Außenpolitischer Ausschuss: Minister Linhart mit Anträgen zu Äthiopien, Syrien und Nicaragua konfrontiert
Wien (PK) – Anschließend an die aktuelle Aussprache mit Bundesminister Michael Linhart standen auch im zweiten Teil des außenpolitischen Ausschusses internationale Krisenherde wie Äthiopien, Syrien, Myanmar oder Nicaragua auf der Agenda. In Äthiopien seien mittlerweile 5,2 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen, heißt es in einem gemeinsamen Entschließungsantrag von ÖVP, Grünen und SPÖ. Darin wird die Bundesregierung ersucht, sich auf allen Ebenen für eine sofortige Einstellung der Kampfhandlungen und die Einhaltung des Völkerrechts einzusetzen. Außerdem soll gewährleistet werden, dass weitere bilaterale humanitäre Hilfe die Betroffenen auch wirklich erreicht und UN-MitarbeiterInnen ihre Tätigkeit vor Ort ungehindert fortsetzen können.
Mehrheitlich angenommen wurde auch eine Initiative der Regierungsfraktionen, die auf eine Verbesserung der prekären humanitären Lage der Zivilbevölkerung in Syrien, vor allem in Nordosten des Landes, abzielt. In einem weiteren ÖVP-Grünen Entschließungsantrag, der die Zustimmung aller Fraktionen fand, verurteilen die Abgeordneten das repressive Vorgehen der nicaraguanischen Behörden gegen politische GegnerInnen der sandinistischen Regierung unter Präsident José Daniel Ortega Saavedra.
Bei den zum Großteil vertagten Anträgen der Opposition ging es unter anderem um die von der SPÖ geforderte aktivere Rolle der EU in der Afghanistanpolitik sowie um die Aufnahme von besonders schutzbedürftigen Personen, vor allem Frauen. Die Freiheitlichen hingegen wollen jedwede illegale Migration nach Österreich beenden sowie die EZA-Mittel an den Abschluss von Rücknahmeabkommen koppeln. Den NEOS waren vor allem die Unterstützung der Nationalen Einheitsregierung in Myanmar sowie mehr Solidarität für von China sanktionierte Staaten ein Anliegen.
Einstimmig genehmigt wurde noch ein Rahmenabkommen zwischen den Mitgliedstaaten der EU und Australien, das dem Ausbau der Zusammenarbeit nicht nur in außen- und sicherheitspolitischen Belangen, sondern auch in den Bereichen Wirtschaft, Bildung, Gesundheit, Kultur und Justiz dienen soll (988 d.B.).
Gemeinsamer Appell von ÖVP, Grünen und SPÖ zur Einstellung der Kampfhandlungen in Äthiopien
Besorgt über die aktuellen Entwicklungen in Äthiopien zeigten sich sowohl die Regierungsfraktionen (1171/A(E)) als auch die SPÖ (1101/A(E)), was in zwei unterschiedlichen Entschließungsanträgen zum Ausdruck kam, die auf der Tagesordnung standen. Abgeordneter Reinhold Lopatka (ÖVP) zeigte sich erfreut darüber, dass es gelungen sei, sich auf einen gemeinsamen Abänderungsantrag mit den SozialdemokratInnen zu einigen, der die jüngsten Ereignisse mitberücksichtige. Seit vergangenem November tobt in der Region ein erbitterter Bürgerkrieg, der eine massive Hungerkrise, Elend und Menschenrechtsverletzungen, Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen sowie Massaker und Vergewaltigungen zur Folge hat, heißt es in der Begründung. Nach Angaben der Vereinten Nationen seien mehr als 5,2 Millionen Menschen im Norden des Landes auf humanitäre Hilfe angewiesen, mehr als 400.000 vom Hungertod bedroht.
Die Bundesregierung und insbesondere der Außenminister werden daher von den AntragstellerInnen ersucht, sich auf bilateraler Ebene und im Verbund mit den EU-Partnern weiterhin für eine sofortige Deeskalation und Einstellung der Kampfhandlungen in der Region Tigray, die Einhaltung des Völkerrechts, den Schutz der Zivilbevölkerung sowie für eine unabhängige Aufklärung von Vorwürfen von Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht und Menschenrechtsverletzungen einzusetzen. Notwendig sei ein inklusiver nationaler Dialog, mit dem Ziel, langfristig Frieden in der Region zu schaffen. Es müsse zudem geprüft werden, ob die bilaterale humanitäre Hilfe ungehindert den Betroffenen zukomme. Dies impliziere auch, sich dafür einzusetzen, dass UN-MitarbeiterInnen im Land bleiben und ihrer Tätigkeit ungehindert nachgehen können.
UNO-Generalsekretär Antonio Guterres habe scharfe Kritik an der Ausweisung von sieben MitarbeiterInnen humanitärer UNO-Organisationen gezeigt, zeigte Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) auf; dies sei nicht akzeptabel. Was die Direkthilfen angeht, so seien diese bereits im Jahr 2020 von der EU ausgesetzt worden. Auch Petra Bayr (SPÖ) machte darauf aufmerksam, dass die Zivilbevölkerung massivster, insbesondere sexueller Gewalt ausgesetzt sei.
Da die zur Debatte stehenden Anträge bereits komplett von der Realität überholt seien, brachte Abgeordnete Henrike Brandstötter (NEOS) einen eigenen Abänderungsantrag ein. Statt Aufforderungen brauche es ihrer Meinung nach tatsächliche Sanktionen. Es müssten alle Zahlungen an Äthiopien ausgesetzt und an internationale Organisationen, die Direkthilfe leisten, umgeleitet werden.
Außenminister Michael Linhart bestätigte, dass die EU-Hilfen für die äthiopische Regierung selbst eingefroren seien.
Da Äthiopien bereits seit 1993 ein Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit sei, seien über 150 Mio. € an Steuergeldern ins Land geflossen, machten die FPÖ-Mandatare Axel Kassegger und Martin Graf geltend, die „ordentliche und nachvollziehbare“ EZA-Programme einforderten.
Der Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen wurde in der Fassung des Abänderungsantrags mit den Stimmen von ÖVP, Grünen und SPÖ angenommen. Die SPÖ-Initiative gilt somit als miterledigt. Keine Zustimmung fand der Abänderungsantrag der NEOS.
Besorgniserregende humanitäre Versorgungslage vor allem im Nordosten Syriens
In einem weiteren Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen wird der Außenminister ersucht, sich im Fall von Syrien dafür einzusetzen, dass derzeitige und künftige humanitäre Hilfslieferungen der Zivilbevölkerung in allen Teilen des Landes zugutekommen -insbesondere jenen Menschen, die aufgrund wiederholter türkischer Militäroperationen im Nordosten Syriens vertrieben wurden (1204/A(E)). Laut Berichten der Vereinten Nationen sei insbesondere der Nordosten Syriens verstärkt von Unterbrechungen der humanitären Hilfslieferungen betroffen. Grundsätzlich sei die Lage im Land mit rund 11 Mio. Menschen, die humanitäre Hilfe bräuchten, dramatisch, wie ÖVP und Grüne in ihrem gemeinsamen Entschließungsantrag ins Bewusstsein rufen. Erschwerend hinzu komme, dass die Resolution des UNO-Sicherheitsrats über die grenzüberschreitende Lieferung von Hilfsgütern zwischen Syrien und dessen Nachbarländern mit Juli 2020 ausgelaufen sei und seitdem nur mehr ein Grenzübergang für grenzüberschreitende humanitäre Hilfslieferungen zur Verfügung stehe.
Abgeordnete Katharina Kucharowits (SPÖ) bezeichnete den Antrag als nichtssagend, da er nicht nur alte Zahlen enthalte, sondern nur die „eigene“ Regierung auffordere, etwas zu tun. Das hätte sie ja schon längst machen können. Der Bürgerkrieg in Syrien dauere nun schon seit zehn Jahren an und die Hilfsgelder kämen einfach nicht bei den Betroffenen an, beklagte sie. Dringend notwendig sei eine politische Lösung.
Außenminister Michael Linhart versicherte, dass der Genfer Prozess weiterlaufe und von Österreich voll unterstützt werde. Die Gespräche sollen bald wieder aufgenommen werden.
Der Entschließungsantrag wurde mehrheitlich angenommen; ein SPÖ-Abänderungsantrag blieb in der Minderheit.
Alle Parteien für mehr Einsatz gegen politische Repressionen in Nicaragua
In einem gemeinsamen und einstimmig beschlossenen Entschließungsantrag von ÖVP und Grünen verurteilen die Abgeordneten das repressive Vorgehen der nicaraguanischen Behörden gegen politische GegnerInnen der sandinistischen Regierung unter Präsident José Daniel Ortega Saavedra. Gerade im Vorfeld der Präsidentschafts-und Parlamentswahlen am 7. November 2021 hätten sich deren Bemühungen intensiviert, oppositionelle Kräfte, auch unter Missachtung demokratischer Grundprinzipien, möglichst zu schwächen. Die AntragstellerInnen befürchten vor dem Hintergrund einer extremen politischen Spaltung und repressiver Handlungsmuster der Regierung, dass es bei der kommenden Wahl erneut zu Zusammenstößen zwischen Opposition und Sicherheitskräften bzw. sandinistischen Paramilitärs kommen könnte, wie zuletzt 2018, was hunderte Tote und tausende Flüchtlinge zur Folge hatte.
Auf dieser Grundlage fordern die Abgeordneten auf bilateraler Ebene und im Verbund mit den EU-Partnern eine Verurteilung der politischen Repressionen gegen oppositionelle Kräfte. Der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten soll sich für die Beachtung demokratischer und rechtsstaatlicher Grundprinzipien sowie die Einhaltung der Menschenrechte in Nicaragua einsetzen. Weiters wird die Prüfung allfälliger Ausweitungen des bestehenden Sanktionsregimes der EU auf weitere für Menschenrechtsverletzungen und Repressionen verantwortliche Personen gefordert. Außerdem sollen internationale Organisationen wie die Inter-Amerikanische Kommission für Menschenrechte nach Nicaragua zurückkehren dürfen (1836/A(E)).
Konträre Anträge von SPÖ und FPÖ zum Thema Afghanistan
Vor dem Hintergrund der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan pochen die SozialdemokratInnen auf eine Initiative Österreichs für eine gemeinsame Afghanistanpolitik der EU (1980/A(E)). Konkret fordern sie von der Bundesregierung Maßnahmen, um die verbliebenen ÖsterreicherInnen und afghanischen Staatsangehörigen mit gültigem Aufenthaltstitel in Österreich rasch aus Afghanistan zu evakuieren. Zudem sollte sich Österreich für eine weit aktivere Rolle der EU einsetzen und sich als Gastgeberin anbieten, um das künftige politische und humanitäre Engagement der EU in Afghanistan abzustimmen und eine gemeinsame Afghanistanpolitik zu entwickeln, argumentierte Abgeordneter Harald Troch (SPÖ). Darüber hinaus sollte die humanitäre Hilfe vor Ort fortgesetzt, finanzielle Unterstützung für Nachbarstaaten von Afghanistan für menschenrechtskonforme Unterbringungen in sicheren Schutzzonen substanziell erhöht und besonders gefährdeten Personen, insbesondere Frauen (RichterInnen, MenschenrechtsaktivistInnen, SchuldirektorInnen), Schutz gewährt werden.
Die RednerInnen der Regierungsfraktionen Martina Kaufmann (ÖVP) und Ewa Ernst-Dziedzic (Grüne) verwiesen darauf, dass gerade für Afghanistan das größte humanitäre Hilfspaket in der Höhe von 20 Mio. € geschnürt wurde. Beim Thema Resettlement sei man jedoch unterschiedlicher Meinung, räumte Dziedzic ein.
Auch von Seiten der FPÖ lag ein Entschließungsantrag vor, der allerdings einen gänzlich anderen Fokus hat (1913/A(E)). Darin wird der Bundeskanzler aufgefordert, „sich deutlich gegen jedwede Form der Migration aus Afghanistan nach Österreich auszusprechen und die diesbezüglich notwendigen Maßnahmen auf nationaler und internationaler Ebene zu forcieren“. Österreich habe weder eine moralische, noch eine rechtliche Verpflichtung, MigrantInnen aus Afghanistan zu versorgen. Die Verantwortung für das „Chaos am Hindukusch“ würden Großmächte wie die USA oder die ehemalige UdSSR tragen, urteilte Abgeordneter Axel Kassegger (FPÖ). In diesem Zusammenhang gab er auch noch zu bedenken, dass die Rückführung von abgelehnten AsylwerberInnen nicht einmal ansatzweise funktionieren würde. Eine Lösung dafür könnte sein, finanzielle Hilfen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit an die Bedingung zu knüpfen, all jene MigrantInnen zurücknehmen, die illegal nach Österreich eingewandert seien (2004/A(E)). Dieser Antrag wurde ebenso wie die beiden anderen vertagt.
SPÖ: Maßnahmen zur Behandlung von HIV bzw. Aids sollen verstärkt in EZA-Projekte einfließen
Mehrheitlich vertagt wurde ein weiterer Entschließungsantrag der SozialdemokratInnen, in dem es um den Kampf gegen HIV bzw. Aids geht. Obwohl Frauen am meisten von Neuansteckungen betroffen seien, lege die österreichische Entwicklungszusammenarbeit aktuell keinen Schwerpunkt auf diese Problematik, bemängelte Abgeordnete Petra Bayr (SPÖ). Die Corona-Krise habe die Lage noch verschärft und dazu geführt, dass es wieder mehr Aids-Tote gebe. Sie forderte daher vom Außenminister, Präventionsmaßnahmen sowie Maßnahmen zur Behandlung von HIV bzw. Aids in Projekte der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit aufzunehmen sowie mehr gegen Gewalt an Frauen, insbesondere im Fall sexueller Nötigung und Vergewaltigung, weiblicher Genitalverstümmelung, Kinderheirat und Frauenhandel, zu unternehmen (88/A(E)).
Frauen und Mädchen waren schon immer ein Schwerpunkt in der österreichischen Entwicklungspolitik, betonte Außenminister Linhart, insbesondere was Familienplanung, Frauengesundheit oder den Kampf gegen weibliche Genitalverstümmelung angeht.
NEOS: Unterstützung globaler Demokratiebewegungen in Myanmar und mehr Solidarität für von China sanktionierte Staaten
Mehrheitlich vertagt wurden zudem zwei Entschließungsanträge der NEOS. Abgeordneter Helmut Brandstätter wünscht sich einerseits mehr Einsatz für die internationale Anerkennung der Nationalen Einheitsregierung in Myanmar, welche zur seit dem Militärputsch im Februar 2021 installierten Junta eine demokratische Gegenregierung bilden will. Diese wurde von den noch im November gewählten VolksvertreterInnen ernannt und biete laut NEOS die Chance, das Land in einer föderalen, demokratischen Republik zu vereinen. Um diese Bestrebungen zu unterstützen, fordern die NEOS die Bundesregierung dazu auf, öffentlich den Kontakt zur Nationalen Einheitsregierung zu suchen, sich auch auf internationaler Ebene für deren Anerkennung einzusetzen und humanitäre Hilfe nur noch über diese abzuwickeln (1714/A(E)). In einem Abänderungsantrag wurde u.a. gefordert, als Übergangslösung neben den bestehenden diplomatischen Vertretungen auch Verbindungsbeamte der Nationalen Einheitsregierung zu akkreditieren.
Außerdem zeigt sich Brandstätter besorgt darüber, dass China „unverschleierte Anstrengungen unternimmt, die international anerkannte Weltordnung zu verändern“. Um sich langfristig weitgehend unabhängig von global anerkannten Organisationen zu machen, baue China einerseits Parallelstrukturen auf. So etwa die Asian Infrastructure Investment Bank als Gegenstück zur Weltbank. Andererseits schaffe China Abhängigkeiten, die das Regime dann zur Beeinflussung des Verhaltens von Partnern nutze. Staaten, die sich gegen Chinas Interessen und Präferenzen stellen, würden abgestraft werden. Die NEOS fordern deshalb vom Außenminister, sich an internationalen Akten der Solidarität zugunsten von Staaten zu beteiligen oder diese in internationalen Foren zu unterstützen, die von der Volksrepublik China aufgrund ihres Eintretens für globale Werte wie Demokratie, Freiheit oder Rechtsstaatlichkeit mit Sanktionen belegt würden. Konkret sprechen sich die NEOS für die Unterstützung Taiwans aus (1868/A(E)).(Schluss Außenpolitischer Ausschuss) sue
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