Gesundheitsministerium: Corona änderte Suchtmittelkonsum vorerst nur kurzfristig
Wien (OTS) – „Um Menschen mit Suchtkrankheiten verstärkt helfen zu können, muss man die Rahmenbedingungen besser verstehen, die Suchtverhalten fördern. Mit der Österreichischen Repräsentativerhebung zu Konsum‐ und Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial 2020 schaffen wir die Datengrundlage dazu. Wir müssen als Gesellschaft achtsam sein, dass Genuss oder Vergnügen nicht problematisch wird und negative gesundheitliche oder soziale Folgen nach sich zieht. Daher begrüße ich Initiativen wie die Dialogwoche Alkohol, die derzeit stattfindet“, so Gesundheitsminister Dr. Wolfgang Mückstein zum Bericht.
Die „Österreichische Repräsentativerhebung zu Konsum‐ und Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial 2020“ wurde vom Kompetenzzentrum Sucht der Gesundheit Österreich GmbH im Auftrag des Sozialministeriums durchgeführt. Neben Daten zu Alkohol wurden auch Informationen zum Konsum von nikotinhaltigen Produkten und von illegalen Substanzen während der Corona-Pandemie erhoben. Der gesamte Bericht ist abrufbar unter:
[https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Drogen-und-Sucht/
Berichte-und-Statistiken/Österreichische-Repräsentativerhebung-zu-Sub stanzgebrauch.html]
(https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Drogen-und-Sucht/
Berichte-und-Statistiken/Österreichische-Repräsentativerhebung-zu-Sub stanzgebrauch.html)
Folgend ein Überblick über die Ergebnisse:
Erster Lockdown führte bei jüngeren Personen häufiger zu Änderungen im Konsumverhalten
Jüngere Menschen veränderten ihr Konsumverhalten während des ersten Lockdowns häufiger als ältere Personen, sowohl in Richtung Anstieg als auch Rückgang. Unabhängig von Alter und Geschlecht waren die wichtigsten Motive für einen Konsumanstieg mehr Freizeit oder mehr Stress, die wichtigsten Motive für eine Konsumreduktion der Wegfall von Konsummöglichkeiten und sozialen Interaktionen außer Haus.
Frauen berichten tendenziell häufiger als Männer von einem gesteigerten Tabakkonsum während des ersten Lockdowns. Noch stärker zeigt sich dieser Effekt beim Konsum von Schlaf‐ und Beruhigungsmitteln: Frauen geben doppelt so häufig wie Männer an, während des ersten Lockdowns mehr Schlaf‐ und Beruhigungstabletten eingenommen zu haben. Männer berichten hingegen häufiger als Frauen von einer Reduktion ihres Alkoholkonsums.
Die deutliche Mehrheit der Befragten – je nach Substanz zwischen zwei Drittel und vier Fünftel – berichtet jedoch, dass es im Rahmen des ersten Lockdowns zu keinen relevanten Veränderungen im Konsum psychoaktiver Substanzen gekommen sei.
Mittelfristig nur geringfügige Änderung des Konsumverhaltens
Ergänzende Ergebnisse aus der zweiten Erhebungswelle im Oktober 2020 legen nahe, dass Verhaltensänderungen als Reaktion auf den ersten Lockdown überwiegend nur von kurzer Dauer waren: Der Anteil der Befragten, die beispielsweise täglichen oder fast täglichen Alkoholkonsum angaben, stieg kurzfristig deutlich an, sank aber im Herbst wieder auf das Ausgangsniveau ab.
Insgesamt legen die Ergebnisse somit nahe, dass es während des ersten Lockdowns zwar bei manchen Personen durchaus zu Verhaltensänderungen kam, dass danach aber eine Rückkehr zu gewohnten Konsummustern stattfand.
Jede/r sechste Befragte raucht täglich – Tendenz abnehmend
Im Vergleich mit den Vorerhebungen zeigt sich eine Fortsetzung des Rückgangs der Zahl der aktuellen bzw. der täglichen Raucherinnen und Raucher.
Fast ein Viertel der befragten Personen ab 15 Jahren (24 %) gibt insgesamt an, aktuell zu rauchen (d. h. in den letzten 30 Tagen zumindest eine Zigarette). Jede(r) Sechste (17 %) raucht täglich oder fast täglich. Männer und Frauen unterscheiden sich in Hinblick auf diese beiden Indikatoren nur gering. Mit Ausnahme der ältesten Altersgruppen zeigt sich jedoch ein deutlicher Bildungsgradient:
Personen mit einem niedrigeren Bildungsabschluss konsumieren mehr Zigaretten pro Tag als Personen mit einem höheren Bildungsabschluss.
Sieben Prozent der Befragten rauchen zwar selbst nicht, sind aber zu Hause dem Tabakrauch anderer Personen ausgesetzt. Der Konsum anderer nikotinhaltiger Produkte (E‐Zigaretten, Shisha, rauchfreie Produkte) ist weitgehend auf Jugendliche und junge Erwachsene beschränkt.
Im Vergleich zu den Vorerhebungen aus den Jahren 2004 und 2008 zeigt sich eine deutliche Sensibilisierung in Hinblick auf die Gefahren regelmäßigen und starken Zigarettenkonsums. So versuchte etwa ein Drittel der täglich Rauchenden in den letzten zwölf Monaten mindestens einmal ernsthaft, mit dem Rauchen aufzuhören, schaffte dies aber nicht.
Frauen nutzen häufiger Schlaf- und Beruhigungsmittel als Männer
Sieben Prozent der Befragten geben an, in den letzten 30 Tagen Schlaf‐ oder Beruhigungsmittel eingenommen zu haben, vier Prozent der Befragten berichten von einer häufigen Einnahme (viermal oder häufiger in den letzten 30 Tagen) solcher Substanzen. Beide Indikatoren sind bei Frauen höher als bei Männern und bei älteren Personen höher als bei jungen. Im Zeitverlauf zeigen sich insgesamt nur geringe Schwankungen in der Nutzungsprävalenz, die Unterschiede zwischen Frauen und Männern nahmen dabei jedoch ab.
Probiererfahrungen mit Cannabis weit verbreitet, Problemkonsum verhältnismäßig selten
Aktuelle empirische Zahlen sowie Annahmen zur Unterschätzung von Cannabiskonsum bei Befragungsdaten führen zu der Schätzung, dass etwa ein Drittel bis die Hälfte der Österreicherinnen und Österreicher bereits mindestens einmal Cannabis konsumierte. Dabei handelt es sich meist nur um Probierkonsum bzw. um Konsum über eine begrenzte Phase:
Nur drei Prozent der Gesamtstichprobe geben für die letzten 30 Tage Cannabiskonsum an. Im Zeitverlauf liegt der Cannabiskonsum in etwa auf demselben Level wie in den Jahren 2004 und 2015, dies lässt auf einen stabilen Anteil der Personen mit Cannabiserfahrung schließen.
Insgesamt sprechen sich über 70 Prozent der Personen mit einer expliziten Meinung zur Cannabisregulierung für Straffreiheit bei Konsum von THC‐haltigem Cannabis aus. Sowohl in Bezug auf die medizinische als auch auf die allgemeine Abgabe von THC‐haltigem Cannabis erfuhren im Vergleich zur Erhebung von 2015 liberale Positionen Zuwachs.
Männer berichten häufiger als Frauen von Erfahrungen mit anderen psychoaktiven Substanzen
Drei bis vier Prozent der Befragten geben an, irgendwann in ihrem Leben biogene Drogen, Kokain, Ecstasy, Amphetamin oder Schnüffelstoffe konsumiert zu haben. Ein bis zwei Prozent der Befragten probierten nach eigenen Angaben schon einmal Metamphetamin, LSD oder neue psychoaktive Substanzen (NPS). Tendenziell geben Männer bei fast allen Drogen öfter als Frauen an, diese bereits probiert zu haben.
15 Prozent trinken in einem problematischen Ausmaß, Männer fast doppelt so häufig wie Frauen
Im Vergleich zu Vorerhebungen zeigt sich ein langfristig leichter Rückgang des problematischen Alkoholkonsums in Österreich. Unabhängig von Veränderungen im Rahmen der Corona-Pandemie wird laut aktuellen Daten geschätzt, dass 15 Prozent der österreichischen Bevölkerung (ab 15 Jahren) Alkohol in einem problematischen Ausmaß konsumieren, 1994 waren dies noch 18 Prozent. Diese Schätzung umfasst Personen mit Alkoholabhängigkeit sowie Personen mit einem Konsumverhalten, das längerfristig mit großer Wahrscheinlichkeit zu körperlichen Problemen führen wird.
Männer (19 %) weisen fast doppelt so häufig einen problematischen Konsum auf wie Frauen (11 %) und auch bei anderen Konsumindikatoren zeigt sich ein ähnliches Verhältnis zwischen den beiden Geschlechtern: Männer trinken im Durchschnitt mehr als doppelt so viel Alkohol wie Frauen (38 Gramm bzw. 15 Gramm Reinalkohol), doppelt so häufig täglich oder fast täglich Alkohol (25 % bzw. 12 %) und doppelt so häufig große Konsummengen bei einer Trinkgelegenheit.
8 Prozent nutzen digitale Spiele in einem Ausmaß von mehr als 10 Stunden pro Woche, zusätzliche 5 Prozent in einem Ausmaß von mehr als 20 Stunden pro Woche.
Zwei Drittel der Befragten geben an, dass sie während des ersten Lockdowns mehr Computerspiele genutzt haben, und die durchschnittliche Spieldauer hat sich von 4 auf 8 Stunden verdoppelt. Eine tägliche Nutzung digitaler Spiele wird insbesondere von jungen männlichen Befragten häufig berichtet und liegt bei 15‐ bis 19‐Jährigen etwa bei über 40 Prozent.
Hintergrund und Methode
Die „Österreichische Repräsentativerhebung zu Konsum‐ und Verhaltensweisen mit Suchtpotenzial 2020“ ist die größte bundesweite Erhebung zu suchtrelevanten Konsum‐ und Verhaltensweisen sowie zu Einstellungen gegenüber suchtrelevanten Fragestellungen und bietet umfassendes Datenmaterial zu den Themenbereichen Alkohol, Tabak und verwandte Produkte, illegale psychoaktive Substanzen und Medikamente. Durch die Koinzidenz der Erhebung mit der Ausbreitung der Corona‐Pandemie in Österreich wurden zusätzlich die Auswirkungen des ersten Lockdowns auf suchtrelevante Verhaltensweisen untersucht und spezielle Corona‐Module ergänzt.
Zielgruppe dieser Erhebung ist die österreichische Wohnbevölkerung ab 15 Jahren. Insgesamt wurden bei der ersten Erhebungswelle im Frühjahr 2020 5.963 Personen und von diesen 3.289 Personen im Herbst 2020 erneut befragt. Methodisch und inhaltlich vergleichbare Erhebungen wurden bereits in den Jahren 2004, 2008 und 2015 durchgeführt und ermöglichen somit Trendanalysen über einen Zeitraum von sechzehn Jahren. Da bekannt ist, dass der Alkoholkonsum in Befragungsstudien erheblich unterschätzt wird, werden die tatsächlichen Angaben anhand von Behandlungs‐ und Verkaufszahlen adjustiert. Aus diesem Grund liegt die Schätzung des problematischen Alkoholkonsums bei den Statistiken des Kompetenzzentrums Sucht deutlich höher als in Studien, die unkorrigierte Rohdaten interpretieren.
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