TIROLER TAGESZEITUNG „Leitartikel“, Ausgabe vom 15. März 2022, von Peter Nindler:“Ohne Wettbewerb keine Erneuerung“
Innsbruck (OTS) – VP-Chef und Landeshauptmann Günther Platter muss endlich einen Umbruch in seiner Partei und eine kooperative Konkurrenz zulassen. Die ÖVP benötigt neue Gesichter und Impulse. Und Platter schön langsam einen Nachfolgekandidaten.
Was es heißt, wenn sich eine Partei nicht rechtzeitig personell neu aufstellt, musste die Tiroler ÖVP am Wochenende schmerzhaft erfahren. Die Bürgermeister in ihren Hochburgen Hall und Schwaz gingen verloren. Ein Schuss vor den Bug auch in Hinblick auf die Landtagswahlen, wie es intern bereits offen diskutiert wird. Denn weder eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger für ÖVP-Chef und Landeshauptmann Günther Platter (67) ist in Sicht, noch zeichnet sich eine Erneuerung in der Regierung ab. Weil es bisher nicht gewollt war. Im Gegenteil: Wer Ambitionen erkennen lässt wie Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser, wird beinahe geächtet. Wie kann er denn nur?
Damit hat sich die ÖVP in den vergangenen Jahren zu sehr auf Günther Platter verengt. Er ist zwar nach wie vor das unumstrittene Zugpferd, doch nicht mehr ewig. Die Versteinerung der politischen Macht führte allerdings dazu, dass es derzeit kaum einen Wettbewerb der besten Ideen in der ÖVP gibt oder eine kooperative Konkurrenz, die sich etwa Ingrid Felipe bei den Grünen wünscht. Nicht einmal der Wechsel im ÖVP-Regierungsteam vor einem Jahr löste einen Vorwärts-Schub aus, weil Gesundheitslandesrätin Annette Leja dafür zu wenig Politikerin ist und Wirtschaftslandesrat Anton Mattle schon zu lange auf der landespolitischen Bühne mitmischt.
Man muss kein Anhänger der Basisdemokratie sein, aber die Grünen sind mit ihrem internen Bewerbungsprozess für die Spitzenkandidatur schon einen wesentlichen Schritt weiter. Dadurch entsteht nämlich eine gewisse Dynamik, dabei fliegen natürlich politische Späne, kommt es zu Zuspitzungen und inhaltlichen Debatten. Doch Basis und Politik werden mobilisiert. Genau das fehlt der ÖVP und weiter die Perspektive für eine Erneuerung.
Die Bauern haben Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler gerade erst einzementiert, Leja und Mattle sind gekommen, um zu bleiben, Bildungslandesrätin und AAB-Chefin Beate Palfrader hat mit AK-Präsident Erwin Zangerl einen mächtigen Hebstecken und Raumordnungsreferent LR Hannes Tratter mit Innsbruck-Land den größten und mächtigsten ÖVP-Bezirk hinter sich. Der Spielraum für Platters notwendige Neuaufstellung samt Signal für seine Nachfolge bleibt augenscheinlich ein geringer. Trotzdem: Die Analyse der Gemeinderatswahlen wäre dafür ein guter Ratgeber. Wer wie der Tiroler Landeshauptmann seit 14 Jahren unangefochten regiert, muss vor seiner letzten Wahl den Umbruch in seiner Partei einleiten, ansonsten wird ihm das möglicherweise von außen aufgezwungen. Loslassen ist meist die schwierigste Phase im Leben, doch auch daran wird ein erfolgreicher Politiker gemessen.
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