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Ibiza-Ausschuss endet im Nationalrat

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Wien (PK) – Wie käuflich ist die Politik? Dieser Frage gingen die Abgeordneten in der heutigen Nationalratssitzung bei der Diskussion über den kürzlich veröffentlichten Abschlussbericht des sogenannten Ibiza-Untersuchungsausschusses nach. Zwar wurde der Bericht einstimmig zur Kenntnis genommen, in ihren Schlussfolgerungen lagen die Parteien aber weit auseinander:

SPÖ und NEOS, auf deren Initiative hin der 2020 gestartete Ausschuss betreffend „mutmaßliche Käuflichkeit der schwarz-blauen Regierung“ eingesetzt worden war, befanden, die Untersuchungen seien verfrüht beendet worden. So müssten speziell die Verbindungen zur ÖVP in staatlichen Institutionen noch näher durchleuchtet werden, um Fällen von möglichem Machtmissbrauch beizukommen. Die FPÖ sieht durch die U-Ausschussarbeit ebenfalls bestätigt, dass die türkise Volkspartei über ein Netzwerk in den Ministerien verfügt, das die Macht im Staat an sich reißen wolle; die Untersuchungsarbeit sei daher keineswegs beendet.

Für die ÖVP hingegen hat der Ausschuss Korruptionsvorwürfen gegen die erste Regierung unter Bundeskanzler Sebastian Kurz die Grundlage entzogen. Vielmehr sei nun augenscheinlich, wie reformbedürftig das System U-Ausschuss sei, um dessen Arbeit vor Missbrauch zu schützen. Die Grünen sahen den Untersuchungsausschuss als erfolgreichen politischen Selbstreinigungsprozess an. Der Ausschuss habe zahlreiche Erkenntnisse hervorgebracht. Anders als der zugehörige Bericht, würden diese Erkenntnisse aber nicht ad acta gelegt, unterstrichen die Abgeordneten.

Vor Debattenbeginn erklärte die vorsitzführende Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures den Untersuchungsausschuss heute auch formell für beendet. In elf Kapiteln umreißt der debattierte Bericht die Untersuchungen des Ausschusses, der als Reaktion auf das 2019 publik gewordene Ibiza-Video mit Heinz-Christian Strache eingesetzt wurde. Das noch vor der Nationalratswahl 2017 heimlich auf der spanischen Ferieninsel gefilmte Treffen zwischen dem damaligen FPÖ-Obmann und einer vermeintlichen russischen Oligarchentochter war zwar eine Falle, es warf aber die im U-Ausschuss behandelten Fragen auf: War es unter der Koalition aus ÖVP und FPÖ, die nach der NR-Wahl 2017 gebildet wurde, zu Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch gekommen?

ÖVP sieht Vorwürfe entkräftet

Aus der Sicht von Andreas Hanger, der für die ÖVP im U-Ausschuss saß, hat der Abschlussbericht des Verfahrensrichters die Vorhaltungen widerlegt. „Dieser Ibiza-Untersuchungsausschuss war leider ein Unterstellungsausschuss“, meinte er mit Verweis auf Untersuchungen rund um mutmaßliche Parteispenden über ÖVP-nahe Vereine. Es habe niemals Fälle von Gesetzeskauf gegeben. Allerdings sei durch die Skandalisierung der untersuchten Causen vielfach die Privatsphäre von dabei genannten Personen verletzt worden, konstatierte Hanger, der sich deswegen für eine Änderung des Ausschussprozederes aussprach. So müsse der Untersuchungsgegenstand klarer abgegrenzt werden und die verfrühte Weitergabe sensibler Dokumente an die Medien sei künftig abzuwenden. Dadurch würde der Untersuchungsausschuss als wichtiges Kontrollinstrument gestärkt und weniger missbrauchsanfällig.

SPÖ und FPÖ prangern „türkise Parallelgesellschaft“ an

Für die SPÖ meinte dazu heute im Plenum Kai Jan Krainer, die ÖVP lebe offenbar abgehoben in einer „Parallelgesellschaft“, die Fakten nicht anerkennen wolle. Dabei habe der von SPÖ und NEOS verlangte U-Ausschuss gezeigt, die „Kurz-Strache-Regierung“ sei käuflich gewesen. Spendenzahlungen gegen politische Gefälligkeiten und Vorgänge von Postenschacher seien zutage getreten. Die Hauptakteure im Ibiza-Video, Heinz-Christian Strache und sein damaliger Parteifreund Johann Gudenus, befänden sich zwar nicht mehr in der Politik, das „System Kurz“ gebe es aber nach wie vor, warf Krainer Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinem Umfeld Versuche vor, in staatlichen Institutionen wie dem Finanzministerium über ihr eigenes Netzwerk abseits der Führungsebene die Kontrolle zu erlangen: „Das zeigt Macht und Machtmissbrauch dieser Gruppe“, die keine Kritik zulasse.

Ähnlich wie Krainer hielt auch FPÖ-Mandatar Christian Hafenecker der ÖVP vor, die Arbeit des U-Ausschusses fortwährend behindert zu haben. Der Volkspartei sei im Ausschuss viel daran gelegen gewesen, Sachverhalte zu „vertuschen“, empörte sich Hafenecker und wertete dies als „Anschlag auf den Parlamentarismus“. Unter anderem erinnerte er an die aus seiner Sicht höchst fragwürdigen Vorgänge rund um die Besetzung des Vorstands Thomas Schmid in der Österreichischen Beteiligungs AG (ÖBAG), um hervorzuheben, ein Folgeausschuss sei unbedingt notwendig. Im Übrigen sollten auch die Grünen und ihre Rolle beim Wiener Heumarktprojekt näher unter die Lupe genommen werden, befand Hafenecker.

Die Erkenntnisse des U-Ausschuss stellen eine wichtige Grundlage dar, brachte Nina Tomaselli (Grüne) zum Ausdruck, die auch für einen weiteren Untersuchungsausschuss genutzt werden könnten. Ob und wann es einen nächsten Untersuchungsausschuss geben soll, steht aber trotz breiter Kritik noch nicht fest.

Es sei ein Anliegen der ÖVP, Politik auf hohem Niveau zu führen, um das Vertrauen der Bevölkerung zu erhalten. Deshalb empfahl Ernst Gödl (ÖVP) den anderen Parteien, die „Nachdenkpause“ bis zum nächsten Untersuchungsausschuss zu nutzen und Unterstellungen, Skandalisierungen und persönliche Angriffe künftig zu unterlassen.

Forderung nach Live-Übertragung der Befragungen im Untersuchungsausschuss

Maria Holzleitner (SPÖ) ortete von Kanzler Kurz eine „verhöhnende Ablehnung gegenüber dem Parlament“. Die ÖVP versuche, das Instrument des Untersuchungsausschuss schlecht zu reden, unterstrich sie und wollte mittels Live-Übertragungen der Befragungen im Untersuchungsausschuss „Licht ins Dunkle“ bringen. Ein diesbezüglicher Entschließungsantrag wurde ebenso abgelehnt, wie ein Antrag, der die dem Untersuchungsausschusses vorliegenden Akten vor dem Schredder retten soll. Da mit dem Ende des Ibiza-Untersuchungsausschuss auch die Rechtsgrundlage wegfalle, die den Nationalrat berechtige, über die vorgelegten Akten zu verfügen, drohe den 2,7 Millionen Aktenseiten die Vernichtung, argumentieren SPÖ, FPÖ und NEOS. Gefordert wird deren sichere Aufbewahrung, zumal die Oppositionsparteien den Untersuchungsausschuss weiterführen wollen.

NEOS: Ermittlungen können klein gehalten oder auch beschleunigt werden

Während die ÖVP stets betonte, dass es keine Käuflichkeit gab, unterstellten SPÖ und NESO der damaligen Regierung eben diese. Der Untersuchungsausschuss sollte die Politik zur Verantwortung ziehen, betonte Stephanie Krisper (NEOS). Die Abgeordnete hatte vor zwei Jahren gemeinsam mit Abgeordnetem Krainer das Verlangen auf Einsetzung des U-Ausschusses initiiert, und warf heute der ÖVP das Verhindern, Verzögern und Verschleppen des Prozesses vor. Im Untersuchungsausschuss habe sie viele Behinderungen durch ÖVP-Auskunftspersonen erlebt. So etwa die ausschweifenden Antworten von Bundeskanzler Sebastian Kurz auf Fragen seiner eigenen Partei, die dazu geführt hätten, dass keine Fragezeit für die anderen Parteien übrig blieb. Die ÖVP habe alles daran gesetzt, Ermittlungen gegen die eigene Partei zu torpedieren und dafür in anderen Bereichen zu beschleunigen, unterstrich Krisper. Im Weiteren forderte sie Reformen wie Maßnahmen gegen Postenschacher und Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen.

Mehr Transparenz bei Kontakten zwischen Politik und Wirtschaft

Zu den Erkenntnissen des Ausschusses, die durch die Untersuchungen gewonnen wurden, gehört die im Bericht festgehaltene Empfehlung, staatliche Verwaltung und Gesetzgebung von den Interessen privatwirtschaftlicher Unternehmen zu trennen und dienstliche Kontakte in diesem Zusammenhang auf das Notwendige zu beschränken. Zudem sollten Treffen, Gespräche und Vereinbarungen zwischen politischen VertreterInnen und Führungskräften von Unternehmen in den Akten festgehalten werden. Speziell zum Komplex Casinos Austria heißt im Bericht, das Finanzministerium sollte sich im Bereich Glückspiel auf die Legistik, den Spielerschutz und die Konzessionserteilung beschränken. Ausschreibungen von Konzessionen und Lizenzen, die Anteilsverwaltung und die sich aus Beteiligungen des Bundes

ergebenden Rechte seien tunlichst von einer zu schaffenden unabhängigen Einrichtung

wahrzunehmen.

Um die Umgehung der Berichtspflicht von Parteispenden einzudämmen, sollten Vereine, bei denen parteinahe Personen tätig sind oder die ideologisch einer Partei nahestehen grundsätzlich als „parteinahe Organisation“ erfasst werden, so der Bericht in Hinblick auf Spendenzahlungen, die dem Rechnungshof nicht zur Kenntnis gebracht werden. (Fortsetzung Nationalrat) rei/gla

HINWEIS: Sitzungen des Nationalrats und des Bundesrats können auch via Livestream mitverfolgt werden und sind als Video-on-Demand in der Mediathek des Parlaments verfügbar.

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