandte sich an die AK und bekam Recht: Die Entlassung war nicht gerechtfertigt und das Hawelka musste mehr als 2.800 Euro an ihn bezahlen und die Verfahrenskosten übernehmen.

Ludwig Dvořák, Leiter der Rechtsschutzabteilung der AK Wien, kennt die Probleme der Branche aus der Beratungspraxis. „In unserer Beratung bestätigt sich schon der Eindruck, dass der vielbeklagte Fachkräftemangel auch hausgemacht ist. Auf der einen Seite wird händeringend Personal gesucht, auf der anderen Seite sind Tourismus und Gastgewerbe jene Branchen, aus denen besonders viele Beschäftigte bei uns vorsprechen. Wer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sucht, wäre gut beraten, sie auch entsprechend zu behandeln und arbeitsrechtliche Bestimmungen einzuhalten“. Außerdem rät der Arbeitsrechtsexperte:
„Wenn Sie entlassen werden oder zu einer einvernehmlichen Kündigung gedrängt werden, wenden Sie sich bitte an die Arbeiterkammer. Wir überprüfen jeden Sachverhalt und machen etwaige Ansprüche für Sie geltend“.

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