TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“, vom 29. April 2022, von Michael Sprenger:“Zwischen Razzien und Handy-Ortung“
Innsbruck (OTS) – Die Bewilligung der nicht umgesetzten Handy-Überwachung der Gebrüder Fellner war rechtswidrig. Dadurch ändert sich zwar nichts an den ÖVP-Korruptionsvorwürfen, es bestätigt aber den Schutz der journalistischen Arbeit.
Die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft machen einen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit wichtigen Job. Mit ihrer Arbeit machen sie sich bei Betroffenen nicht beliebt. Das ist auch nicht ihr Ziel. Dass sie von politisch Mächtigen immer wieder verbal attackiert werden, ist bitter. Sakrosankt sind die Ermittler aber deshalb nicht.
Im Zusammenhang mit der beantragten Peilung der Handys der beiden Manager des Boulevardblatts Österreich ist den Ermittlern der WKStA ein schwerer Fehler unterlaufen – allerdings, das sollte man hinzufügen, sie haben den Fehler rechtzeitig erkannt und transparent im Akt festgehalten.
Zur Erinnerung: Im Zusammenhang mit dem Verdacht manipulierter Umfragen und mutmaßlicher Inseratenkorruption wird unter anderem auch gegen Helmuth und Wolfgang Fellner ermittelt. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft vermutet ein Zusammenspiel des Medienhauses mit den beiden Meinungsforscherinnen Sabine Beinschab und Ex-Ministerin Sophie Karmasin. Ziel sollte es sein, so der Verdacht, unter der Anleitung der Weggefährten des Sebastian Kurz dessen politischen Aufstieg bis ins Kanzleramt zu ebnen. Die Verdachtsmomente wiegen schwer. Doch es gibt Grenzen – auch bei der Suche nach Beweisen. Egal, welche Position man gegenüber dem Blatt Österreich einnimmt: Die Handys von Journalisten zu überwachen ist eine Grenzüberschreitung. Das Oberlandesgericht Wien hat dokumentiert, was zwar bislang schon galt, aber nicht immerzu respektiert worden ist. Der Schutz des Informanten ist für die Arbeit der Journalisten elementar.
Also ist die Entscheidung des Oberlandesgericht in diesem Punkt zwar ein Erfolg für die Fellners, sie stärkt aber allgemein betrachtet die Arbeit des engagierten Journalismus. Und das ist wichtig. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist jedenfalls kein Erfolg für die Involvierten in der ÖVP-Affäre, sie ist auch keine Niederlage für die Ermittler, wohl aber ein Dämpfer. Die Staatsanwälte hätten zuvorderst eine Ermächtigung der Rechtsschutzbeauftragten einholen müssen, bevor sie eine Handy-Peilung hätten beantragen dürfen. Für die Ermittler spricht: Sie haben den Fehler erkannt, die Handys wurden nicht abgehört. Die Hausdurchsuchungen waren hingegen rechtens. Oder wie das OLG lapidar festhält: „Das Oberlandesgericht sieht den dafür nötigen Tatverdacht als gegeben an.“
Die Korruptionsstaatsanwaltschaft macht einen guten Job, aber der Zweck darf die Mittel nicht heiligen. Das gilt nicht nur, aber auch für die Staatsanwälte.
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