Budget 2022 soll ökosoziale Steuerreform bringen
Wien (PK) – Der Budgetvorschlag für 2022 wurde zwar gestern im Ministerrat unter der Leitung des frisch gekürten Bundeskanzlers Alexander Schallenberg angenommen – in trockenen Tüchern ist der Entwurf für das neue Bundesfinanzgesetz damit aber noch nicht. Bei der ersten Lesung der entsprechenden Regierungsvorlage heute im Nationalrat verdeutlichten die Abgeordneten von SPÖ, FPÖ und NEOS, dass sie bei den parlamentarischen Budgetberatungen noch einige Änderungen der geplanten Finanzierungsmaßnahmen erwarten. Vor allem bezweifeln die Oppositionsparteien die Wirksamkeit der von Regierungsseite angekündigten Entlastungen, vulgo ökosoziale Steuerreform. Die Regierungsfraktionen ÖVP und Grüne hingegen lobten den Entwurf als Zukunftsbudget, das Österreichs Wohlstand über die COVID-19-Pandemie hinaus ökonomisch und ökologisch sichere.
An Einnahmen rechnet das Finanzministerium für 2022 laut Budgetentwurf mit 86,44 Mrd. €, dem stehen 99,08 Mrd. € an Ausgaben gegenüber. Das Defizit wird somit voraussichtlich 12,64 Mrd. € ausmachen.
Zu Sitzungsbeginn wurde der zurückgetretene Bundeskanzler Sebastian Kurz als Abgeordneter im Nationalrat angelobt. Er übernimmt das Mandat von Irene Neumann-Hartberger und gemeinsam mit August Wöginger den Vorsitz im ÖVP-Parlamentsklub. Die Korruptionsvorwürfe gegen Kurz, die letztlich zu seinem Rückzug von der Regierung führten, überlagerten vielfach die Budgetdebatte, schon vor Eintritt in die Tagesordnung verlangte die SPÖ mit einer Dringlichen Anfrage an Bundeskanzler Alexander Schallenberg, die heute um 15.00 debattiert wird, Aufklärung über die Vorfälle im Kanzleramt unter der Regierung Kurz.
ÖVP sieht Budget als Motor für Aufschwung
Das angepeilte Budget stellt für die ÖVP laut ihrem geschäftsführenden Klubobmann August Wöginger einen Garant für Stabilität und Wohlstand dar und unterstütze gleichzeitig den Aufschwung. Zwar sei Österreich immer noch in der Pandemiebewältigung, doch habe man die Wirtschaftskrise durch kräftige Investitionen zur Unterstützung von Menschen und Wirtschaft gut überstanden, blickte Wöginger zunächst auf das von der COVID-19-Krise belastete Finanzjahr 2020 zurück. Weil unter dem ehemaligen Kanzler Kurz zweimal ausgeglichen budgetiert worden sei, habe der Staat über die nötigen Mittel von über 40 Mrd. € für Unterstützungshilfen und Ausgleichszahlungen verfügt. Das aktuelle Wirtschaftswachstum Österreichs von 4,4% übersteige alle Prognosen und zeige, das Krisenmanagement im Vorjahr „war die richtige Politik“.
Mit einer nachhaltigen Budgetpolitik setze die Regierung diesen Kurs nun fort, so Wöginger, der als „Meilenstein“ dabei die ökosoziale Steuerreform anführte. Auf dieser Basis werde „Klimaschutz mit Hausverstand gemacht“, etwa durch die Rückerstattung des Dieselmehrpreises an LandwirtInnen und die Bauwirtschaft. Insgesamt stelle die Steuerreform die größte Entlastung der Zweiten Republik dar, nannte Wöginger als Eckpunkte des Budgets die Senkung von Steuersätzen und Krankenversicherungsbeiträgen, die Erhöhung von Familienbonus und Kindermehrbetrag und die Mitarbeitererfolgsbeteiligung, die bewirke, „dass das Geld in den Brieftaschen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer landet“. Den Wirtschaftsstandort stärke man nicht nur durch die niedrigere Körperschaftssteuer (KÖSt), sondern auch durch die Anhebung des Gewinnfreibetrags auf 3% und die Investitionsprämie, was kleinen und mittelständischen Betrieben zugutekomme.
SPÖ: Steuerreform nützt nur Besserverdienern und Großkonzernen
SPÖ-Klubobfrau Pamela Rendi-Wagner beanstandete hingegen am Budget, damit würden keine Weichen zur Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit gestellt. Anstatt die arbeitenden Menschen zu entlasten, würde ihnen durch die Teuerung im Rahmen der kalten Progression auferlegt, die Entlastungen der Steuerreform selbst zu zahlen. Die größten Profiteure der Steuersenkung und der angehobenen Familienleistungen seien jene, die mehr als 5.000 € monatlich brutto verdienen, rechnete Rendi-Wagner vor und appellierte, normalverdienenden Menschen noch heuer Steuerrückerstattungen für zu hohe Steuerzahlungen zu gewähren.
Infolge der finanziellen Einbußen, die große Teile der Bevölkerung während der Corona-Krise durch Jobverlust oder Kurzarbeit Rendi-Wagner zufolge erlitten haben, seien nämlich die rasant steigenden Lebenserhaltungskosten schwer zu verkraften. Angesichts der hinaufschnellenden Wohn- und Energiepreise müsse die Politik eine Teuerungsbremse einziehen, anstatt Konzernen mit der KÖSt-Senkung über 1 Milliarde Euro pro Jahr zu schenken. Grundsätzlich sei das Absenken der Gewinnsteuer für Großkonzerne der falsche Weg, befand die Sozialdemokratin, denn dieses Geld der SteuerzahlerInnen fließe in Dividenden, ohne den Wirtschaftsaufschwung zu unterstützen, gegen den Klimawandel vorzugehen oder den Pflegenotstand abzuwenden. Dabei wären bereits 1,2 Mrd. € für den Ausbau der Kinderbetreuung in Österreich vorgesehen gewesen, hielt sie Ex-Kanzler Kurz vor, diese Möglichkeit aus eigenen Machtinteressen nicht aufgegriffen zu haben.
FPÖ: Regierung sollte sich für Budgetvorschlag schämen
„Aus meiner Sicht ist das zum Schämen“, sagte FPÖ-Chef Herbert Kickl, als er seine Analyse des Budgetentwurfs ausführte, konkret im Zusammenhang mit der sozialen Gerechtigkeit. Nur Besserverdienende kämen in den Genuss von Steuersenkungen und Klimabonus, das Gros der Bevölkerung werde außen vor gelassen. Vor allem jene mit geringem Einkommen wie MindestpensionistInnen, erhielten „nicht einmal einen Euro mehr pro Tag“, kritisierte Kickl, der deswegen das Budget als „Mogelpackung“ bezeichnete. Mit der Streichung des Pendlerpauschales, des Dieselprivilegs und der NOVA-Erhöhung erfolge ein Angriff auf die Autofahrer und auf Wirtschaftstreibende, warnte der Freiheitliche, bei den Energiepreisen machte er eine Preisexplosion aus. Der Staat kassiere auf Kosten der BürgerInnen, wie Ersuchen um Stundungen und Ratenzahlungen an die Energieanbieter der öffentlichen Hand zeigten. Dabei sei die Umstellung des Energiesystems noch gar nicht eingepreist, sieht Kickl noch höhere Energiepreise herannahen.
Zudem sollten die Entlastungen der Steuerreform erst Mitte 2022 schlagend werden, kritisierte er weiters, obwohl die Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln und Treibstoffen die Menschen bereits treffe. Vor diesem Hintergrund seien höhere Auszahlungen für die Obersten Organe – speziell Bundespräsident und Bundeskanzleramt – nicht nachvollziehbar, genauso wenig wie der Mitteleinsatz für Inseratenkampagnen des Finanzministeriums zur anvisierten Steuerreform, mit denen die Regierung die Bevölkerung manipulieren wolle.
Grüne: Budget zeigt Verantwortung für die Modernisierung Österreichs
Mit einem nachhaltigen Budget, bei dem die Schuldenrate mittelfristig sinken sollte, werde Österreich ökonomisch und ökologisch modernisiert, hob hingegen Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer in ihrer Bewertung des Budgetvorschlags hervor. In Verantwortung gegenüber den SteuerzahlerInnen setze man Maßnahmen, von denen alle Bevölkerungsgruppen profitierten, versicherte sie und beschrieb konkret den Pflegebereich als zentrales Thema im Bundesfinanzgesetz. Um die großen Herausforderungen der Pflege in den nächsten Jahren zu bewältigen, seien umfassende Mittelsteigerungen in allen relevanten Bereichen eingeplant, von der Pflegekarenz bis zur Ausbildung für Pflegekräfte. Ebenfalls aufgestockt würden die Mittel für Kindergärten und Ganztagsschulen, für den Ausbau von Gewaltschutzzentren, für die Justiz samt Maßnahmenvollzug und für die Terrorbekämpfung, beschrieb Maurer den Anspruch der Regierung, auch Verantwortung für Demokratie und Rechtsstaat im Sinne eines guten gesellschaftlichen Miteinanders zu übernehmen.
Auf dieser Grundlage werde „Zukunft gemacht“, kam sie schließlich zum Kern des Budgetvorschlags, der ökosozialen Steuerreform aus Verantwortung für Klima und Natur. Klimafreundliches Verhalten werde dabei gefördert, umriss sie die Ausgestaltung des Klimabonus und nannte als Beispiele klimapolitischer Investitionen den Bahnausbau und die Elektromobilität sowie das mit 252 Mio. € gestützte Klimaticket, das ab 26. Oktober 2021 in allen öffentlichen Verkehrsmitteln Österreichs gelte.
NEOS: Staat finanziert sich auf Kosten der Bevölkerung
NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger sprach dem Budgetentwurf wiederum jede Zukunftstauglichkeit ab. In ihrer Erklärung für diese Einschätzung meinte sie, eine enkelfähige Politik „müsse ambitionierter sein“ als die Vorschläge im Bundesfinanzgesetz, seien doch die Investitionen marginal im Vergleich zum staatlichen Konsum. Wie die anderen beiden Oppositionsparteien prangern die NEOS an, aufgrund der kalten Progression nehme der Staat mehr ein als er den SteuerzahlerInnen, die nach pinker Ansicht das Budget finanzieren, zurückerhalten. Obwohl der Mittelstand endlich entlastet werden müsse, warb die NEOS-Chefin für „echte Strukturreformen“. „Die kalte Progression hätte schon längst abgeschafft werden können“, konstatierte sie, stattdessen hätte die Gier nach Machterhalt auf Regierungsebene dies hintertrieben, spielte sie einmal mehr auf die Korruptionsvorwürfe gegenüber der ÖVP-Führung an.
Das Ziel der Entlastung werde jedenfalls mit der ökosozialen Steuerreform verfehlt, prophezeite Meinl-Reisinger, die auch die angedachte Ökologisierung des Steuersystems als „Schmalspurvariante“ ohne Lenkungseffekt abtat. Eigentlich sei nur eine reine Steuererhöhung geplant. (Fortsetzung Nationalrat) rei
HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar
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